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AFRIKA/1782: ANC kritisiert Israels Angriff auf den Gazastreifen (SB)


Angriff auf den Gazastreifen

ANC-Generalsekretär Mantashe: Israel verstößt gegen internationales Recht


Die südafrikanische Regierungspartei ANC ruft die Bevölkerung zu Spenden für die geschundenen Palästinenser auf und bezieht Position gegen das Vorgehen der israelischen Regierung und ihres Militärs im Gazastreifen.

Während die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier der Hamas die Alleinschuld dafür geben, daß die israelische Armee die Tötung von Hunderten von Palästinensern und das Siechtum von 1,5 Millionen eingeschlossenen Menschen zu einem Akt der Selbstverteidigung pervertiert, fand der Generalsekretär des African National Congress (ANC), Gwede Mantashe, diese Woche auf einer Pressekonferenz klare Worte für das, was zur Zeit im Gazastreifen passiert:

"Ohne Zweifel verstößt Israel gegen internationales Recht, indem es Vergeltungsmaßnahmen ergreift und eine schwere humanitäre Krise auslöst." [1]

Das berichtete die wertkonservative, industriefreundliche Wirtschaftszeitung "Business Day", die nicht in dem Ruf steht, sich im besonderen Maß für die Belange unterdrückter Minderheiten oder kleinerer Volksgruppen einzusetzen.

Der ANC verurteilt Israel für den brutalen Einsatz gegen unbewaffnete Zivilisten, weil es die Hamas-Widerständler vernichten wolle, und bezeichnet den Krieg als grauenerregend. Die israelische Regierung müsse akzeptieren, daß es keinen Frieden und keine dauerhafte Lösung in der Region geben könne, solange die Besetzung von Land anhalte, das rechtmäßig den Palästinensern gehöre.

Auf die Frage, ob der südafrikanische Botschafter aus Israel zurückgezogen werde, erwiderte Mantashe, daß dies die Regierung Südafrikas entscheiden müsse und sie würde das im Rahmen des gebotenen Protokolls tun. Auf derselben Pressekonferenz wurde der palästinensische Botschafter in Südafrika, Ali Halimeh, gefragt, warum er dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas von der Fatah-Bewegung, diene und nicht der regierenden Hamas. Daraufhin erwiderte Halimeh ausweichend, daß zu diesem Zeitpunkt der palästinensischen Geschichte alle Parteien in seinem Land einer Agenda dienen: gegen die Israelis aufzustehen.

So einig sind sich die Palästinenser keineswegs, denn während die Führer der demokratisch gewählten Hamas-Regierung den Gazastreifen nicht verlassen können und samt ihren Familien durch israelische Bomben in tausend Stücke zersprengt werden, fliegt Mahmoud Abbas, der im Westjordanland wohnt, nach New York.

Die südafrikanische Regierung hat sich in der Vergangenheit häufiger gegen eine Politik der westlichen Hegemonialmächte gewandt. Beispielsweise verweigerte sie US-amerikanischen Kriegsschiffen, die am Angriffskrieg gegen Irak beteiligt waren, das Anlaufen der südafrikanischen Häfen. Auch bemühte sie sich intensiv um eine diplomatische Beilegung des Konflikts um das iranische Nuklearprogramm. Weder gegenüber dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad noch gegenüber Venezuelas Präsident Hugo Chavez hat sie Berührungsängste.

Dafür hat Südafrika gute Gründe. Es zählt zur Blockfreienbewegung, die sich trotz des Zerfalls der Sowjetunion 1991 gehalten hat. Man könnte sogar sagen, daß sich die Beibehaltung der Position der Blockfreien als um so wichtiger erwies, da nun die USA und Europa, kraft ihres militärischen Bündnisses NATO, befreit vom sowjetischen Gegengewicht, rücksichtslos ihre globalen ordnungspolitischen Vorstellungen durchzusetzen begannen. Die gezielte Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien, die ebenfalls ein blockfreier Staat war, bildete den Auftakt. Afghanistan und Irak folgten. Südafrika möchte nicht eines Tages ebenfalls zwischen die Mühlsteine der nach Globalhegemonie strebenden NATO-Staaten geraten.

Die Kritik des ANC an Israel gründet aber auch darin, daß seine Mitglieder eine sehr lange Zeit ebenfalls gegen eine Art Besetzung aufbegehrten, nämlich durch die weiße Apartheidregierung. Bei aller Konformität, die mit der Regierungsübernahme 1994 beim ANC Einzug gehalten hat und die ihn auf einen neoliberalen Kurs einschwenken ließ, existieren noch genügend Erinnerungen an die eigene Widerstandszeit. Daraus geboren hat sich Südafrika von einem Staat, gegen den ein Embargo verhängt wurde, in einen Staat, der sich über Afrika hinaus auf diplomatische Weise um Konfliktbewältigung bemüht, gewandelt.


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Anmerkung:

[1] "South Africa: Mantashe Urges Counrty to Give Aid to Palestine", Business Day, 7. Januar 2009
http://allafrica.com/stories/200901070032.html

7. Januar 2009