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AFRIKA/1802: Simbabwe bleibt trotz mysteriösem Autounfall ruhig (SB)


Autounfall oder Attentat?

Simbabwischer Ministerpräsident bei Autounfall verletzt - Ehefrau verstorben

Oppositionsbündnis MDC um Beruhigung bemüht


Es war ein Unfall, trat der simbabwische Ministerpräsident Morgan Tsvangirai Gerüchten entgegen, es sei ein Anschlag auf ihn verübt worden. Am Freitag (6.3.2009) war sein Fahrzeug gut 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Harare, von einem entgegenkommenden Lastwagen gerammt worden und hatte sich mehrmals überschlagen. Tsvangirais Frau Susan wurde schwer verletzt und starb auf dem Weg ins Krankenhaus, der Ministerpräsident, sein Fahrer und ein Begleiter erlitten unterschiedlich schwere Verletzungen. Bereits am Samstag erhielt Tsvangirai am Krankenbett Besuch vom botswanischen Außenminister und verließ am selben Tag das simbabwische Krankenhaus. Er flog ins Nachbarland Botswana, angeblich um sich medizinisch behandeln zu lassen.

Das ist insofern wenig glaubhaft, als daß er offensichtlich keine sehr schweren Verletzungen davongetragen hat, andernfalls wäre er gar nicht transportfähig gewesen. Botswana gilt als Rückzugsort für den Führer des Oppositionsbündnis MDC (Movement for Democratic Change), der botswanische Präsident Ian Khama ist einer der wenigen Kritiker seines simbabwischen Amtskollegen Robert Mugabe. Die Vermutung, daß Tsvangirai aus Sicherheitsgründen vorübergehend das Land verlassen hat - am Montag kehrte er wieder zurück -, klingt in jedem Fall plausibel, egal, ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag gehandelt hat.

Technisch gesehen ist es sicherlich machbar, ein entgegenkommendes Fahrzeug aus der Mitte eines Konvois aus drei Fahrzeugen zu treffen. In diesem konkreten Fall kam der Lastwagen von der Gegenfahrbahn auf den gesamten Konvoi zu. Das Führungsfahrzeug wich zur Seite aus, auch Tsvangirais Fahrer versuchte noch, dem Transporter auszuweichen. Das Fahrzeug wurde getroffen und überschlug sich dreimal.

Pikanterweise gehörte das "Tatfahrzeug" zu der US-amerikanischen Hilfsorganisation USAID. Pikant deshalb, weil die USA Sanktionen gegen Mugabe und andere Mitglieder der Regierungspartei ZANU-Pf verhängt haben und zugleich Morgan Tsvangirai ihr Wunschkandidat ist, den sie unterstützt haben, damit er Mugabe stürzt. Falls es sich also um einen Anschlag gehandelt hat, wäre das ein ziemlich dreistes Stück, die US-Hilfsorganisation mit hineinzuziehen. Man wird beobachten müssen, wie die USA darauf reagieren und ob sie weitere Maßnahmen gegen Mugabe und seine ZANU-Pf ergreifen.

Der Fahrer des Wagen behauptete, er sei am Steuer eingeschlafen. Der stellvertretende MDC-Vorsitzende Tendai Biti warnte am Wochenende vor voreiligen Schlüssen, und Tsvangirai erklärte den versammelten Trauernden vor seinem Haus in Strathaven, daß es immer Spekulationen gebe, wenn so etwas geschehe, aber in diesem Fall läge die Chance auf falsches Spiel bei eins zu tausend. "Es war ein Unfall, und unglücklicherweise hat es ihr Leben gekostet."

Eine etwas andere Einschätzung gab George Sibotshiwe, früherer Berater des MDC-Vorsitzenden ab: Das MDC schließe nichts aus. Es sei ihnen nicht möglich, falsches Spiel von vornherein auszuschließen. Zumal Tsvangirai noch immer nicht sein kugelsicheres Auto von der ZANU-PF zurückerhalten hat, das vor einem Jahr während des Wahlkampfs beschlagnahmt worden war. Die Gründe für die Beschlagnahme sind so offensichtlich, daß man darüber gar nicht zu spekulieren braucht. Mugabe hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß er Morgan Tsvangirai niemals an die Macht lassen wird. Der ehemalige Gewerkschaftsführer weist eine Lebensgeschichte auf, die immer wieder von Verhaftungen, Folter und schwersten Übergriffen geprägt ist. 1997 wäre Tsvangirai beinahe von einer Bande aus dem zehnten Stock eines Bürofensters geworfen worden, zehn Jahre darauf wurde er zusammengeschlagen und kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus.

Selbst wenn sich der Vorgang tatsächlich als Unfall herausstellen sollte, muß Tsvangirais frühzeitige Festlegung auf diese Version als politisch motiviert gedeutet werden. Immerhin laufen die Ermittlungen noch, üblich wäre es für ein hochrangiges Regierungsmitglied wie ihn, die Untersuchungsergebnisse abzuwarten, bevor ein Urteil gefällt wird. Der regierungskritische, in London ansässige Radiosender SW Radio Africa jedenfalls zählt eine Reihe von Gegnern der Mugabe-Regierung auf, die angeblich ebenfalls unter mysteriösen Umständen bei Autounfällen ums Leben gekommen seien: Christopher Ushewokunze, Brigadier Armstrong Gunda, Border Gezi, Moven Mahachi, Elliot Manyika, Zororo Duri, Justice Ziyambi, Mthandazo Ndema Ngwenya, Witness Rukarwa, Sydney Malunga, William Ndangana, "Nikita" Mangena, Josiah Tongogara, der Aktivist Christopher Giwa und der Geschäftsmann Peter Pamire.

Das MDC fordert eine eigene, unabhängige Untersuchung des Unfallhergangs. Der Vorsitzende der National Constitutional Assembly (NCA), Lovemore Madhuku, erklärte dazu in einem Interview mit der südafrikanischen Website News24 laut SW Radio [2], daß sich die Untersuchungsergebnisse auf "politische Entscheidungen" stützen werden, die die Einheitsregierung betrifft. Jede Partei werde zu einem Ergebnis kommen, das ihr am besten paßt.

Womöglich haben sich Tsvangirai und das MDC inzwischen auf die Linie festgelegt, keine Unruhe durch Attentatsgerüchte schüren zu wollen, denn das würde Mugabe und seinen Anhängern lediglich den womöglich willkommenen Vorwand liefern, um die Sicherheitskräfte hart gegen die Opposition vorgehen zu lassen.

Simbabwe ist ein Paradebeispiel dafür, wie internationaler Druck auf eine Regierung nicht deren Mitglieder trifft, sondern die Bevölkerung. Die Sanktionen der EU und USA gegen Mugabe und eine Reihe von Mitgliedern der ZANU-Pf haben letztlich zur Verschärfung der Armut und Not im Land beigetragen, da die Regierung erwartungsgemäß jeglichen Druck von außen über Repressionen an die Bevölkerung umgelastet hat.


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Anmerkungen:

[1] "Zimbabwe: Prime Minister Says Car Crash Was an Accident", 9. März 2009
http://allafrica.com/stories/200903091513.html

[2] "Zimbabwe: Calls Grow for Independent Investigation of Tsvangirai Crash", 9. März 2009
http://allafrica.com/stories/200903091511.html

10. März 2009