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DILJA/1101: Krisenfall Gaza - Obama kündigt aggressive Schritte der USA an (SB)


Der neue US-Präsident Barack Obama nimmt Stellung zum Gazakrieg

Deuten die von ihm angekündigten "aktiven und aggressiven Schritte" auf eine militärische Intervention der USA hin?


Rechtzeitig zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Barack Obama hat die israelische Armee ihren Krieg im Gazastreifen am vergangenen Samstag zwar nicht beendet, so doch in einem Status relativer Waffenruhe eingefroren. Anläßlich des Personalwechsels im obersten Amt der US-Administration zogen die israelischen Streitkräfte ihre Panzer und Bodentruppen zwar aus dem Gazastreifen zurück, stationierten sie jedoch in unmißverständlicher Drohgebärde im Grenzgebiet, um jederzeit wieder einmarschieren zu können. Die israelische Außenministerin Zipi Livni sprach am vergangenen Donnerstag bereits wieder offen über weitere Angriffe auf die im Gazastreifen lebenden Palästinenser und führte zur Begründung an, daß weitere Tunnel im Grenzgebiet zu Ägypten zerstört werden sollten. International moderierte Verhandlungen, die in dieser Situation geführt werden würden, stünden somit ganz unter dem Eindruck einer kaum unverhohlenen Drohung Israels, das militärische Vernichtungswerk der Lebensgrundlagen der palästinensischen Bevölkerung fortzusetzen, sollten die israelischen Forderungen nicht zur vollen Zufriedenheit Tel Avivs erfüllt werden.

In diesem Klima latenter Kriegsdrohungen, gepaart mit den extremen Überlebensnöten der eineinhalb Millionen im Gazastreifen lebenden, durch den Krieg sowie die fortgesetzte Abriegelungspolitik Israels drangalisierten Palästinenser, äußerte sich der frisch gekürte neue US-Präsident Barack Obama erstmals zur aktuellen Lage im Nahen Osten. Wohlweislich hatte er sich in den zurückliegenden Wochen mit dem Argument, es gäbe nur einen US-Präsidenten, davor gedrückt, gegenüber der Öffentlichkeit zu dem am 27. Dezember vergangenen Jahres begonnenen Krieg des US-Verbündeten Israel Stellung zu nehmen. Seine Berater mögen ihn dazu veranlaßt haben, wohlwissend, daß jede noch so verhaltene Kritik an Israel die in Washington höchst einflußreiche pro-israelische Lobby gegen Obama aufbringen, während zugleich jedes offene Wort der Unterstützung der Kriegführung Israels die internationale verankerte Hoffnungslegende, mit dem ersten schwarzen US-Präsidenten könnte ein Wandel in der international in die Kritik geratenen US-Außen- und Sicherheitspolitik eingeleitet werden, beschädigen würde.

Nach mehreren Kriegswochen und über 1.300 Kriegstoten auf palästinensischer Seite wurde Obama, wie zum Beispiel am vergangenen Dienstag vor der US-Botschaft im indonesischen Jakarta mit den Worten "Das ist Ihre Chance, geben Sie Palästina die Freiheit", direkt adressiert und aufgefordert, sich für eine Beendigung des Krieges und eine Aufhebung der Blockade einzusetzen. In seiner ersten Stellungnahme zum Gazakrieg, die er an seinem zweiten Amtstag im Zuge seiner Ausführungen zur US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik bei seinem Antrittsbesuch im US-Außenministerium machte, ließ er jede Kritik an der israelischen Kriegführung vermissen. Und so schloß sich Obama nicht den Äußerungen des britischen Premierministers Gordon Brown an, der am vergangenen Sonntag erklärt hatte: "Wir können jetzt erst den vollen Umfang des entsetzlichen Leidens aufdecken. Aber klar ist bereits, daß zu viele unschuldige Zivilisten, darunter Hunderte Kinder, getötet wurden." [1]

Auch die Forderung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der am vergangenen Dienstag verlangt hatte, daß die Verantwortlichen für die israelischen Angriffe auf das UN-Hauptquartier in Gaza-Stadt juristisch zur Verantwortung gezogen werden müßten - die über 4100 zerstörten Wohnhäuser sowie die 400.000 Palästinenser, die im Gazastreifen nach Angaben des UN-Nothilfekoordinators John Holmes über kein Trinkwasser verfügen, erwähnte der UN-Generalsekretär in diesem Zusammenhang nicht - macht der neue US-Präsident sich nicht zu eigen. Stattdessen nahm er, wie nicht anders zu erwarten, einen uneingeschränkt pro-israelischen Standpunkt ein. "Wir werden stets Israels Recht auf Selbstverteidigung unterstützen" [2], so Obama. Desweiteren erhob der neue US-Präsident ungeachtet der Tatsache, daß die palästinensische Hamas seit dem Waffenstillstand den Raketenbeschuß auf israelisches Gebiet eingestellt hat, an die "radikalislamische Hamas" die Forderung, mit dem "Terror des Raketenbeschusses" aufzuhören.

Da die palästinensischen Milizen des Gazastreifens eine Forderung, die bereits erfüllt worden ist und dennoch aufrechterhalten wird, beim besten Willen zur politischen Beilegung des Konfliktes nicht erfüllen können, gibt diese Äußerung Obamas zu großer Besorgnis Anlaß. Um das Ziel einer umfassenden Friedenslösung im Nahen Osten zu erreichen, kündigte Obama "aktive und aggressive Schritte" seiner Regierung an. Da diese Formulierung als eine kaum verhohlene Androhung weiterer, unter Umständen sogar direkt durch westliche Streitkräfte durchgeführte Gewaltmaßnahmen gegen die im Gazastreifen lebenden Palästinenser aufgefaßt werden könnten, sahen sich westliche Medien veranlaßt, "actively and aggressively" weitaus freier zu übersetzen, und insbesondere das Wort "aggressiv" wegzulassen bzw. durch "nachdrücklich" zu ersetzen. Der israelischen Tageszeitung Haaretz [3] zufolge hat Obama tatsächlich folgendes gesagt:

[It] "will be the policy of my administration to actively and aggressively seek a lasting peace between Israel and the Palestinians as well as Israel and its Arab neighbors."

Ein echter Frieden, der die Interessen der Palästinenser nicht minder berücksichtigen würde wie die der Israels, bedürfte zu seiner Durchsetzung wohl kaum "aktiver und aggressiver" Schritte seitens der neuen US-Regierung, und so steht zu befürchten, daß das gar nicht so neue Washington sich des Krisenherdes Nahost mit einer Brachiallösung, genannt "dauerhafter Frieden", entledigen möchte, um sich dann mit aller Kraft den Kriegen und Konflikten zuwenden zu können, denen Obama schon in seiner Antrittsrede vor dem US-Außenministerium höchste Priorität eingeräumt hat. Afghanistan und Pakistan, so Obama, bildeten die "zentrale Front" im Kampf gegen den Terrorismus. Da der neue Präsident zudem erklärte, die "Situation ist gefährlich", steht desweiteren zu befürchten, daß die USA nicht nur einen Brachial-"Frieden" im Nahen Osten herstellen, sondern ihre Kriegführung in Zentralasien noch ausweiten wollen.

[1] Zitiert nach: Ruhe auf Trümmern, von Karin Leukefeld, junge Welt, 20.01.2009, S. 1

[2] Zitiert nach: "Aktiv und aggressiv", Obamas Nahostpolitik, n-tv, 23. Januar 2009, http://www.n-tv.de/1090552.html

[3] Zitiert nach: "Obama: We will aggressively seek lasting Middle East peace", by Haaretz Correspondents and news agencies, by Barak Ravid and Natasha Mozgovaya, 23.01.2009, Haaretz, http://www.haaretz.com/hasen/spages/1057966.html

26. Januar 2009