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OFFENER BRIEF/062: Menschenrechtsarbeit in Palästina bedroht - Israel erklärt 6 NGOs zu "Terrorgruppen" (DIE LINKE NRW)


DIE LINKE. Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik NRW
Pressemitteilung vom 9. Januar 2022

Menschenrechtsarbeit in Palästina bedroht: Israel erklärt 6 NGOs zu "Terrorgruppen"


Die Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationale Politik NRW der Partei DIE LINKE hat einen Offenen Brief an Außenministerin Baerbock wegen der Einstufung von sechs palästinensischen Nichtregierungsorganisationen als "Terrorgruppen" geschrieben. Diese Einstufung "ist ein Frontalangriff auf die palästinensische Menschenrechtsbewegung und auf die Menschenrechte überall", wie auch Michael Lynk, der UN-Sonderberichtserstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete, erklärte. "Das jahrzehntelange Versagen der internationalen Gemeinschaft, schwerwiegende israelische Menschenrechtsverletzungen anzufechten und sinnvolle Konsequenzen daraus zu ziehen, hat die israelischen Behörden zu diesem dreisten Vorgehen ermutigt", so Amnesty International und Human Rights Watch in einer gemeinsamen Erklärung. "Wie die internationale Gemeinschaft reagiert, wird ein echter Prüfstein für ihre Entschlossenheit sein, Menschenrechtsverteidiger zu schützen." Die bekannte Menschenrechtsorganisation B'Tselem vergleicht das israelische Vorgehen mit dem "Handeln totalitärere Regime".

Die EU sowie einzelne EU-Länder unterstützen die palästinensische Zivilgesellschaft und auch die jetzt als "terroristisch" eingestuften Organisationen Al-Haq, Addameer, Defense for Children International-Palestine, das Bisan Center for Research and Development sowie die Organisationen Union of Palestinian Women's Committees und Union of Agricultural Work Committees seit langem - meist über Drittorganisationen wie z. B. die Heinrich-Böll-Stiftung und Medico International. Obwohl Israel die EU wegen dieser Finanzierung bereits früher zu Unrecht der "Terrorfinanzierung" beschuldigt hat und auch jetzt keinen überzeugenden Nachweis für diese Beschuldigungen geliefert hat, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am 17. November 2021 laut der israelischen Zeitung Haaretz sagte, hat weder die EU noch Deutschland diese ungeheuerliche Entscheidung der israelischen Regierung bislang verurteilt. Deswegen rufen wir Außenministerin Baerbock in unserem Offenen Brief auf, die Einstufung als "Terrororganisationen" zu verurteilen, die israelische Regierung zur Rücknahme dieser Einstufung zu bewegen und die Zusammenarbeit mit diesen NGOs zu intensivieren.


Offener Brief an Außenministerin Baerbock
Menschenrechtsarbeit in Palästina bedroht: Israel erklärt 6 NGOs zu "Terrorgruppen"

9. Januar 2022

Sehr geehrte Frau Außenministerin Baerbock,

der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz hat am 22. Oktober sechs palästinensische NGOs zu "Terrorgruppen" erklärt. Diese gehören - was auch die UN-Kommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet betont - zu den renommiertesten Menschenrechts- und humanitären Gruppen in den besetzten palästinensischen Gebieten, die seit Jahrzehnten eng mit den Vereinten Nationen zusammen arbeiten.

Diese Einstufung als "Terrororganisationen" "ist ein Frontalangriff auf die palästinensische Menschenrechtsbewegung und auf die Menschenrechte überall", wie auch Michael Lynk, der UN-Sonderberichtserstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete, erklärte. "Ihre Stimmen zum Schweigen zu bringen, ist nicht das, was eine Demokratie, die sich an anerkannte Menschenrechte und humanitäre Standards hält, tun würde." Wie auch Lynk rufen wir "die internationale Gemeinschaft auf, die Menschenrechtsverteidiger zu verteidigen" und wir rufen ganz konkret Sie auf, diesen Schritt zu verurteilen, die israelische Regierung zur Rücknahme dieser Einstufung zu bewegen und die Zusammenarbeit mit diesen NGOs zu intensivieren.

"Diese Entscheidung ist eine alarmierende Eskalation, die die Arbeit der prominentesten zivilgesellschaftlichen Organisationen Palästinas zum Erliegen zu bringen droht. Das jahrzehntelange Versagen der internationalen Gemeinschaft, schwerwiegende israelische Menschenrechtsverletzungen anzufechten und sinnvolle Konsequenzen daraus zu ziehen, hat die israelischen Behörden zu diesem dreisten Vorgehen ermutigt," so Amnesty International und Human Rights Watch in einer gemeinsamen Erklärung. "Wie die internationale Gemeinschaft reagiert, wird ein echter Prüfstein für ihre Entschlossenheit sein, Menschenrechtsverteidiger zu schützen. Wir sind stolz darauf, mit unseren palästinensischen Partnern zusammenzuarbeiten, und das schon seit Jahrzehnten. Sie repräsentieren das Beste der globalen Zivilgesellschaft. Wir stehen an ihrer Seite, wenn es darum geht, diese ungeheuerliche Entscheidung anzufechten." 25 israelische NGOs - unter ihnen die bekannte Menschenrechtsorganisation B'Tselem - vergleichen das israelische Vorgehen mit dem "Handeln totalitärere Regime".

Die EU sowie einzelne EU-Länder unterstützen die palästinensische Zivilgesellschaft und auch die jetzt als "terroristisch" eingestuften Organisationen Al-Haq, Addameer, Defense for Children International-Palestine, das Bisan Center for Research and Development sowie die Organisationen Union of Palestinian Women's Committees und Union of Agricultural Work Committees seit langem - meist über Drittorganisationen wie z. B. die Heinrich-Böll-Stiftung und Medico International. Obwohl Israel die EU wegen dieser Finanzierung bereits früher zu Unrecht der "Terrorfinanzierung" beschuldigt hat und auch jetzt keinen überzeugenden Nachweis für diese Beschuldigungen geliefert hat, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am 17. November 2021 laut der israelischen Zeitung Haaretz sagte, hat weder die EU noch Deutschland diese ungeheuerliche Entscheidung der israelischen Regierung bislang verurteilt. Wir sehen es als dringend erforderlich an, dass Deutschland und die EU, diese Entscheidung entschieden verurteilen und die israelische Regierung zur Rücknahme bewegen. Das Schweigen Deutschlands würde auch Ihrer Koalitionsvereinbarung widersprechen, in der Sie von der palästinensischen Seite Fortschritte bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten sowie die Absage von jeder Form von Gewalt erwarten. Ganz abgesehen davon, dass wir sehr darüber erstaunt sind, dass Sie dies nur von der palästinensischen und nicht auch von der israelischen Seite erwarten, fragen wir Sie: Wie sollen sich die Werte Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in der palästinensischen Gesellschaft entwickeln, wenn die israelische Besatzungspolitik renommierte Menschenrechts- und humanitäre NGOs willkürlich zerstört und alle Mitarbeiter:innen und alle Unterstützer:innen mit Gefängnis bedroht?

Mit freundlichen Grüßen

Diyar Agu, Gabi Bieberstein, Inge Höger und Kathrin Vogler

Sprecher:innen der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik NRW der LINKEN


Zum Thema siehe auch:
www.schattenblick.de → Infopool → Politik → Meinungen →
OFFENER BRIEF/062: Menschenrechtsarbeit in Palästina bedroht - Israel erklärt 6 NGOs zu "Terrorgruppen" (DIE LINKE NRW)

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Quelle:
DIE LINKE. Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik NRW
Pressemitteilung vom 9. Januar 2022

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 12. Februar 2022

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