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AFRIKA/1790: Machtkampf in Madagaskar - Hunger in der Bevölkerung (SB)


Bürgermeister Antananarivos fordert Madagaskars Präsident heraus

Tagelange Plünderungen richteten sich nicht zufällig vor allem auf Läden, die Lebensmittel verkauften


Der Machtkampf auf dem Inselstaat Madagaskar zwischen Präsident Marc Ravalomanana und dem Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo, Andry Rajoelina, hat offiziellen Angaben zufolge über 90 Todesopfer gefordert. Gegenwärtig ist die Lage in den größten Städten des Landes ruhig, nachdem es ab dem 24. Januar tagelang zu Demonstrationen und Plünderungen gekommen war. [1]

Der 34jährige Rajoelina hat sich bereits zum neuen Staatschef ausgerufen, ist aber mit seinem aberwitzigen Vorstoß zunächst gescheitert. Er müßte nicht nur Ravalomanana stürzen, sondern auch die Verfassung ändern, wenn er Präsident werden wollte, denn dem Gesetz nach muß ein madagassischer Präsident mindestens 40 Jahre alt sein.

Rajoelina besitzt vor allem unter der armen Bevölkerung viele Anhänger. Das nutzt der junge Bürgermeister, der über einen eigenen Fernsehsender verfügt, und spricht in seiner harschen Kritik an Ravalomanana jene Punkte an, die viele Menschen sehr nahe gehen: Armut und Hunger. Insbesondere der 99 Jahre laufende Vertrag zwischen der Regierung und dem südkoreanischen Konzern Daewoo Logistic über die Verpachtung von 1,3 Mio. Hektar landwirtschaftliche Fläche im Westen der Insel [2] hat viele Menschen erzürnt. Die Pacht ist kostenlos, die Regierung profitiert allein durch die Exportsteuern und den Bau von Infrastruktureinrichtungen, die der südkoreanische Konzern zugesagt hat.

Diesen Widerspruch, der auch bei westlichen Beobachtern für Unverständnis gesorgt hat, spricht Rajoelina immer wieder an. Der Verdacht, daß sich Ravalomanana hat bestechen lassen, konnte nicht bestätigt werden, hält sich aber hartnäckig. Der Präsident ist zugleich der reichste Mann des Landes. Er besitzt zahlreiche Firmen, unter anderem aus der Lebensmittelbranche. Als in der vergangenen Woche aufgebrachte Demonstranten Geschäfte plünderten, suchten sie auch Lagerhallen Ravalomananas heim und raubten Reis. Dieser verzichtete auf eine Strafverfolgung und begründet seine Entscheidung damit, daß die Leute Hunger besäßen.

Tatsächlich waren Lebensmittelgeschäfte und Getreidelager bevorzugte Ziele der Plünderer. [3] Weiterhin herrscht unter den Madagassen Armut und Hunger. Der wirtschaftliche Aufschwung von rund sechs Prozent jährlich kommt bei der Bevölkerung nicht an, was typisch für eine Politik der Liberalisierung und Privatisierung ist, wie sie Ravalomanana betreibt. Der verkauft oder verpachtet Volkseigentum und produziert damit positiv wirkende Wirtschaftszahlen ... und auf der anderen Seite Armut.

Ob Rajoelina jemand ist, der tatsächlich alles anders machen würde, oder ob er lediglich in anderer Leute Taschen wirtschaften wird, sollte er wider Erwarten Präsident werden, läßt sich derzeit nicht abschätzen. Sehr wohl aber läßt sich sagen, daß der Pachtvertrag mit Daewoo Logistics ein Schlag ins Gesicht der an Nahrungsmangel leidenden Bevölkerung ist.


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Anmerkungen:

[1] Siehe: AFRIKA/1787: Madagaskar - Unruhen wegen Preisgabe von Agrarland (SB)

[2] Siehe: AFRIKA/1765: Biosprit und Nahrung - Madagaskar vergibt riesige Agrarfläche (SB)

[3] Madagascar: Empty Seats At the Negotiation Table, IRIN, 30.1.2009
http://allafrica.com/stories/200901300707.html

2. Februar 2009