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OFFENER BRIEF/011: An die spanischen Richter nach der Razzia gegen baskische Linke (Alfonso Sastre)


Tlaxcala - das Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt

Offener Brief an die spanischen Richter nach der neuen Razzia gegen die baskischen Linken

Von Alfonso Sastre, 15.10.2009
Übersetzt von Isolda Bohler, lektoriert von Fausto Giudice


Die neue Verhaftungswelle gegen die angebliche Führung der baskischen Linken am 13. Oktober hat sehr starke Reaktionen in Euskal Herria, dem Baskenland, hervorgerufen. 37.000 Personen demonstrierten in Donostia-San Sebastián am 17. Oktober. Hier ist ein offener Brief Alfonso Sastres an die Richter, die die Verhaftungen verordnet haben. (Fausto Giudice)


Wer diesen Festnahmen applaudiert, ist nicht für den Frieden, sondern zieht die Existenz der bewaffneten Gewalt vor. Es ist unvorstellbar, dass sich die Applaudierenden nicht schämen, im Namen der Justiz diese selbst zu missachten, in dem friedliche Personen verfolgt werden.

Angesichts der letzten Razzia der Polizei fordere ich, Alfonso Sastre, in Madrid geboren, 83 Jahre alt und seit mehreren Jahrzehnten baskischer Bürger, von Ihnen, eiligst alles Mögliche zu unternehmen, um die letzte Razzia gegen baskische Bürgerinnen und Bürger zu entschärfen und zu stoppen, und ihnen die Freiheit zurückzugeben. In dem vorliegenden Brief möchte ich Ihnen folgendes darlegen:

1.- Es erscheint undenkbar, dass sich keine Personen unter Ihnen befinden, die nicht von Grund auf mit Maßnahmen wie dieser nicht einverstanden sind - beginnend bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit als Juristen, berufsmäßig mit dem Recht beschäftigt - und die nicht darüber beschämt sind, dass im Namen der Justiz friedliche Personen verfolgt werden, deren einzige "Straftat" es ist, linke Patrioten zu sein und zu versuchen, sich auf dem Terrain der Politik oder in der Gewerkschaft zum Ausdruck zu bringen. Hält keiner von Ihnen, wenigstens in seiner internen Rechtsprechung, diesen Gedankengang aufrecht? Ich kann dies nicht glauben.

2.- Die Existenz einer legalen, abertzalen (baskisch-patriotischen) Linken, die nicht öffentlich die bewaffnete Gewalt von ETA "verurteilt", trägt nicht nur nicht zur Unterstützung dieser Art des Kampfes bei und der sich daraus ergebenden Versuchung, ihn zeitlich zu verlängern, sondern im Gegenteil, ist sie (diese Linke) zur Lösung des politischen Konflikts und somit für das Ende von dieser Art des Kampfes (der eine schmerzliche Tragödie ist) und für den so ersehnten Frieden notwendig, da, wie ich sage, die legale Existenz dieser politischen Kraft, nichts geringeres als eine unerlässliche Bedingung für dieses glückliche Erlangen ist. Außerdem ist der baskische Patriotismus eine legitime Idee, obwohl er heutzutage, und hier ist gerade ein Schlüssel des Konflikts, nicht legal sein soll, eine Tatsache, auf die sich die Gewalt, die wir erleiden, gründet und erklärt.

Für mich sind diejenigen, die diesen Verhaftungen applaudieren - in vielen Fällen eifrig und begeistert - keine Befürworter des Friedens, sondern sie bevorzugen die Existenz der bewaffneten Gewalt.

Wenigstens einige von Ihnen, meine Herren Richter, sollten das Mögliche tun, um im Augenblick die Gewalt dieser Verhaftungen aufzuheben, die man gegen Personen für den Frieden ausübt, und die außerdem selbst sehr geduldig sind.


Quelle: Gara - Carta abierta a los magistrados españoles
Originalartikel veröffentlicht am 15.10.2009


Isolda Bohler und Fausto Giudice sind Mitglieder von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Diese Übersetzung kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor, die Übersetzerin, der Prüfer als auch die Quelle genannt werden.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2009