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AFRIKA/1823: Oberhäuptling Tony Blair zu Besuch in Sierra Leone (SB)


Sierra Leone feiert 48 Jahre Unabhängigkeit

Ex-Premierminister Großbritanniens will dort den Tourismus ankurbeln


Als abgehalfterter Premierminister Britanniens hat Tony Blair vermutlich nicht viel, auf das er meint, mit Stolz zurückblicken zu dürfen. Sierra Leone dürfte jedoch so ein Beispiel sein, gilt es doch als Musterbeispiel für ein erfolgreich durch eine westliche Interventionsmacht befriedetes Land.

Anfang dieser Woche hat Blair zwei Tage in dem westafrikanischen Land verbracht, um ein wenig Werbung für Sierra Leone als Tourismusziel zu machen. Blair genießt dort hohes Ansehen, da er im Jahr 2000 während des Bürgerkriegs eine britische Interventionsarmee in einer Stärke von 1500 Mann nach Sierra Leone entsandte. Seine "Jungs" haben, wo es zur Konfrontation kam, kurzen Prozeß mit den Rebellen der RUF (Vereinigte Revolutionäre Front) gemacht und für Ruhe und Ordnung gesorgt. Für diese Heldentat wurde Blair der Titel Oberhäuptling (paramount chief) verliehen, wie die in Sierra Leone herausgegebene Zeitung "Concord Times" berichtete. [1]

Viermal hat der Oberhäuptling "sein" Lieblingsland in Westafrika besucht. Zunächst im Februar 2002 nach dem Ende des Bürgerkriegs. Als nächstes im Mai 2007 bei seiner Abschiedsreise als Premierminister und schließlich im Juni 2008. Inzwischen versteht sich Blair als Berater der sierraleonischen Regierung sowie als Repräsentant des Landes auf internationalem Parkett. Er will Investoren anwerben und seine Africa Governance Initiative sowie Präsident Ernest Bai Koromas "Vision" vom Aufbau und von der Entwicklung Sierra Leones unterstützen.

Nicht nur Blair wird in Sierra Leone geehrt, umgekehrt ehrt Britannien auch die First Lady Sia Nyama Koroma, und zwar mit der Auszeichnung "Mother of the Nation". [2] Dieses gegenseitige Bauchpinseln fällt in eine Zeit, da das Land 48 Jahre Unabhängigkeit feiert. Am 27. April 1961 wurde Sierra Leone von Großbritannien aus der kolonialzeitlichen Bevormundung entlassen ...

... und dem postkolonialen Diktat unterworfen. Wie in vielen Staaten Afrikas wurden auch in Sierra Leone die kapitalistischen Produktionsverhältnisse beibehalten, so daß sich eine kleine Oberschicht bilden konnte, auf die der Begriff "steinreich" zutraf wie selten, denn in Sierra Leone werden unter anderem Diamanten abgebaut. Die sind wegen ihrer besonderen Reinheit hochbegehrt und kostbar, wovon allerdings diejenigen, die sie unter übelsten Bedingungen aus dem Erdreich waschen, nichts haben.

Dank Blairs Befehl zum Militäreinsatz bereichern sich heute nicht mehr die Rebellen der RUF an den Diamanten, sondern andere - die Arbeit in den Minen hat jedoch seitdem kaum Veränderung erfahren. Es sind die ewig Ausgebeuteten, die ihre Gesundheit und ihr Überleben dafür ruinieren, daß eine Minderheit auf diesem Planeten traumhaft schöne Strände in Westafrika entdecken darf, für die ein westlicher Oberhäuptling Werbung macht.


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Anmerkungen:

[1] "Sierra Leone: Tony Blair in Country to Boost Tourism", Concord Times (Freetown), 29. April 2009
http://allafrica.com/stories/200904290787.html

[2] "Sierra Leone: UK Investors to Host First Lady", Concord Times (Freetown), 29. April 2009
http://allafrica.com/stories/200904290798.html

1. Mai 2009