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LAIRE/1373: USA Grönland - Stoßrichtung Osten ... (SB)



Im geopolitischen Dauerringen um Einflußsphären hatte Grönland vor einigen Monaten die Begehrlichkeiten des US-Präsidenten Donald Trump geweckt. Er wollte die Insel kaufen, ein Ansinnen, das umgehend von Grönlands Premierminister Kim Kielsen und der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zurückgewiesen wurde. Nun wollen wir Trump, der stets um seinen schlechten Ruf bemüht scheint, nicht unterstellen, er verfüge über rudimentäre historische Kenntnisse, doch so "absurd", wie Frederiksen sagte, waren seine Kaufabsichten nicht. Die Vereinigten Staaten haben einen erheblichen Teil ihres Territoriums zusammengekauft. Wobei nicht jener Teil gemeint ist, der den Native Americans mit vorgehaltener Waffe "abgekauft" wurde, sondern beispielsweise Alaska, Louisiana und, ja auch die einst teilweise von Dänemark beanspruchten Virgin Islands. Sie wechselten 1917 für 25 Millionen Dollar (nach heutigen Wert rund eine halbe Milliarde Dollar) den Besitzer. Und es war US-Präsident Harry Truman, der ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs Dänemark die größte Insel der Welt für 100 Mio. Dollar abkaufen wollte.

Grönland steht nicht zum Verkauf, jedoch wird es seit 1951 als dänisch-amerikanisches Verteidigungsgebiet bezeichnet und der NATO unterstellt. Somit üben die USA bereits eine erhebliche militärische Kontrolle über die Insel aus, auch wenn in dieser Frage Dänemark das Sagen hat. Das steht aber gar nicht im Widerspruch zueinander, weiß doch Dänemark, daß es im Ernstfall nicht über die Kapazitäten verfügt, um ein so großes Territorium gegen ernsthafte Invasionsversuche zu verteidigen. Mit über 2,1 Millionen Quadratkilometern Fläche ist Grönland rund 50mal so groß wie das dänische Kernland. Außerdem weist Dänemark in manchen außenpolitischen Fragen eine größere Nähe zu den USA auf als beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland.

Die USA unterhalten auf Grönland unter anderem den Luftwaffenstützpunkt Thule. Andere militärische Installationen dienen vor allem der Überwachung des Luftraums, um beispielsweise mit Atomwaffen bestückte Trägersysteme frühzeitig zu erkennen und auszuschalten. Auf den Gebieten Wissenschaft mit der für die gesamte Erde wichtigen Eis- und Klimaforschung, Kultur und nicht zuletzt Wirtschaft sind die USA ebenfalls auf Grönland sehr präsent.

Grönland und Dänemark haben zugestimmt, daß die Vereinigten Staaten ein Konsulat auf der Insel einrichten, wie schon einmal zwischen 1940 und 1953. Im Sommer dieses Jahres soll es in der Hauptstadt Nuuk eröffnet werden, sofern es die Reisebeschränkungen aufgrund der Coronaviruspandemie zulassen. Mehr als ein Dutzend andere Länder unterhalten bereits Konsulate auf Grönland, unter anderem Deutschland, Kanada und Südkorea.

Nach dem vergeblichen Versuch Trumps, Grönland wie eine Liegenschaft einzuheimsen, hat die US-Regierung der Insel Entwicklungshilfe, die aber nicht so genannt wird, in Höhe von zwölf Millionen Dollar zugesagt. Was für die USA nicht einmal einmal Handvoll Peanuts sind, wäre für Grönland mit einer Bevölkerungszahl von rund 55.000 zumindest so etwas wie eine volle Mahlzeit. Da sagt man nicht nein. Die Regierungen Dänemarks und Grönlands haben der Schenkung zugestimmt.

Die Frage, ob das Geld für die USA eine Art Türöffner darstellt, kann mit einem klaren Nein und einem ebenso klaren Ja beantwortet werden. Nein, weil die USA keinen Türöffner benötigen, denn die Tür steht ihnen offen und sie sind längst schon seit Jahrzehnten im Haus. Und Ja, weil das aus der Sicht der USA so bleiben soll und andere "Gäste" gefälligst vor der Tür bleiben sollen.

Die finanzielle Zuwendung und die konsularische Aufwertung des selbstverwalteten Grönlands richten sich in erster Linie gegen Rußland und China. Beide Staaten entfalten seit geraumer Zeit Aktivitäten in der arktischen Region, zu der auch Grönland gehört. Rußland, weil es eine sehr lange Grenze im Hohen Norden hat und von dort her extrem angreifbar ist. Im Verlauf der globalen Erwärmung wird die Nordostpassage über zunehmend längere Jahreszeiten ohne Eisbrecher befahrbar werden, also auch für Kriegsschiffe der NATO-Staaten. Das sicherheitspolitisch nachvollziehbare Anliegen Rußlands, doch bitte vor Antritt einer Reise durch die Passage gefragt zu werden, wurde von den USA prompt zurückgewiesen.

China wiederum genießt seit 2013 Beobachterstatus im Arktischen Rat und bezeichnet sich selbst als "Arktis naher Staat". Das ist nicht so hergeholt, wie es den Anschein hat, denn die Veränderungen in den arktischen Natursystemen berühren Chinas wirtschaftliche Interessen unmittelbar, sei es die heimische Land- und Forstwirtschaft, die veränderten Klimabedingungen angepaßt werden müssen, sei es die Verkürzung der Handelsrouten durch eine eisfreie Nordwest- oder Nordostpassage, die zu einer Neuausrichtung der Logistikketten und anderen Maßnahmen führt. Auch Deutschland genießt Beobachterstatus im Arktischen Rat, und sein Motiv, sich dort zu engagieren, dürfte kaum anders gegründet sein als bei China.

Mit seiner polaren Seidenstraße will China nicht nur an der Erschließung der Arktis als Handels- und Wirtschaftsraum teilhaben, sondern es will der Entwicklung vorangehen. Das hat sich das Reich der Mitte bereits einige Milliarden Dollar kosten lassen. Schon seit einigen Jahren tobt ein Handelskrieg gegen die USA, Dänemark und deren Verbündeten um Einfluß. Grönland wiederum versucht, nicht zum bloßen Spielball geopolitischer Interessen zu verkommen, was bedeutet, China nicht so brüsk die Tür zu weisen, wie es die USA und Dänemark tun. Schließlich ist es ein potenter Geldgeber, der umfangreiche Investitionen in anderen Ländern vorgenommen und dabei erhebliche Erfolge vorzuweisen hat.

Ein entscheidender Faktor für die vielen geopolitischen Manöver, die in der Arktis angelaufen sind und in den letzten Jahren deutlich an Geschwindigkeit und Gewicht zugelegt haben, kommt der globalen Erwärmung insbesondere des Hohen Nordens zu. Wobei der Klimawandel auf Grönland nicht so negativ bewertet wird wie in anderen Weltregionen. Im Gegenteil, viele Menschen freuen sich darüber, daß Landmasse, die zuvor vergletschert war, leichter zugänglich wird. Und von der Fischerei, der Erdöl- und Erdgasförderung und dem Abbau mineralischer Ressourcen sowie dem Tourismus erhofft sich das Land so hohe Einnahmen, daß es sich von Dänemark unabhängig machen könnte. Bisher bestreitet das Königreich mit jährlichen Zuwendungen in Höhe von über 500 Millionen Dollar rund ein Drittel des grönländischen Haushalts. An diesem hohen Anteil sind alle Bestrebungen, einen in allen Belangen souveränen Staat zu bilden, gescheitert.

Der hohe dänische Haushaltsbeitrag relativiert auch die zwölf Millionen Dollar Entwicklungshilfe seitens der USA. Doch wie schon erwähnt, vermag so ein Bakschisch die Wohlgesonnenheit der Einheimischen zu fördern. Auch daraus können Gewohnheiten und schließlich Strukturen erwachsen, durch die Grönland vielleicht kein US-amerikanisches Territorium oder Außengebiet wie Puerto Rico wird, sich aber faktisch noch enger an die USA bindet.

Insofern hat jene Summe weniger die Funktion für etwas als gegen etwas, nämlich China. Die Zuwendung ist vielleicht gering verglichen mit der Höhe der gelegentlichen Investitionsvorschlägen Chinas auf Grönland - Bau mehrerer Flughäfen oder auch Bau eines Überseehafens im südgrönländischen Narsaq -, aber Symbolpolitik ist eben nicht nur symbolisch, sondern auch politisch, in diesem Fall geopolitisch.

4. Mai 2020


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