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DILJA/1189: Eskalationsstrategie in Amerika - US-Statthalter Kolumbien als Brandherd (SB)


Neue US-Militärstützpunkte in Kolumbien in Vorbereitung eines Krieges?

Mit dem Militärputsch in Honduras wurde eine Lunte gelegt, die in einen Flächenbrand in ganz Amerika übergeführt zu werden droht


Am 28. Juni 2009 putschte bekanntlich das honduranische Militär gegen den gewählten Präsidenten Manuel Zelaya. In den Staatsstreich, der bis heute weder durch die nationale Widerstandsfront in Honduras selbst noch durch die umfassende politische und wirtschaftliche Blockade des Landes durch die übrigen Staaten Zentral- und Südamerikas beendet werden konnte, waren auch die politische Rechte, der Oberste Gerichtshof, führende Unternehmen sowie die katholische Kirche involviert. Vom ersten Tag des Putsches an lag auf der Hand, daß dieser Gewaltakt nicht nur der von der Regierung Zelaya unterstützten Initiative zur Einleitung eines fundamentalen sozialen Reform- und gesellschaftlichen Umgestaltungsprozesses gegolten hat, sondern direkt, wie von Anhängern des Micheletti-Regimes auch offen ausgesprochen, auf die Linksentwicklung in der gesamten Region abzielte, für die eine längst internationalisierte Rechte den venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez wie einen roten Ur-Dämon verantwortlich zu machen sucht.

Im nächsten Schritt einer Eskalationsstrategie, die zu vermuten angesichts der jüngsten Ereignisse in der gesamten Region durchaus angezeigt ist, steht die Entscheidung des kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe, den USA die Errichtung mehrerer Militärstützpunkte zu genehmigen. Daraufhin kam es in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá am 28. Juli zu Demonstrationen, zu denen soziale und politische Organisationen aufgerufen hatten. Streitpunkt ist ein zwischen Kolumbien und den USA vereinbartes Abkommen, das im September in Kraft treten wird und für Washington den Verlust ihres Stützpunktes im ecuadorianischen Manta, dessen Vertrag Ecuadors Präsident Rafael Correa nicht mehr zu verlängern bereit war, geradezu überkompensiert. In Kolumbien sollen den USA drei, anderen Quellen zufolge fünf und nach Aussage des kolumbianischen Verteidigungsministers vom 8. August sogar sieben Stützpunkte zur Verfügung gestellt werden.

Damit wurde das Tauwetter in den Beziehungen zwischen den USA und Venezuela, in dessen Grenzgebiet zu Kolumbien gleich mehrere US-Stützpunkte entstehen sollen, ad absurdum geführt. Ende Juni hatten beide Regierungen beschlossen, ihre unter dem vorherigen US-Präsidenten Bush erheblich strapazierten bilateralen Beziehungen zu normalisieren. Einen Monat später kritisierte Venezuelas Präsident Chavéz die geplante Errichtung mehrerer US-Stützpunkte in dem Nachbarland aufs Schärfste und erklärte, daß die kolumbianische Regierung damit für diejenigen, die "ständig neue Aggressionen gegen Venezuela vorbereiteten", die Tür öffne - womit, wie unschwer zu erraten ist, die USA gemeint sind. Caracas fror die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien ein und rief seinen Botschafter zurück.

In Venezuela, aber auch in Ecuador sind die Vorfälle vom 1. März vergangenen Jahres, als die kolumbianische Luftwaffe völkerrechtswidrig Stellungen auf ecuadorianischem Territorium angriff unter dem Vorwand, ein Lager der kolumbianischen Guerilla FARC vernichten zu wollen, noch in bleibender Erinnerung. Dabei wurden 26 Menschen, unter ihnen neben FARC-Angehörigen auch fünf mexikanische Studenten sowie ein ecuadorianischer Staatsbürger, getötet. Die Region stand am Rande eines Krieges. Venezuela versetzte seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft und vermochte im Zusammenschluß mit anderen amerikanischen Staaten gleichwohl deeskalierend auf die kolumbianische Staatsführung einzuwirken, bis Präsident Uribe einlenkte und versprach, nie wieder ein Land der Region anzugreifen. Der damalige Verteidigungsminister Juan Manuel Santos, ein Cousin des heutigen Vizepräsidenten Kolumbiens, Francisco Santos, mußte gehen.

Vizepräsident Santos ist längst wieder dabei, die Spannungen in der Region und namentlich zum Nachbarland Venezuela, nach Kräften anzuheizen. So erklärte er in Hinsicht auf angebliche Waffenfunde, die das kolumbianische Militär im Herbst vergangenen Jahres bei der FARC sichergestellt haben will: "Bereits bei verschiedenen Operationen konnten wir Waffenarsenale der FARC sicherstellen, wir haben mächtige Munition, mächtige Ausrüstung gefunden, darunter Panzerabwehrwaffen, die ein europäisches Land an Venezuela verkauft hatte und die in Händen der FARC aufgetaucht sind". Venezuelas Präsident Chávez wies diese Anschuldigung sofort zurück. Die Caracas angeblich als "Terrorunterstützer" belastenden Waffen, Raketenwerfer vom Typ AT-4, waren vor 20 (!) Jahren von einer schwedischen Firma an Venezuela verkauft worden. Einen Beweis oder auch nur Beleg dafür, daß die heutige Regierung in Caracas diese oder andere Waffen der FARC zur Verfügung gestellt hat, konnte die kolumbianische Regierung nicht erbringen. Hinzu kommt, daß das kolumbianische Militär bei der FARC Waffen aus insgesamt 27 verschiedenen Ländern sichergestellt haben will, ohne daß dies zu vergleichbaren Anwürfen oder diplomatischen Spannungen geführt hätte. An seine eigenen Verbündeten, namentlich die USA, aber auch an europäische Länder, schickte Kolumbien Auskunftsersuchen zu der Herkunft der zum Teil umfangreichen Waffenfunde, ohne dies auch nur im Ansatz mit einer Beschuldigung gegen die jeweiligen Regierungen zu verknüpfen.

Der venezolanische Präsident Chávez brachte die Absurdität dieser zudem durch keine "harten Fakten" untermauerten Anschuldigungen anschaulich auf den Punkt. Unter Bezugnahme auf neun kolumbianische Drogenhändler, die vor kurzem in Venezuela verhaftet worden waren, erklärte er, wie dem Bulletin der Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela in der Bundesrepublik Deutschland vom 5. August 2009 zu entnehmen ist:

Man stelle sich vor, dass in Venezuela einem dieser neun Bosse eine Pistole gegeben wird, auf der dann 'A. Uribe' steht. Und dann trete ich, der Präsident von Venezuela, auf um ohne jede vorherige Untersuchung zu sagen, dass Präsident Uribe Waffen an die Drogenbosse verteilt. Das ist unverantwortlich, und besonders für einen Präsidenten unverantwortlich!

Für den Präsidenten Kolumbiens allerdings scheinen sich Manöver dieser Art mit seinem Verantwortungsbewußtsein vereinbaren zu lassen. Kritik an der Entscheidung der Regierung Uribe, den USA bis zu sieben Militärstützpunkte zu gewähren, kam jedoch nicht nur aus den Nachbarländern, sondern auch aus Kolumbien selbst. So erklärte die Kommunistische Partei Kolumbiens (PCC, Partido Comunista Colombiano): "Diese Entscheidung ist gegen die Bemühungen um Frieden gerichtet, sie verschärft den internen Konflikt und erzeugt externe Konflikte" [1]. Nicht minder kritisch äußerte sich der kolumbianische Gewerkschaftsverband (CUT, Central Unitaria de Trabajadores de Colombia), der in seiner Stellungnahme auf die Verfassungswidrigkeit dieses Beschlusses hinwies [1]:

Die Verfassung verbietet die Unterbringung ausländischer Truppen im Land. Was sie erlaubt ist die Durchquerung des Staatsgebiets, und zwar nach einem entsprechenden Kongressbeschluss und unter Zustimmung des Staatsrats.

Dessenungeachtet sollen und werden aller Voraussicht und Beschlußfassung nach bis zu 1400 US-Soldaten in Kolumbien stationiert werden. Zur offiziellen Rechtfertigung führte die Regierung Uribe an, die US-Truppenstationierung diene der Bekämpfung des Drogenhandels sowie des Terrorismus. Der kolumbianische Gewerkschaftsverbund hingegen vertritt die Auffassung, daß die US-Stützpunkte für Angriffe und Bombardierungen genutzt werden, die von Kolumbien aus gegen die übrigen Staaten des amerikanischen Kontinents sowie der Karibik geführt werden würden. In Verbindung mit dem jüngsten Militärputsch in Honduras, dem angestammten Statthalter der USA in Zentralamerika, gewinnt diese Einschätzung umso mehr an Plausibilität und läßt befürchten, daß sowohl die Vorgänge in Honduras als auch die militärische Aufrüstung des US-Statthalters Kolumbien Bestandteile einer Eslakationsstrategie sind, an deren Ende ein Krieg im Interesse Washingtons stehen könnte.

[1] Zitiert aus: Poonal Nr. 857, Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 3. August bis 9. August 2009, Kolumbien - Soziale Bewegungen gegen US-Militärbasen in Kolumbien, adital-púlsar

11. August 2009