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DILJA/1095: Krieg um Gaza - UN-Resolution könnte NATO-Soldaten den Weg ebnen (SB)


Weltsicherheitsrat verabschiedet Resolution zum Krieg im Gazastreifen

Wo eine Waffenruhe gefordert wird, könnten insgeheim Vorbereitungen getroffen werden, um westliche Soldaten im Nahen Osten einzusetzen


In der Nacht zum Freitag wurde vom Weltsicherheitsrat in New York nach dreitägigen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen eine Resolution zum Krieg im Gazastreifen verabschiedet, in der Israel und die Hamas zu einer sofortigen Waffenruhe aufgefordert werden. Tatsächlich jedoch könnte es sich bei UN-Resolution 1860 um ein geschickt eingefädeltes Täuschungsmanöver handeln, das nicht nur jeglicher Hoffnung der unter ständiger Lebensgefahr lebenden Millionenbevölkerung des Gazastreifens Hohn spricht, sondern befürchten läßt, daß insgeheim bereits an der Implementierung westlicher Truppen im Nahen Osten gearbeitet wird. Diese Resolution kam zustande durch die Zustimmung von 14 der insgesamt 15 Weltsicherheitsratsmitglieder sowie die Enthaltung der USA. Aus der Tatsache, daß Washington die Resolution passieren ließ und, wie US-Außenministerin Condoleezza Rice betonte, voll und ganz hinter ihr steht, läßt sich ableiten, daß sie den Positionen und Absichten Israels zuträglich ist.

Der Wortlaut der Resolution läßt vermuten, daß diese Erklärung des Weltsicherheitsrates zunächst einmal darauf abzielt, die in der arabischen Welt wie auch weltweit anwachsende Empörung über die vom Westen stillschweigend akzeptierte Kriegführung Israels durch letzten Endes unverbindliche Aussagen abzuschwächen. So wird in ihr ein "unverzüglicher, dauerhafter und vollständig eingehaltener Waffenstillstand" gefordert, der "zum völligen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus Gaza führt". Dies bedeutet im Klartext, daß der Weltsicherheitsrat Israel keineswegs zu einem sofortigen Rückzug aus dem Gazastreifen auffordert; ebensowenig wird Israel zu einer bedingungslosen und sofortigen Waffenruhe gemahnt. Daß mit der Verabschiedung dieser Resolution aus palästinensischer Sicht nicht der geringste Zugewinn erwirtschaftet wurde, ist der unmittelbaren Reaktion der israelischen UN-Botschafterin Gabriela Schalev zu entnehmen, die nicht die geringste Bereitschaft erkennen ließ, Abstriche an den israelischen Maximalforderungen vorzunehmen.

"Die internationale Gemeinschaft muß ihre Aufmerksamkeit auf das Ende der terroristischen Aktivitäten der Hamas konzentrieren und deutlich machen, daß eine Terrororganisation niemals eine legitime Führung sein kann", so Schalev in New York. Ihren Worten ist zu entnehmen, daß die israelische Regierung die in der Resolution geforderte Waffenruhe unmittelbar gar nicht auf sich bezieht, sondern nach wie vor die Einstellung der Militäroperation an die Erreichung ihrer Kriegsziele knüpft. Wie ein Mantra wiederholte sie die sattsam bekannten Positionen Tel Avivs und erklärte, das Ende der Raketenangriffe sowie des Waffenschmuggels seien die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden, die Verantwortung liege allein bei der Hamas und Israel habe keine andere Wahl, als sich zu verteidigen.

Wie in New York verlautbarte, soll es ungeachtet der Resolution den Konfliktparteien überlassen bleiben, ihre militärischen Aktivitäten einzustellen. Diese Erklärung deutet auf die eigentlich mit der Verabschiedung dieser Resolution verfolgten Ziele hin. Die militärischen Aktivitäten der Hamas- und anderer, von Bewohnern des Gazastreifens gebildeter Milizen bestehen in der Verteidigung der eigenen Bevölkerung gegen eine hochgerüstete Armee, die mit F-16-Kampfbombern und Hubschraubern, Panzern und gutausgerüsteten Infanteriesoldaten Krieg gegen überwiegend völlig wehrlose und geschwächte Menschen führt. Dieser Krieg verletzt zahllose internationale Bestimmungen und böte theoretisch auch dem Weltsicherheitsrat jede Handhabe, um Anstrengungen zu unternehmen, Israel zu einer sofortigen Einstellung der Kriegshandlungen zu zwingen. Nichts läge jedoch den Absichten der dieses Gremium dominierenden Staaten ferner, und so stellt diese Resolution eine mit einer Legende vermeintlicher Unparteilichkeit kaschierte Unterstützung für Israel dar.

Angesichts allgemein gehaltener Erklärungen gegen Gewalt und für eine Verbesserung der katastrophalen humanitären Lage sowie eine Versöhnung der palästinensischen Gruppierungen besteht die eigentliche Botschaft aus New York an die Palästinenser und die arabische Welt ausschließlich darin, einmal mehr zu bestätigen, daß Israel sich der fortgesetzten Rückendeckung der westlichen Welt sicher sein kann. Darüberhinaus könnte die Verabschiedung dieser Resolution jedoch auch geeignet sein, der Stationierung internationaler "Friedenstruppen" den Weg zu ebnen. Der Vorschlag des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, im Kriegsgebiet ein "internationales Überwachungssystem" zu installieren, wurde namentlich von bundesdeutschen Politikern bereits aufgegriffen. So trat Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des deutschen Bundestags, mit der in Berlin bereits 2002 aufgeworfenen Idee, auch Bundeswehrsoldaten im Nahen Osten zum Einsatz zu bringen, erneut an die Öffentlichkeit. Unter bestimmten Umständen, so verlangte Polenz, sollte auch Deutschland Truppen für eine internationale Gaza-Truppe zur Verfügung stellen.

Ein solcher Militäreinsatz würde mit der Behauptung begründet und gerechtfertigt werden, daß mit ihm ein möglicher Waffenstillstand überwacht sowie "Waffenschmuggel" unterbunden werden solle. Die neutrale Position, die Deutschland wie auch die übrigen EU-Staaten in diesem Konflikt einzunehmen vorgeben, obwohl sie sich durch die nahtlose Übernahme der israelischen Position, die palästinensische Hamas wäre für den Krieg alleinverantwortlich, längst als engster Verbündeter Tel Avivs zu erkennen gegeben haben, würde in einem solchen Falle der Implementierung westlicher Truppen Vorschub leisten. Selbstverständlich würden solche "Friedenstruppen" nicht offen zur Unterstützung Israels in Marsch gesetzt werden, sondern mit der Behauptung antreten, beide Seiten gleichermaßen um der Durchsetzung eines Waffenstillstands willen in die Schranken verweisen zu wollen.

Da die in der Nacht zum Freitag verabschiedete UN-Resolution eine völkerrechtlich bindende Erklärung des Weltsicherheitsrates ist, wäre eine weitere Eskalation dergestalt vorstellbar, daß angesichts der Mißachtung der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand durch die israelische Armee wie auch die palästinensischen Milizen im Weltsicherheitsrat eine weitere Resolution verabschiedet werden könnte, in der nach Kapitel VII der UN-Charta die Anwendung militärischer Gewalt autorisiert werden würde. Wären dann erst einmal NATO-Truppen, mit Mandat der UN oder auch ohne, im Kriegsgebiet, gäbe es keine ihnen übergeordnete Instanz, die überwachen und kontrollieren könnte, was diese Soldaten tatsächlich tun. Und da die führenden westlichen Staaten ungeachtet aller Verbalerklärungen nicht die geringste Absicht erkennen lassen, gegen die Kriegführung Israels vorzugehen, wären sie auch in dem Falle, daß ihnen die Entsendung eigener Truppen gelänge, nicht neutraler Vermittler, sondern hochaktive Partei in einem Krieg, der das Potential in sich trägt, zur Etablierung einer unanfechtbaren westlichen Vorherrschaft in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens einen Flächenbrand zu entzünden.

10. Januar 2009