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AFRIKA/1836: EJF-Report - Somalias Fischgründe geplündert (SB)


Piraterie, über die kaum berichtet wird

Internationale Trawler dringen regelmäßig in Somalias Fischereizone ein


Zum Weltozeantag am 8. Juni hat die in Großbritannien ansässige Umweltstiftung Environmental Justice Foundation (EJF) einen neuen Report über eine Form von Piraterie herausgebracht, über die selten berichtet wird. Weltweit fangen internationale Fischtrawler wesentlich mehr Fisch, als ihnen zusteht. Besonders betroffen ist die Küste Afrikas, da die Staaten häufig nicht über ausreichende Schutzeinrichtungen wie Küstenwachschiffe verfügen, um ihre Interessen gegen die Plünderung wahren zu können.

Der EJF-Report, an dem die Autoren drei Jahre gearbeitet haben - Einzelheiten wurden schon zu früheren Zeiten auf der Website der Stiftung veröffentlicht [1] - belegt die hin und wieder in der Mainstreampresse bestrittene Behauptung, daß es sich bei den somalischen Piraten, gegen die nach Anregung durch den UN-Sicherheitsrat ein Weltaufgebot an hochgerüsteten Kriegsschiffen zusammengezogen wurde, häufig um Fischer handelt, deren Geschäftsgrundlage zerstört wurde. Die Verluste Somalias aus dem illegalen Fischfang belaufen sich auf geschätzte 94 Millionen Dollar pro Jahr. Ausländische Fischereiboote seien eine "treibende Kraft" für den jüngsten Ausbruch an Piraterie in Somalia. [1]

Die illegale Fischerei in Afrika sei vollkommen außer Kontrolle geraten, versucht die britische Zeitung "The Guardian" [2] die Bedrohung für das Fischereiwesen eines ganzen Kontinents in Wort zu fassen - als ob illegale Fischerei etwas anderes sein könnte als "außer Kontrolle". Aber die Botschaft ist klar. In Afrika werden fast 30 Prozent des Fangs der örtlichen Fischer geraubt. Die Piraterie der Trawler aus Europa, China und Lateinamerika in den afrikanischen Küstengewässer führt zu empfindlichen wirtschaftlichen Einbußen und schwerwiegenden meeresökologischen Schäden. Die Autoren erklären sogar, daß die weltweiten Bestände durch illegalen Fischfang gefährdet sind, da die Piraterie in Küsten- wie auch tiefen Gewässern fischten. "Bis zu 15 Milliarden Dollar" würden den Entwicklungsländern dadurch verloren gehen, zitiert der "Guardian" aus dem Report.

In dem Bericht wird nicht allein das Eindringen in fremde Gewässer als illegaler Fischfang bezeichnet, sondern auch das Fischen mit verbotener Ausrüstung - beispielsweise kleine Maschenbreiten der Netze - und das Verschweigen der tatsächlichen Fangmenge.

Eine Untersuchung der zu Guinea gehörenden Küstengewässer von der Luft aus hat ergeben, daß 60 Prozent von 2313 entdeckten Schiffen Verstöße begangen haben. In Sierra Leone und Guinea-Bissau lagen die Quoten bei 29 Prozent beziehungsweise 23 Prozent. Und in somalischen Gewässern kreuzen regelmäßig schätzungsweise 700 ausländische Fischereischiffe und fangen vom Aussterben bedrohten Thunfisch, Haie und Hummer. "Schwer bewaffnete ausländische Schiffe" führen nahe an die Küste heran und konkurrierten mit den örtlichen Fischern in, die nur über kleine Boote verfügen. "Sie zerstören deren Netze und Fallen, was zu Auseinandersetzungen und dem Verlust von Leben führte", zitiert die britische Zeitung aus dem Bericht.

Boote angolanischer Fischereibehörden wurden von illegalen Trawlern gerammt und versenkt, in einem anderen Fall wurden Behördenvertreter beim Versuch, ein Piratenschiff zu betreten mit kochendheißem Wasser übergossen. Mindestens zwei Inspektoren sind bei einer Besichtigungstour auf Industrietrawlern spurlos verschwunden, wahrscheinlich wurden sie ermordet.

Ausgerechnet Las Palmas auf den Kanaren wird in dem EJF-Report als Zentrum des meist unter Billigflaggen praktizierten illegalen Fischfangs im Atlantik genannt. Die Inselgruppe der zu Spanien gehörenden Kanaren liegt an einer Schnittstelle zwischen Europa und Afrika. Die spanischen Behörden erlauben es den Schiffen, hier ihren illegalen Fang anzulanden und nach Europa und in Übersee zu verkaufen. Es sei "unentschuldbar", daß die spanische Regierung und auch die europäischen Behörden diesem Treiben noch kein Ende gesetzt haben, heißt es. Der Hafen von Las Palmas beschäftige nur eine Handvoll Inspektoren.

Düster ist auch der Ausblick auf die globalen Fischereibestände. Denn wenn die Fangquoten ständig massiv unterlaufen werden, besteht die Gefahr, daß die Überfischung in einem eklatanten Ausmaß zunimmt. Nach Angaben der Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO sind bis zu 75 Prozent der Weltfischbestände entweder ausgebeutet, überfischt oder bedroht. Wenn sich der Trend fortsetzt, werden nahezu alle Fischbestände bis zum Jahre 2048 kollabieren.

Die Studienautoren schlagen die Einrichtung einer Datenbank für sämtliche Hochseefischereiboote vor und daß mehr Beobachter an Bord der Schiffe mitfahren und die Überwachung von der Luft und See aus intensiviert wird. Das werde allerdings mehrere hundert Millionen brit. Pfund kosten. Verglichen mit den zig Millionen Euro, Dollar, Rubel, Yen oder welche Währung auch immer, die unter anderem die NATO- und EU-Staaten, Rußland, Japan, China, Indien, Malaysia, Iran aufwenden, um die Piraterie an der ostafrikanischen Küste militärisch zu bekämpfen - was im übrigen nicht einmal als zuverlässig bezeichnet werden kann -, wäre das vermutlich kein Opfer, sondern der preisgünstigere Weg. Gleichzeitig dürfte das die Lage der somalischen Fischer, die "vermutlich am eklatantesten" vom illegalen Fischfang betroffen sind [3], verbessern, so daß deren geschäftliches Standbein - Erpressung von Lösegeld für eroberte Schiffe - seinen Halt verlöre.


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Anmerkungen:

[1] http://www.ejfoundation.org/

[2] "Pirate fishing causing eco disaster and killing communities, says report", The Guardian, 8. Juni 2009
http://www.guardian.co.uk/environment/2009/jun/08/pirate-fishing-eco- disaster-report

[3] "Report Adds to Claims of Somali Fisherman Turned Pirates", The Media Line, 8. Juni 2009
http://www.themedialine.org/news/news_detail.asp?NewsID=25367

8. Juni 2009