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LAIRE/1341: AfD - ein Fall fürs Establishment ... (SB)



Die rechts von den etablierten Parteien positionierte AfD, die inzwischen in der Hamburger Bürgerschaft vertreten ist, setzt sich mit ihrer Hetze gegen linke Gruppierungen Schritt für Schritt durch. Das gelingt ihr nur, weil Korrespondenzen des politischen Establishments mit ihren staatsautoritären Ansichten bestehen.

Im November vergangenen Jahres hat die Fraktion der AfD einen Online-Pranger eingerichtet, auf der "Verdachtsfälle" auf Verstöße gegen das Neutralitätsgebot an Schulen gemeldet, das heißt vor allen Dingen, Lehrerinnen und Lehrer denunziert werden können. Aufgrund einer solchen Anzeige hat die AfD eine Senatsanfrage gestartet, woraufhin nun die Hamburger Schulbehörde im Oberstufenhaus der Ida Ehre Schule in Hoheluft-Ost Sticker und Wandschriften unter anderem der Antifa Altona Ost entfernen ließ, deren Botschaften an Deutlichkeit nichts missen ließen: "Echte Alternativen statt AfD", "Hambi bleibt", "FCK AFD", "Rechtem Spuk entgegentreten", "Kohleausstieg statt Kohlekommission - Ende Gelände", "Rassistische Hetze stoppen!", "Think Global, Block Local" und einiges mehr.

Diese politischen Entäußerungen auf einer Stellwand waren nach Angaben der Schulleitung als Kunstobjekt im Rahmen des Projekts "Sich Einmischen - Kunst als kulturelle Kompetenz" angefertigt worden. Die von AfD und ihren medialen Lautsprechern wie BILD bezichtigte Antifa Altona Ost, die dort selbst ebenfalls aufklebermäßig vertreten war, wird vom Verfassungsschutz der Hansestadt beobachtet und nimmt auch an den freitäglichen Schulstreiks für Klimaschutz teil. Eine Gewaltbereitschaft, so das Landesamt für Verfassungsschutz, sei der Organisation hingegen nicht nachzuweisen.

Ganz im Sinne ihrer rechten ideologischen Tradition und des Denunziantentums sieht die AfD jene Sticker anscheinend als Beweis "einer linksextremistischen Propaganda" an. Es wird gar ein linksextremistisches Netzwerk an der Ida Ehre Schule phantasiert. So ist es der Partei gelungen, den sozialdemokratischen Schulsenator Ties Rabe in Bewegung zu setzen. Der hatte zwar den im vergangenen Jahr eingerichteten Online-Pranger noch heftig kritisiert, aber man kommt um den Eindruck nicht herum, daß der Empörungslärm von der einen oder anderen Krokodilsträne begleitet wird. So war es Rabe, dem zu den freitäglichen Schulstreiks für Klimaschutz nichts Besseres einfiel, als an die Schulpflicht zu erinnern und zu mahnen, daß der Streik als unentschuldigter Fehltag gewertet wird. Erst nachdem ihm diese erzbürokratische Haltung reichlich Spott einbrachte, machte er auf versöhnlich und zwitscherte, er fände es gut, wenn sich junge Menschen für eine bessere Welt engagierten (aber bitte auf Dauer nicht während der Schulzeit ...).

Am Mittwoch äußerte sich auch Antifa Altona Ost auf Facebook unter anderem zu der Medienberichterstattung über die Sticker und stellte bei der Gelegenheit einige grundsätzliche Positionen klar: "Gerade an Schulen, wo Kinder und Jugendliche beginnen, sich über Politik Gedanken zu machen, ist ein offener und reger Meinungsaustausch ohne Angst vor Denunziation wichtig", heißt es dort. Jenes AfD-Portal gefährde die Meinungsfreiheit, und das habe man von Anfang an kundgetan. Wohl auch deshalb sieht sich die Initiative zurecht als von der AfD attackiert.

Antifaschismus sollte gerade in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein. Für sie sei es völlig unverständlich, wie man "den Kampf gegen ein totalitäres und menschenfeindliches Weltbild kriminalisieren und in einen Generalverdacht der Gewaltbereitschaft stellen kann". Die nicht nur in dieser Hinsicht recht AfD-nahe Bild-Zeitung hatte gar "Linke Gewaltpropaganda an Hamburger Schule" getitelt.

Der Hamburger SPD-Senat hat sich hier zum Erfüllungsgehilfen der AfD gemacht, indem er sich auf das Gebot der politischen Neutralität an Schulen beruft. Selbstverständlich schmeckt es dem Senat nicht, auf die Opposition reagieren zu müssen. Doch auf welche Weise er das tut, hat er durchaus in der Hand. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, als qua administrativer Verfügungsgewalt eine radikale Beseitigung des umstrittenen Kunstobjekts in der Schule zu verlangen. Schließlich zählt der Schutz der Kunst zu den Grundrechten der Bundesrepublik Deutschland (GG, Artikel 5 Absatz 3). Hätte die Schulbehörde nicht, sich darauf berufend, die AfD-Anfrage ins Leere laufen lassen können?

Dazu fehlte offensichtlich der politische Wille. Der Senat versucht den Eindruck zu erwecken, als habe er in dieser Frage nicht den geringsten Spielraum und könne gar nicht anders handeln. Eine solche Ohnmacht wird von den herrschenden Kräften üblicherweise immer dann in Anspruch genommen, wenn eine vermeintlich unliebsame Entscheidung in Wirklichkeit der eigenen politischen Linie entspricht. Das rückt den SPD-geführten Senat in dieser Frage näher an die AfD-Position eines starken Staats.

Es heißt, die AfD habe das politische Parteienspektrum in der Bundesrepublik nach rechts gerückt. Diese Feststellung klingt so, als existiere da irgendeine mysteriöse Kraft, der sich die übrigen Parteien nicht entziehen könnten und die sie dazu genötigt habe, sich nach rechts zu bewegen. Ohne die Bereitschaft, sich bewegen zu lassen, wäre das allerdings nicht geschehen, bzw. ohne eine entsprechende Standpunktlosigkeit. Was ihrerseits als Standpunkt auszumachen ist. Der vom politischen Establishment propagierte starke Staat erfüllt das Attribut der Stärke vorzugsweise dann, wenn er sich als stark gegen links aufstellen kann, wohingegen er sich nach rechts bereitwillig "Schwächen" leistet.

Wenn die rechte Alternative bereits von der Oppositionsbank her solch eine politische Zensurgewalt entfaltet wie hier bei der Hamburger Stickerbeseitigung, muß man davon ausgehen, daß sie im Falle einer Regierungsbeteiligung oder -übernahme politische Meinungsverbote in einem Ausmaß erließe, wie es die Bundesrepublik Deutschland noch nicht erlebt hat - trotz der harschen Repressionen durch Radikalenerlaß und Berufsverbote. Die rechten Kräfte sind sicherlich nicht in die Schranken zu weisen, indem man ihren Vorstößen liebedienerisch Folge leistet und sich ihren Standpunkt zu eigen macht.

22. März 2019


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