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DILJA/1203: Honduras - Nationale Widerstandsfront durch Todesschwadrone gefährdet (SB)


Kolumbianische Paramilitärs für Honduras-Einsatz rekrutiert

Massiver Anstieg politischer Morde durch Todesschwadrone zu befürchten


Die US-amerikanische Regierung unter Präsident Barack Obama hat sich nicht unbedingt Bestnoten in Hinsicht auf die Schnelligkeit ihrer politischen Entscheidungen verdient. So hat sie nach über zweimonatigen reiflichen Überlegungen am 3. September durch den Sprecher des Außenministeriums erstmals verlauten lassen, daß der Militärputsch und gewaltsame Sturz des gewählten Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, ein Staatsstreich gewesen sei. Folglich kündigte Außenamtssprecher Ian Kelly die Einstellung sämtlicher Wirtschaftshilfen für die derzeitigen Machthaber in Tegucigalpa an und damit die Durchführung eines Schrittes, der bei Lichte betrachtet schon unmittelbar nach dem 28. Juni hätte vollzogen werden können.

Für diese lange Verzögerung gibt es selbstverständlich Gründe, die keineswegs in den vermeintlich langsam mahlenden Mühlen der US-Administration anzusiedeln sind, sondern wohldurchdachte strategische Kalkulationen vermuten lassen. "Die Wiederaufnahme der eingestellten Hilfe setzt eine Rückkehr zur demokratischen, verfassungsmäßigen Regierung in Honduras voraus", stellte Kelly den Standpunkt der US-amerikanischen Regierung dar, die mit diesem Schachzug abermals gepunktet haben dürfte, da sie sich dem Anschein nach nun doch in aller Deutlichkeit und, was für die honduranischen Putschisten weitaus schwerer wiegen dürfte, mit finanziell nicht unerheblichen Folgen gegen das Micheletti-Regime positioniert hat.

Tatsächlich steht jedoch nicht zu erwarten, daß den Machthabern in Tegucigalpa der Geldhahn zugedreht werden würde. Laut Agenturmeldungen hat der Internationale Währungsfonds (IWF) ihnen Anfang September 150 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt, die aus einem Anfang April gegründeten Krisenfonds stammen sollen. Insgesamt sollen an die derzeitigen Machthaber vom IWF 163,9 Millionen Dollar ausbezahlt werden, was die vermeintlichen Bemühungen Washingtons, durch die zum selben Zeitpunkt vollzogene Einstellung sämtlicher Wirtschaftshilfen einen undemokratischen Zustand zu beenden, konterkariert. Da auf anderen Wegen für Abhilfe gesorgt wurde, tut dieser Schritt den Putschisten nicht weh; die Obama-Administration hingegen kann ihre vermeintliche Standfestigkeit als Pluspunkt in ihrem Bemühen, vor der Weltöffentlichkeit als amerikanische Gutmenschen wahrgenommen zu werden, verbuchen lassen.

Auch die EU steht in krassester Widersprüchlichkeit bereit, den Putschisten, zu denen sich offiziell selbstverständlich kein westlicher Führungsstaat bekennen möchte, ein wenig unter die Arme zu greifen. Seit 2007 führt die EU mit den zentralamerikanischen Staaten Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen. Nach Angaben der spanischen Nachrichtenagentur EFE wurde der Antrag Spaniens, Honduras aus diesen Verhandlungen auszuschließen, von der EU mit der Begründung abgelehnt, eine solche "Isolation" sei nicht sinnvoll. Der Verdacht, daß die EU-Staaten, wenn sie schon nicht zum politischen Ende des Putschregimes in Honduras beigetragen wollen, indem diesem jede internationale Anerkennung und wirtschaftliche Zusammenarbeit und Unterstützung entzogen wird, mehr oder minder stillschweigend auch bereit sein könnten, zu dessen Verbleib an der Macht beizutragen, liegt auf der Hand.

Den Menschen in dem mittelamerikanischen Land, die ungeachtet aller internationalen Erklärungen über die Unrechtmäßigkeit des Staatsstreiches nach wie vor einem Regime gegenüberstehen, das ihre Proteste gewaltsam unterdrücken läßt, könnte unterdessen eine weitere Zuspitzung in dieser asymmetrischen Auseinandersetzung bevorstehen. Nach einem Bericht der kolumbianischen Tageszeitung "El Tiempo" [1] werden in Kolumbien derzeit frühere Paramilitärs für einen Einsatz in Honduras rekrutiert. Dem Vernehmen nach hätten honduranische Unternehmen, die mehr und mehr um ihre Sicherheit fürchten, da sie die Putschisten unterstützen, kolumbianische Milizionäre anheuern lassen. "El Tiempo" zufolge soll Walter Ochoa Guisao, einer der Anführer einer 2006 offiziell aufgelösten paramilitärischen Miliz der extremen Rechten, bereits ehemalige Milizangehörige angesprochen haben.

Offiziell gelten die kolumbianischen Paramilitärs als demobilisiert, wie auch der paramilitärische Dachverband AUC von Präsident Uribe aufgelöst wurde. Kolumbianische Menschenrechtsorganisationen weisen jedoch bereits seit Jahren darauf hin, daß diese Milizstrukturen ungeachtet der offiziellen Auflösung weiterbestehen, weshalb die nun bekanntgewordenen Gerüchte über eine Rekrutierung kolumbianischer Todesschwadrone für einen Einsatz in Honduras sehr wohl plausibel sind.

Sollten sich diese bewahrheiten, droht der nationalen Widerstandsfront gegen das Putschregime in Honduras eine Todesschwadronenpolitik kolumbianischen Ausmaßes. Bislang sind in Honduras 15 politische Morde an Regimegegnern bekanntgeworden. Diese Zahl könnte in den kommenden Wochen und Monaten sprunghaft ansteigen. Da das Micheletti-Regime an seinem Vorhaben, im November wie schon vor dem Putsch geplant Wahlen durchführen zu lassen, um sich den letzten "legalen" Anstrich geben zu können, nach wie vor festhält, kann es nur in seinem Interesse sein, wenn unter der nach zweieinhalb Putschmonaten noch immer protestierenden Bevölkerung Angst und Schrecken verbreitet werden.

[1] Kolumbianische Paramilitärs in Honduras. Medienberichte: Rechtsextreme Milizen mobilisieren ehemalige Kämpfer für Dienste in dem mittelamerikanischen Land, von Harald Neuber, amerika21.de, 14.09.2009

16. September 2009