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STANDPUNKT/138: Droht ein militärischer Angriff auf die Islamische Republik Iran? (Falkenhagen/Queck)


Droht ein militärischer Angriff auf die Islamische Republik Iran?

von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 14. November 2011


Droht ein militärischer Angriff auf die Islamische Republik Iran? Intensive Vorbereitungen dazu laufen seit 2003, nachdem der damalige USA-Präsident George W. Bush verbal den Sieg über den Irak verkündet hatte, der sich dann allerdings erst einmal nur als vermeintlicher Sieg herausstellte, weil der innere Widerstand gegen die US-amerikanischen, britischen, polnischen und sonstigen Besatzungstruppen im Irak, vorher schon in Afghanistan, jetzt erst richtig losging.

Auf Grund eines Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über eine angeblich stattfindende Entwicklung und Produktion von Atomwaffen im Iran, der im November 2011 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, nahmen die USA und einige ihrer Verbündeten erneut den Iran militärisch aufs Korn, nachdem man nach dem vorerst "siegreichen" Ende des Libyenkrieges sich in Syrien und auch im Jemen die Zähne ausgebissen hatte und dort mit von außen eingeschleusten und gesteuerten Terrorbanden nicht den erwünschten Erfolg, geschweige denn in der gewünschten Konstellation, den Anlass für ein direktes militärisches Eingreifen der USA und anderer westlicher Staaten gefunden hatte. Jetzt geriet wieder der Iran in den Focus der Angriffsziele, und das entsprechend DER Gesetzmäßigkeit, dass die USA rund um den Erdball vermeintliche und angeblich tatsächliche Gegner abwechselnd als Ziele ihrer Aggressionsstrategie fokussieren, was alles andere als Vertrauen fördernd für die USA-Politik ist. Der russische Außenminister Lawrow hat den jüngsten IAEA-Bericht zum iranischen Atomprogramm als arge Täuschung und Quelle zur Anheizung der Spannungen in der Welt bezeichnet. Der Bericht mindert die Hoffnungen zum fruchtbaren Dialog mit Teheran und ist darauf angelegt, die Chancen für eine diplomatische Lösung zu untergraben, heißt es aus Moskau. Dass der besagte IAEA-Bericht politisch motiviert ist und vorsätzlich nur Emotionen gegen den Iran anheizen soll, ja sogar als Kriegsgrund verwendet werden soll, brachte auch das Außenministerium der VR China zum Ausdruck. Peking will auch in Zukunft in seinen außenpolitischen Beziehungen den diplomatischen Weg gehen. Es betonte, dass das völkerrechtliche Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates auch in Bezug auf den Iran gelten muss (s. u.a. http://www.2.irna.ir/fr/news/view/line-96/111092960133249.htm).

Es gibt Presseberichte und andere Medienberichte, die besagen, dass im Gegensatz zur Vergangenheit, in der der Krieg gegen den Iran nur als Drohgebärde aufzufassen gewesen wäre, es jetzt mit einer Militäraktion gegen den Iran endgültig ernst werden würde.
In der Tat, mit dem Ernstfall eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs auf den Iran wurde schon mehrfach gedroht, ohne dass sich die iranische Regierung bzw. das iranische Volk davon ernsthaft einschüchtern ließen.
Auch jetzt im November 2011 verlautet aus Teheran, dass man vor Drohungen keinen Jota zurückweichen wird, auch was die Weiterbetreibung des friedlichen Zwecken dienenden Atomprogramms anbelangt. Aus Teheran hieß es ebenfalls, dass im Fall eines Angriffs der USA und Israels mit harten, entschiedenen und vernichtenden Gegenschlägen geantwortet werde und das Land für eine umfassende Landesverteidigung gewappnet ist.
Auch Russland, die VR China und weitere Staaten warnten entschieden vor einer Militäraktion gegen den Iran.
Darauf kamen auch seitens westlicher Politiker, einschließlich des US-Verteidigungsministers Panetta, warnende Stimmen vor unkalkulierbaren, bzw. schwer kalkulierbaren Risiken eines Militäreinsatzes gegen den Iran.
Auch der UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte entschieden vor jeglicher Form einer Militäraktion. Einige westliche Politiker meinten, dass eine militärische Aktion unbedingt durch irgendeine UNO-Resolution gedeckt sein müsse, auch wenn sie dehnbar und wässrig ist, wie die Resolution des UN-Sicherheitsrats 1973, die dann unter Entstellung des tatsächlichen Inhalts der Resolution eine Scheinberechtigung zum NATO-Krieg gegen Libyen abgegeben hat (siehe Artikel 27 UNO-Charta, die da heißt, "dass Beschlüsse des Sicherheitsrates der Zustimmung ALLER ständigen Mitglieder" bedürfen!)

Russland und die VR China, erteilten diesmal als Vetomächte im Weltsicherheitsrat auf Grund der negativen Erfahrungen im Falle Libyen, wo sie kein Veto gegen eine Flugverbotszone einlegt hatten, diesmal jeglicher Resolution gegen den Iran eine Absage, die auch nur dem leisesten Anschein einer Berechtigung zu einer Militäraktion beinhalten könnte.
Der Weg zur Lösung von Fragen des iranischen Atomprogramms können nur Verhandlungen und der Dialog mit Teheran sein, verlautete es gleich lautend aus Peking und Moskau, aber auch aus anderen Hauptstädten wie z. B aus der indischen Hauptstadt New Dehli.

Alle Versuche Washingtons, Paris oder Londons diesmal dem UNO-Sicherheitsrat mit listiger Fallenstellerei wieder eine Resolution unterzujubeln, die den Schein einer Berechtigung zum militärischen Losschlagen geben würde, waren damit auf Sand gebaut.
Es bleibt den USA und Israel also nur die Option, auf eigene Faust zuzuschlagen und damit das Völkerrecht erneut, wie im Falle des Iraks, Jugoslawiens und anderer Aggressionskriege total auszuhebeln.
Moralisch, so heißt es gleichzeitig, würde man vor einer Militäraktion, sprich einem Aggressionsakt gegen den Iran, in Washington nicht zurückschrecken, wenn es da nicht die unkalkulierbaren oder schwer kalkulierbaren Risiken gäbe, von denen der US-Verteidigungsminister Panetta und übrigens auch der deutsche Außenminister Westerwelle, sprachen.
Die militärische Option ist aber damit keineswegs vom Tisch. Die Rede ist in westlichen Ländern aber weiter von "unkalkulierbaren und schwer kalkulierbaren Risiken".

Die Risiken, über die sich weder US-Politiker, noch israelische Politiker und Militärs äußern, kann auch ein Außenstehender leicht abschätzen und bewerten, wenn er sich in der internationalen Presse und auch via Internet über eine Reihe relevanter Fakten zum politischen und militärischem Kräfteverhältnis hinreichend informiert und sich über die militärische Verteidigungsfähigkeit des Irans sachkundig macht.

Auf Grund vorliegender verlässlicher Informationen zur konventionellen Verteidigungsfähigkeit des Irans kommt man auch ohne Kenntnisse militärischer Geheimnisse unweigerlich zu dem Schluss, dass es für die westliche Staaten äußerst aufwendig und teuer ist, einen Angriffskrieg gegen den Iran zu führen , der eine Besetzung des Landes bewirken und einen Regimewechsel, also die Einsetzung einer dem Westen hörigen Regierung in Teheran, herbeiführen könnte.

1. Der Iran verfügt über modern ausgerüstete Streitkräfte von sofort einsetzbaren und mobilisierbaren Militärverbänden in Stärke von etwa 2 Millionen Soldaten des Heeres, der Luftwaffe und der Marine, einschließlich der Truppen der Revolutionären Garden.

2. Der Iran verfügt über eine schlagkräftige moderne Luftabwehr einschließlich modernster Luftabwehrraketen sowie über mehr als 500 Kampfflugzeuge, vorwiegend Abfangjagdflugzeuge.

3. Er hat eine moderne Marine mit zwar vorwiegend kleinen, aber sehr wendigen und schlagkräftigen Kriegsschiffen mit hoher Feuerkraft.

4. Der Iran verfügt über eine Reihe moderner U-Boote, ausgestattet mit modernsten Torpedos.

5. Der Iran ist im Besitz einer großen Zahl von modernen Kurz- und Mittelstreckenraketen mit bis zu einer Reichweite von mindestens 2000 Kilometern.

6. Hinzukommen eine Milizarmee, die sog. Basidsjis (Basidsch-e Mostaz'afins, eine Art flächendeckende territoriale Bürgerwehr), in Stärke von derzeit rund 14 Millionen Männern und Frauen im wehrfähigen Alter, die sehr gut bewaffnet und zur Landesverteidigung hoch motiviert sind.

7. Die Gesamtbevölkerungszahl des Irans beträgt derzeit 73 Millionen.

Würden die USA, Israel und weitere Verbündeten einen Angriff starten, würden sie zunächst einer zahlenmäßigen Übermacht von bestens bewaffneten und hoch motivierten Verteidigungsstreitkräften gegenüberstehen.
Hinzuzukommen ungünstige geografische und geologische Verhältnisse für angreifende Streitkräfte. Das Land ist größtenteils gebirgig und felsig. Auch das Flachland ist von Wäldern und einer dichten Pflanzenwelt überzogen, die Verteidigern beste Schutz- und Tarnmöglichkeiten bieten. Insbesondere die Küsten lassen sich hervorragend verteidigen. Alles das unterscheidet den Iran z. B. von Libyen mit seinen weiten Wüstenlandschaften. Man kann sich ausrechnen, wie viel Millionen Soldaten benötigt würden, um diesen Widerstand zu brechen.

Für einen Angriffskrieg würden derzeit die einsatzfähigen militärischen Kräfte nicht einmal der gesamten NATO ausreichen, selbst wenn gezwungenermaßen ein paar stockreaktionäre arabische Feudaldynastien wie Katar, Bahrain, der Kuwait oder die Vereinigten Arabischen Emirate mitmachen würden.
Letztere wären übrigens ein zusätzlicher Risikofaktor, weil sich deren Regierungen in kritischen Kriegssituationen selbst als höchst labil und unzuverlässig erweisen würden.
Dominiert doch im gesamten Nahen und Mittleren Osten eine stark antiamerikanische Stimmung!
Das und andere Faktoren würden den mit den lokalen Verhältnissen der Region vertrauten iranischen Streitkräften beste Reaktionsmöglichkeiten und Gegenangriffschancen zu Lande und auf See bieten, wenn eine Aggression gegen denn Iran stattfinden sollte.

Weder die USA, noch Israel, oder jedwede andere Militärkoalition, die von Washington oder Jerusalem geschmiedet werden würde, könnten hier auf einen Sieg, geschweige denn einen schnellen Sieg, rechnen!

Es bliebe den USA und Israel nur die Wahl eines umfassenden Atomkrieges unter Einsatz aller atomaren Waffenarten. Das wäre dann aber der flächendeckende Atomkrieg, der außer zur völligen atomaren Vernichtung des Irans auch zur atomaren Vernichtung durch radioaktive Verstrahlung aller Nachbarländer des Irans, einschließlich Israels, sowie zur langfristigen Lahmlegung der gesamten Erdölförderung des Nahen und Mittleren Ostens, führen würde.

Wie darauf die Atommächte Russland, China, Indien, Pakistan und die Mehrzahl der UNO-Staaten reagieren würden, kann man sich leicht ausmalen. Sie müssten darauf reagieren, selbst auf die Gefahr hin, dass die ganze Welt in ein atomares Inferno gerissen würde.

Studiert man die Geschichte der USA, so gelangt man zu dem Schluss, dass dortige Regierungen sich auf Angriffskriege nur eingelassen hatten, wenn sie sich ihres Sieges sicher waren oder zumindest die Chance hatten, da irgendwie wieder einigermaßen ungeschoren raus zu kommen, wie es anfangs bei der Planung des Korea- oder Vietnamkrieges war.

Dennoch darf man auch im Falle des Irans nicht ausschließen, dass sich in der USA-Politik auch die gefährlichsten Typen von Vabanque-Spielern durchsetzen könnten, zumal die von den USA ausgehende Weltfinanzkrise das ganze kapitalistische System, vor allem die USA, ökonomisch in den Abgrund zu reißen droht!

Die USA pflegen ihre Angriffskriege durch lange Propagandakriege vorzubereiten, was nicht ausschließt, dass sie auch Überraschungsangriffe durchführen. Im Falle des Irans wird, wie die Fakten zeigen, der Angriffskrieg propagandistisch sehr intensiv vorbereitet. Die Hetzkampagnen gegen den Iran laufen auf vollen Touren. Man will den Krieg, nur ist man sich über das WIE im Unklaren.

Zur Zeit ist die Rede davon, dass man es in Washington und Jerusalem als realistischer ansieht, "NUR" gezielte Militärschläge auf Atomanlagen die, wie der Iran betont, nur zivilen Zwecken dienen, durch den Einsatz von mit DU ausgestatteten bunker busters (neue Kategorie atomarer Bomben mit großer Durchschlagskraft unter Verwendung so genannten "abgereicherten Urans"!) zu führen.

DAS IST HEUCHLERISCH, DENN WIE SCHON IN 3 AGGRESSSIONSKRIEGEN GEGEN DEN IRAK, GEGEN JUGOSLAWIEN UND AFGHANISTAN, STARBEN BEI DER VERWENDUNG DIESER MUNITION 1-2 MILLIONEN MENSCHEN !!!

Man würde im Iran gewaltige Zerstörungen und Verluste anrichten, könnte aber weder das iranische Volk noch dessen Regierung in die Knie zwingen und diese auch in der Folgezeit nicht davon abhalten, weiterhin ihr Öl NICHT für den wertlosen US-Dollar zu verkaufen!!!

Von der atomaren Verseuchung der Nachbarländer des Irans in einem breiten Umfeld ganz zu schweigen!!

Was als FOLGEWIRKUNG einer Militäraktion für die USA und Israel extrem gefährlich werden würde, ist DER Tatbestand, dass im Iran, aber auch in anderen Ländern der Welt, erst recht eine antiamerikanische und antizionistische Stimmung "zum heiligen Abwehrkampf" entstehen würde.
Der Iran würde dann innerhalb kürzester Frist allen atomaren Strahlen zum Trotz DAS erlangen, was die westliche Welt mit gezielten Angriffen auf iranische Atomanlagen verhindern wollte, nämlich nun gerade in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen, und sei es, dass er diese aus Solidarität aus anderen Staaten geliefert bekäme!!

Alle bisher noch vorhandenen Barrieren gegen die Verbreitung von Atomwaffen würden dann nämlich weltweit weg brechen!!

Haben doch die USA in der Vergangenheit UNTER MISSACHTUNG DES NICHTWEITERVERBREITUNGSVERTRAGES VON KERNWAFFEN GERADE DIE LÄNDER ANGEGRIFFEN, DIE ÜBER KEINE ATOMWAFFEN VERFÜGTEN !!!

Viele Länder, einschließlich des Irans selber, würden nun unter Geltendmachung des Arguments der extremen Notwehr, sich mit Atomwaffen ausrüsten und diese im Falle eines Angriffskrieges auch gegen die USA, gegen Israel bzw. deren Verbündete einsetzen.

Das wäre dann das Szenario der atomaren Katastrophe, wenn nicht gar des Weltuntergangs!

Im Rücken der amerikanischen und israelischen Militärs und des Militärs von eventuellen Verbündeten würden die Partisanenbewegungen gewaltigen Auftrieb erfahren.
So wäre vorstellbar, dass in Afghanistan die Taliban, im Libanon die Hisbollah, im Irak vor allem schiitische Widerstandsgruppen, in Libyen Gaddafi-Anhänger, sowie islamische Extremisten, Angriffe von bisher nicht gekanntem Ausmaß gegen die westliche Welt starten würden.
Es entstünden weltweit viele weitere, bisher meist noch latente Kriegsschauplätze, mit denen die USA und NATO nun in voller Stärke konfrontiert werden würden.

Die Weltstimmung würde sich quasi unisono gegen die USA und ihre noch vorhandenen Verbündeten richten!
Letztere würden dabei schnell versuchen, schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb heraus, abtrünnig zu werden.
Auch in den USA selbst würde die US-Regierung in arge Bedrängnis durch einen internen Volkswiderstand geraten, und das schon auf Grund der im Volk aufgestauten Wut über die Banker und Börsianer, kurz die Finanzoligarchen, die schon jetzt im Visier von sog. Occupy-Wallstreet-Bewegungen stehen.
In den EU-Ländern würden sich ebenfalls die "Banken-in-die-Schranken!"-Bewegungen und andere Protestformen ausbreiten.

Wenn es dann noch so etwas wie Sieger geben würde, wären es bestimmt nicht die USA, Israel oder irgendwelche NATO-Staaten!
Es wären dann sogar mit höchstem Wahrscheinlichkeitsgrad Russland, die VR China, einschließlich deren Verbündeter, im Endeffekt der Iran inbegriffen.

Die westlichen Länder sollten aus den genannten Gründen, gerade im Zeitalter der Atomwaffen und anderer Massenvernichtungswaffen, die Finger von jeder Art von Angriffskrieg lassen!!!

So wie es die UNO in ihrem Statut und zahlreichen Zusatzabkommen einst beschlossen hat, ist jegliche Art von Angriffskriegen, unter welchen Vorwänden sie auch geführt werden, zu verhindern!
Angriffskriege sind als schwerste Kriegsverbrechen zu ächten und ihre Anstifter streng nach dem Völkerstrafrecht zur Rechenschaft zu ziehen!
Das alles kann nur unter strenger Regie der UNO ablaufen, soweit diese von den Völkern noch als Schlichter internationaler Streitigkeiten anerkannt wird!

Berechtigt sind laut UNO-Charta, wie wir wissen, nur Verteidigungskriege, dann ev. sogar mit Atomwaffen, wenn der Angreiferstaat Atomwaffen als erster einsetzt!!!


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Quelle:
Copyright 2011 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2011