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STANDPUNKT/863: Menschenrechte in Venezuela in Not (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Menschenrechte in Venezuela in Not!

Von Günter Buhlke, 26. Mai 2019


Die eigentlichen Absichten der Politiker der USA-Regierung in Venezuela einen Regime-Wechsel herbeizuführen, werden nicht mehr unter Verschluss gehalten. Dass die Aktionen nur mit einer tiefen Verletzung der Menschenrechte der Bevölkerung des südamerikanischen Landes unternommen werden können, wird von den USA und ihren Verbündeten in Kauf genommen. Um den Erfolg sicherzustellen, setzten Nordamerikaner bisher alle Mittel ein, die unterhalb einer offenen militärischen Intervention liegen.

Das schlussfolgert ein Bericht des UN-Experten Alfred-Maurice de Zayas, den er auf der 39. Sitzung des Menschenrechtsrates der UNO im September 2018 in Genf vorgestellt hatte und der jetzt der Öffentlichkeit vorliegt. Auf 18 Seiten werden die bisher einseitig unternommenen 150 staatlichen Maßnahmen der USA zur Destabilisierung der venezolanischen Regierung im Detail beschrieben. Im Bericht sind die nachstehenden Stufen erkennbar, die seit 2014 über mehrere Jahre unter Nutzung bereits in Chile, Nicaragua und Guatemala praktizierter Abläufe unternommen wurden:

- Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Bevölkerung/Wähler und der Regierung Chávez/Maduro unter Nutzung aller medialen Einflussmöglichkeiten.

- Verschlechterung der finanziellen Familienbudgets über die Forcierung der Inflation.

- Abbau der inneren Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und Medikamenten durch dauerhafte Blockierung von Guthaben im Ausland (z.B. Golddepot in England über 1,359 Mrd. US-Dollar).

- Abtrennung Venezuelas vom dollarbasierten internationalen Bankennetz durch Kündigung der Kontenverbindungen (Banken der USA und aller größeren der westlichen Welt). Aufgrund der historischen Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung ist Venezuela ohne den Weltmarkt nicht überlebensfähig.

- Dollarguthaben des Tankstellennetzes CITGO in den USA, dass sich im Besitz der venezolanischen Erdölgesellschaft PdVSA befindet, werden zurückgehalten.

- Börsenspekulationen und die Einstufung durch USA-Ratingorganisationen in das extrem unsichere "C" Niveau (Moodys, S&P, Fitch) führten zu einem Werteverfall staatlicher venezolanischer Aktien in Richtung "0".

- Einstufung Venezuelas als Gefahr für die Sicherheit der USA (Executivorders der Präsidenten Obama und Trump und Kongressgesetze). Mit etwa 23 gesetzlichen Regelungen werden juristische Weisungen an die nordamerikanische Wirtschaft und Institutionen für ihren Umgang mit Venezuela erteilt. Sie besitzen Wirkungen auf Drittländer.

- Per Präsidenten Dekrete wurden Sanktionen und Strafen im Handel mit Venezuela eingeführt. Drittstaaten, die mit Venezuela handeln sind gleichfalls betroffen.

- Organisierung einer ausländischen Unterstützerfront. Einige Staaten der OAS und der EU unterstützen die Erpresserpolitik der USA gegen Venezuela, unter anderen Deutschland.

- Aufbau eines militärischen Ringes an den Grenzen Venezuelas (Kolumbien, Brasilien, Panama) und Militärmanöver in Grenzregionen zur Erhöhung des Druckes.

- Abbruch der diplomatischen Beziehungen der USA zu Venezuela.

- Ständige Versuche, das venezolanische Militär zur Verletzung des Amtseides zu veranlassen.

- Eine fremdgesteuerte Opposition prägt die politische Situation des Landes, insbesondere zu den Wahlen, ohne die Ergebnisse dauerhaft für sich gestalten zu können. Straßenproteste und Gewalthandlungen gehören zu den Standardaktionen der Opposition.

- Missachtung des Ergebnisses der Präsidentenwahl von 2018, dass für Maduro eine Zustimmung von 67,8 Prozent ergab.

- In Abstimmung mit der USA-Administration ernennt sich Juan Guaidó zum Präsidenten Venezuelas außerhalb eines gesonderten demokratischen Wahlprozesses. Deutschland und einige ausländische Regierungen der EU und Lateinamerikas unterstützen den illegalen Schritt. Die Selbsternennung widerspricht allen demokratischen Regeln, wie auch seine Anerkennung durch andere Staaten. Dieser Akt steht konträr zu den bisher geltenden Normen des Völkerrechts.

Die tieferen Gründe für die Maßnahmen der USA und ihrer Verbündeten in Venezuela liegen offensichtlich in ideologischen Bereichen. Sie wollen soziale Alternativen und ein zweites Kuba unter Einsatz aller Kräfte in Lateinamerika verhindern. Ein weiteres Motiv ist der sichere Zugriff auf die Rohstoffe des Landes. Präsident Trump widersetzt sich allen Entwicklungen, die die angestrebte Hegemonie der USA einschränken könnten. Das betrifft Venezuela ebenso, wie die vernunftbetonten Regelungen, die die UNO für einen konfliktärmeren Handelsaustausch zwischen den Staaten, den Schutz der Umwelt und den Menschenrechten erlassen hat. Gegenwärtig versucht er das multilaterale Abkommen mit den Iran über die atomare Entwicklung des Landes durch den einseitigen Ausstieg und mit militärischem Druck zu beenden.


Zwei notwendige Anmerkungen:

Reichtum an Bodenschätzen bedeutet nicht automatisch einen liquiden Kapitalreichtum. Der wird erst über Verarbeitungsstufen, über Steuereinnahmen, Gewinne, Einkommen, neue Arbeitsplätze etc. generiert. Im Fall Venezuelas und anderer Entwicklungsländer liegen diese Stufen überwiegend im Ausland. Die Förderung von Rohstoffen benötigt zunächst großen Kapitalvorschuss über Kredite, die von ausländischen Kapitalgruppen, meist aus den USA, für die Erschließung, die Förderung, den Unterhalt einer Förderindustrie beschafft werden mussten. Venezuela besitzt keine eigene Tankerflotte, das Land muss teilweise Benzin importieren.

Die Würde des Menschen auf Selbstbestimmung ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen, so verpflichtet auch das deutsche Grundgesetz und die Charta der Menschenrechte. Der deutschen Außenminister und die Regierung verstoßen mit der Anerkennung des selbsternannten Juan Guidó gegen das Menschenrechte und internationale Normen.


Über den Autor

Günter Buhlke. Geb. 1934. Verh. Studium an der Humboldtuniversität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. Dipl. Volkswirtschaftler. Internationale Arbeit als Handelsrat in Mexiko und Venezuela. Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Wirtschaftserfahrungen als langjähriger Leiter des Schweizerischen Instituts für Betriebswirtschaft in Berlin, Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft und Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages. Gegenwärtig ehrenamtliche Tätigkeiten.


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2019

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