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AFRIKA/1850: USA halfen Charles Taylor, aus US-Knast zu fliehen (SB)


Charles Taylor - für die USA eine Zeitlang nützlich, dann lästig


Der wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen vor einem UN-Tribunal in Den Haag angeklagte Ex-Präsident Liberias, Charles Taylor, schilderte neulich vor Gericht, wie er 1985 aus einem Hochsicherheitsgefängnis der USA entflohen ist. [1] Demnach besaß er Unterstützung seitens der US-Behörden. Mit dieser Behauptung bestätigt er frühere Vermutungen und Aussagen von Zeugen bzw. Insidern. Einer Aburteilung dürfte er mit seiner Zeugenaussage sicherlich nicht entgehen, da sich die USA von jeher dank ihrer militärischen und wirtschaftlichen Macht doppelte Standards ihrer Wertmaßstäbe leisten können. Im übrigen wäre Taylor nicht der erste Milizenchef oder Staatsführer, der zunächst von der US-Regierung protegiert wird, nur um irgendwann wieder fallen gelassen zu werden, sobald er seine Aufgabe erfüllt und sich das Rad der Geschichte weitergedreht hat. Typische Beispiele sind die Ex-Präsidenten Manuel Noriega (Panama), Mobutu Sese Seko (Zaire, heute Demokratische Republik Kongo) und Saddam Hussein (Irak).

1984 war Taylor im US-Bundesstaat Massachusetts aufgrund eines Auslieferungsgesuchs Liberias wegen mutmaßlicher Veruntreuung festgenommen worden und wurde im Hochsicherheitsbereich des Plymouth County Correctional Facility in Massachusetts festgehalten. Im November 1985 gelang ihm von dort die Flucht. Laut Taylor hatte ihn ein Wachmann freigelassen und in einen Bereich mit geringerer Sicherheitsstufe begleitet. Mit Hilfe eines Bettlakens kletterte er aus dem Fenster und über einen Zaun. Draußen wartete ein Wagen mit zwei Männern, die ihn nach New York fuhren. Seinem Eindruck zufolge habe der Wachmann mit jemandem zusammengearbeitet, und die beiden Begleiter auf seiner Flucht nach New York benutzten seiner Einschätzung nach ein Regierungsfahrzeug. Denn die beiden Personen brachten ihre Befürchtung zum Ausdruck, er könne aufgegriffen werden, wenn er in das Fahrzeug wechsle, mit dem ihn seine damalige Frau abholen wollte, um ihn außer Landes zu bringen.

Taylors inszenierte Flucht erfolgte nur wenige Tage vor einem gescheiterten Umsturzversuch in Liberia. Sein Freund Thomas Quiwonkpa hatte versucht, den damaligen liberianischen Präsidenten Samuel Doe zu entmachten. Nach Taylors Angaben hat der US-Geheimdienst CIA Quiwonkpa finanziell und mit Waffen unterstützt.

Die Version der Flucht aus den USA wurde vor knapp einem Jahr von einem frühren Kampfgefährten und späteren Gegner Taylors, der heute im Senat Liberias sitzt, bestätigt. [2] Prince Johnson berichtete im August vergangenen Jahres vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC - Truth and Reconciliation Commission) Liberias, daß Taylor nicht aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, sondern freigelassen wurde, damit er sich am Umsturz Tolberts beteiligt. Johnson und Taylor waren Anfang der 1980er Jahre verbündet, gingen dann auseinander, wobei Johnson eine konkurrierende Milizengruppe zu Taylors National Patriotic Front of Liberia (NPFL) gründete. [3]

Sicherlich ist Charles Taylor alles andere als ein Sympathieträger. Seine Verwicklung in den Bürgerkrieg in Sierra Leone und Beteiligung am Diamantenhandel der Milizen der gefürchteten RUF waren damals allbekannt. Ob sich dafür gerichtsrelevante Beweise erbringen lassen, steht auf einem anderen Blatt. Die aktuellen "Enthüllungen" Taylors, die keineswegs überraschende Erkenntnisse liefern, sind insofern von Interesse, als daran deutlich wird, wie ausschließlich interessengesteuert die USA für sie nützliche Personen wahlweise zu Verbündeten oder Schurken erklären. Mit den behaupteten Werten von Menschlichkeit hat das nichts zu tun. Beispielsweise genoß Taylor noch 1997, obgleich er eine Rebellenarmee anführte, die Unterstützung der US-Regierung bei der Präsidentenwahl in Liberia, die er deutlich gewann. Anschließend hat er als Präsident das weitergemacht, was er schon immer getan hat, nämlich seinen Einfluß erweitern und sich bereichern, nur daß er damit den westlichen Hegemonialinteressen in Sierra Leone in die Quere kam. Deshalb wurden andere Rebellengruppen gegen ihn in Stellung gebracht. Es war wirklich nichts Persönliches ...


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Anmerkungen:

[1] "Liberia: Taylor Makes Shocking Revelation - Says U.S. Unleashed Him", The Analyst (Monrovia), 16. Juli 2009
http://allafrica.com/stories/200907170970.html


[2] "US freed Taylor to overthrow Doe, Liberia's TRC hears", Mail & Guardian, 27. August 2008
http://www.mg.co.za/article/2008-08-27-us-freed-taylor-to-overthrow-doe-liberias-trc-hears

[3] Der Milizenführer Johnson war für seine Brutalität bekannt. So filmte er 1990 die Gefangennahme, Folter und Ermordung des damaligen liberianischen Präsidenten Samuel Doe durch seine, Johnsons, Leute. Daß der ehemalige Warlord nun einen Sitz im Senat Liberias einnimmt, ist eine sehr umstrittene Entscheidung, durch die die Aufgabe der Wahrheitskommission in Frage gestellt wurde.

21. Juli 2009