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DILJA/1232: Politische Eiszeit in Honduras - Todesschwadrone sichern die Diktatur (SB)


Beredtes Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu Honduras

Todesschwadrone am Werk - zunehmende Repression nach der Wahlfarce


Auf den Tag genau ist es jetzt ein halbes Jahr her, seit in dem zentralamerikanischen Staat Honduras die Demokratie durch den gewaltsamen Sturz des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya außer Funktion gesetzt wurde. In dieser langen Zeit hat es an Bestrebungen, den faktischen Übergang zu einer nur notdürftig kosmetisch aufpolierten Militärdiktatur rückgängig zu machen, weder im Inland noch im Ausland gefehlt, wobei in erster Linie die nationale Widerstandsfront zu nennen ist, zu der sich unmittelbar nach dem Putsch soziale und oppositionelle Organisationen und Gruppierungen zusammengeschlossen haben. Diese Front hat sowohl mit dem gestürzten Präsidenten, der unter Inkaufnahme hoher persönlicher Risiken das Seine getan hat, um in das ihm zustehende Präsidentenamt zurückkehren und den von ihm eingeleiteten Prozeß zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung fortführen zu können, kooperiert sowie auch mit vielen, den Putsch verurteilenden Staaten Lateinamerikas.

Dennoch muß nach einem halben Jahr faktisch diktatorischer Verhältnisse, in denen längst überwunden geglaubte Zeiten lateinamerikanischer Folterregime in einem der schwächsten, weil noch ganz in der Entwicklung befindlichen Linksstaaten Lateinamerikas Einzug gehalten, konstatiert werden, daß die Vertreibung der Putschisten bislang nicht zu bewerkstelligen war. Honduras war unter Präsident Zelaya und mit Billigung des Parlaments im Jahr zuvor der "Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas" (ALBA) beigetreten und hatte damit der westlichen Staatengemeinschaft zu verstehen gegeben, daß in Honduras im besten Wortverständnis ein demokratischer Prozeß in Gang gebracht wurde, der eine völlige politische Neuorientierung und Standortbestimmung zum Gegenstand verfassungsgebender Prozesse macht. Mit anderen Worten: Ungeachtet eines dem liberalen Lager angehörenden Präsidenten - Zelaya ist Mitglied der Liberalen Partei von Honduras und hat die inzwischen als höchst zweifelhaft anzusehende politische Schulung durch die der deutschen FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung genossen - hatte Honduras mit eben diesem Präsident die Gefolgschaft unter das neoliberale Diktat aufgekündigt.

Dies ließ sich die westliche Staatengemeinschaft nicht bieten. Innerhalb der eigenen Partei Zelayas wie auch unter Einbeziehung politischer wie auch juristischer Institutionen des Landes wurde eine Zivilkulisse aufgebaut, die im internationalen Rahmen die im Kern nackte Gewaltanwendung durch das Militär als einen notwendigen Schritt erscheinen lassen sollte, um die Demokratie zu retten und das Land vor einem Abfall in die Barbarei, als welche sozialistische Ideen in Lateinamerika schon zu Pinochets Zeiten gebrandmarkt wurden, zu bewahren. Die deutsche FDP, die inzwischen sogar den deutschen Außenminister stellt, wagte sich weltweit am weitesten hervor und begrüßte den Militärputsch ganz ungeniert, während sich die Mehrheit der übrigen westlichen Regierungen inklusive der Obama-Administration zu einer vermeintlich einhelligen, den Putsch verurteilenden Haltung zusammenfand.

Doch diese "Putschgegner" spielten mit gezinkten Karten, leiteten sie doch keineswegs ernsthafte Schritte ein, um das nun an der Zivilfront von dem ebenfalls liberalen Politiker Roberto Micheletti vertretene Regime zu Fall zu bringen. Hatten sie vorab, um eine weitere Radikalisierung der "echten" Regimegegner auch über die Landesgrenzen hinaus zu verhindern, noch behauptet, unter keinen Umständen die schon vor dem Putsch für den 29. November geplanten Präsidentschafts-, Parlaments- und Regionalwahlen anzuerkennen, wenn Präsident Zelaya nicht zuvor in sein Amt und das ganze Land zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt sei, taten sie am Ende genau dies. Unter Bedingungen, die ohne Abstriche als die eines Klimas der Angst, der drohenden Repression und Einschüchterung bewertet werden müssen, fand am Wahltag eine Wahlfarce statt zu dem Zweck, die de-facto-diktatorischen Verhältnisse hinterher auf eine angeblich demokratischen Anforderungen genügende Stufe stellen zu können.

Dabei hat die Repression, unter der die Bevölkerung und insbesondere die Widerstandsbewegung seit dem 28. Juni zu leiden hat, seit dem Wahlsonntag noch erheblich zugenommen. Manuel Zelaya, immer noch der einzige, demokratisch legitimierte Präsident von Honduras, hält sich seit seiner am 21. September in aller Stille durchgeführten Rückkehr in der brasilianischen Botschaft auf. Sein Versuch, nach dem Wahldebakel nach Mexiko auszureisen, scheiterte an der Weigerung seiner Widersacher, ihm freies Geleit zu gewähren. Zelaya kritisiert die Obama-Regierung inzwischen ungeschminkt und wirft ihr vor, nicht nur die Wahlen, sondern auch die Putschregierung und damit die Diktatur unterstützt zu haben bzw. zu unterstützen. Wenn es sein müsse, werde er noch weitere zehn Jahre bleiben, bekundete Zelaya, für dessen Wiedereinsetzung ins Amt es jetzt keinerlei Option mehr gibt, seine ungebrochene Haltung.

Die zunehmende Repression in Honduras, wo bereits vor der Wahl wieder Todesschwadrone aktiv geworden sind, richtet sich gezielt gegen Personen und Organisationen, die über die Repression berichten und somit die Lügen der Machthaber und ihrer heimlichen Helfershelfer Lügen strafen. Eines der jüngsten Opfer ist der 27jährige Widerstandsaktivist Walter Trochez, der am 13. Dezember auf offener Straße aus einem vorbeifahrenden Auto ohne Nummernschilder erschossen wurde. Er hatte seit dem Putsch dazu beigetragen, die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Über seine Ermordung zeigte sich die Zentralamerika-Abteilung der Gefangenhilfsorganisation Amnesty International besonders erschüttert, war der Getötete doch erst zwei Tage vor seiner Ermordung mit ihr in Kontakt getreten. "Wir haben mit Walter erst am Freitag gesprochen. Wir haben die Veröffentlichung eines dringenden Aufrufs zu seinem Schutz geplant, als uns die Nachricht von seinem gewaltsamen Tod erreichte", hieß es in einer Amnesty-Mitteilung.

Bei dieser Gelegenheit hatte Trochez noch berichten können, daß er bereits am 4. Dezember von vier maskierten Männern entführt worden war, die ihn geschlagen, nach Namen führender Persönlichkeiten aus der Demokratiebewegung gefragt und schließlich bedroht hatten. Es war ein Mord mit Ansage, denn, so Trochez: "Sie sagten, dass sie mich gut kennen und mich töten würden". Bei der Ermordung dieses Widerstandsaktivisten blieb es nicht. Nach Angaben der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina, die sich auf Informationen von Menschenrechtsorganisationen berief, wurden seit dem Putsch 41 Menschen in Honduras Opfer politischer Gewalt. Seit dem Tode Trochez‹ wurden mindestens drei weitere Menschen gewaltsam getötet. Bei zwei weiteren Opfern handelte es sich um die 16jährige Tochter und den 22jährigen Sohn von Journalisten, die der Micheletti-Regierung bzw. dem Militär nahestehen, was Micheletti zum Anlaß nahm, um Mordvorwürfe gegen die Widerstandsfront zu erheben. Diese wies diese Anschuldigungen natürlich zurück und klagte ihrerseits das Regime an, hinter der Ermordung Trochez‹ und anderer zu stehen.

Auf die Todesschwadronenpraxis in Honduras suchte inzwischen sogar die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen aufmerksam zu machen. In einer am 16. Dezember veröffentlichten Erklärung zu der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage in Honduras stellte sie die Forderung auf, daß Bundesaußenminister Westerwelle die Wahlen nicht anerkennen dürfe. Zur Begründung wurde in der von Volker Beck, dem Parlamentarischen Geschäftsführer und Menschenrechtsprecher, und dem Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe verfaßten Erklärung ausgeführt:

Das Ergebnis der illegitimen Präsidentschaftswahlen im November darf nicht anerkannt werden. Die Bundesregierung muss die Beziehungen zu Honduras neu bewerten. Ein System, dass sich auf Einschüchterung und Mord durch Schlägerbanden stützt, darf keine Anerkennung durch die Bundesrepublik Deutschland erfahren. Diese Forderung haben wir heute in einem Brief an den Bundesaußenminister deutlich gemacht.

Die Menschenrechtssituation in Honduras verschlechtert sich dramatisch. Seit dem Militärputsch im Juni sind insbesondere Frauen und Homosexuelle zu Menschen zweiter Klasse erklärt worden. Entführung und Mord durch staatliche Schlägertrupps sind an der Tagesordnung. Die brutale Ermordung von Walter Tróchez und Santor Corrales Garcia am vergangenen Wochenende ist ein weiteres trauriges Beispiel für die dramatische Situation. Seit Juni sind mindestens 15 Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen ermordet worden. Amnesty International spricht von einer "verheimlichten Menschenrechtskrise".

Wiewohl die oppositionellen Bündnisgrünen nun bestrebt sein mögen, sich in Hinsicht auf das jetzt von liberaler Hand geführte Außenministerium politisch abzugrenzen und als (wieder-) wählbare Alternative anzubieten, ist ihrer an Westerwelle und mit ihm auch an die gesamte Bundesregierung gestellten Forderung nichts entgegenzusetzen. Die Berliner Führung gefällt sich noch immer darin, sich mit ihrer vermeintlichen Standpunktlosigkeit durchzuschummeln, ohne klar für oder gegen die neuen Machthaber in Honduras - ab Ende Januar wird aller Voraussicht nach Porfirio Lobo als ein Präsident fungieren, der aus den von den Putschisten kontrollierten Novemberwahlen als Sieger hervorgegangen ist - Stellung zu beziehen. Die USA haben die Maske inzwischen längst fallengelassen und ungeniert erklärt, Lobo als neuen Präsidenten anzuerkennen, und so wäre es auch an der Zeit für die EU-Staaten und damit auch die Bundesregierung, vor der internationalen wie auch der eigenen Bevölkerung Farbe zu bekennen.

28. Dezember 2009