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LAIRE/1060: Welternährungskonferenz - Versprechen satt (SB)


Appelle, Ankündigungen und Allerweltsweisheiten

Ein Resümee der Welternährungskonferenz in Madrid


Alle wollen nur das Beste für die hungernden Menschen, leider klappt es nicht so, wie man es sich vorstellt. Aber wir versprechen hoch und heilig, daß wir etwas unternehmen werden ... so könnte man die Aufrufe und Verheißungen auf der heute in Madrid zu Ende gegangenen Welternährungskonferenz, an der Vertreter von rund einhundert Staaten teilnahmen, auf einen Nenner bringen. Jahr für Jahr die gleichen Analysen, Jahr für Jahr die gleichen Appelle. Fast eine Milliarde Menschen haben regelmäßig nicht genügend zu essen, jährlich verhungern mehrere Dutzend Millionen Menschen, pro Tag beläuft sich ihre Zahl auf 20.000.

Gewiß, die vorherrschende Verteilungsordnung sorgt für extreme Unwuchten. Einige Menschen leben im Überfluß, während der größte Teil der Menschheit am Hungertuch nagt. Aber steckt dahinter nicht ein systemischer Mangel? Reicht die produzierte Nahrungsmenge tatsächlich für alle Menschen, wie von Regierungen und ihren Kritikern unterschiedslos behauptet wird? Zweifel kommen auf angesichts der Rekordernte, die im vergangenen Jahr eingefahren wurde, und den schrumpfenden globalen Getreidevorräten. Die Menschheit hätte nach rund zwei Monaten nichts mehr zu essen, würde die Getreideproduktion schlagartig eingestellt, sieht man einmal von Tieren ab, die anschließend noch verzehrt werden könnten. Oder sonnengetrocknete Lehmfladen, mit denen heute schon viele Haitianer ihre Mägen zu beruhigen versuchen.

Vor vierzig, zwanzig und vor zehn Jahren, regelmäßig werden neue Ziele zur Beseitigung des Hungers formuliert, nur um sie angesichts der Realität irgendwann wieder zu verwerfen. Das sogenannte Millenniumsziel, das die internationale Staatengemeinschaft vor neun Jahren gefaßt hat und eine Halbierung der Zahl der Hungernden (von damals rund 850 Mio. Menschen) bis 2015 vorsieht, ist offensichtlich in unerreichbare Ferne gerückt. Wer sollte ernsthaft glauben, daß in den verbliebenen sechs Jahren, die von der weltweiten Wirtschaftskrise beherrscht sein dürften, eine radikale Umkehr der Verhältnisse herbeigeführt wird?

Es heißt also Abschied nehmen von dem Millenniumsziel. Neue Versprechen müssen her, die vergessen machen sollen, daß sie die Wiederholung der Wiederholung des ewig gleichen Erklärungen sind. Wenn jetzt die Welternährungsorganisation die Industriestaaten dazu aufruft, "nach den Versprechungen auf dem letzten 'Hungergipfel' in Rom im Sommer 2008 endlich 'konkrete Ankündigungen' zu machen", wie der "Tagesspiegel" (27.1.2009) berichtete, dann offenbart sich hieran die ganze Scharade. Nimmt man diesen Aufruf beim Wort, so geht es der Welternährungsorganisation um "Ankündigungen". Die mögen noch so konkret formuliert sein, im Verhältnis zu Sofortmaßnahmen, um den Hunger in der Welt zu beseitigen, handelt es sich um Verzögerungen.

Die Ankündigung, etwas tun zu wollen, und etwas zu tun, sind zwei verschiedene Dinge. Das ist keine Wortklauberei, sondern ein Erfahrungswert. Schon mit der Grünen Revolution in den sechziger und siebziger Jahren sollte der Hunger weltweit zu Grabe getragen werden. Daraus wurde nichts. Sie hat vielmehr die Zentralisierung der landwirtschaftlichen Produktion enorm beschleunigt und zur Verelendung vieler Subsistenzbauern geführt, die sich fortan als Arbeitssklaven auf Großplantagen verdingen mußten oder die Flucht in die Städte antraten, wo sie meist in Elendsvierteln landeten.

Die Grüne Gentechnik, die ungefähr seit Mitte der neunziger Jahre aus den USA kommend nach weltweiter Verbreitung strebt, wird zwar von den Biotechunternehmen als unverzichtbar in der Bekämpfung des Hungers beworben, aber das klingt so, als wenn ein Autohändler die Unverzichtbarkeit seines neuesten Modells preist. Jedenfalls haben die in der Grünen Gentechnik verwendeten mikrobiologischen Züchtungsverfahren die hochtrabenden Verheißungen nicht erfüllt. Der Hunger in der Welt besteht nicht, weil in vielen Ländern massive gesundheitliche und ökologische Bedenken hinsichtlich der Gentechnik in der Landwirtschaft gehegt werden, sondern weil zwischen Ankündigung und Verwirklichung eine breite Kluft besteht.

Was bleibt zu tun? Im ersten Schritt gelte es, jene vorherrschenden Verhältnisse abzuschaffen, durch die auch lange Zeit vor der sogenannten Nahrungskrise des vergangenen Jahres Milliarden Menschen in Hunger und Armut geworfen wurden. Noch vor dem ersten Schritt wäre selbstverständlich jegliche Form von Beteiligung an Herrschaft, sei es als Profiteur, der die Früchte anderer Leute Arbeit erntet, sei es als Knecht, dessen ganzes Sinnen auf den Thron gerichtet ist, zu beenden.

27. Januar 2009