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AFRIKA/1962: Forscher schlagen Alarm - Weizenpilz Ug99 in Südafrika entdeckt (SB)


In Südafrika hat Ug99 die wichtigsten Resistenz-Gene von Weizen überwunden

Weltweit größter Erfolg im Kampf gegen den Weizenpilz erweist sich nun als dessen Einfallstor für seine ebenfalls weltweite Ausbreitung


Nachdem vor rund elf Jahren in Uganda ein Pflanzenpilz auftauchte, der Weizen befiel, welcher vor Jahrzehnten eigens geschaffen wurde, um gegen einen solchen Pilzbefall unempfindlich zu sein, und daraufhin weltweit in Weizenarten eingezüchtet wurde, schlugen Experten Alarm. Ug99, so die Bezeichnung für die Variante des Pilzes Puccinia graminis, hat die Fachwelt aufgeschreckt. Denn wie die im Anschluß an die Entdeckung einsetzenden Forschungen zeigten, vermag der Pilz mühsam eingezüchtete Eigenschaften, die den Weizen vor Befall schützen sollten, zu überwinden und ihn sprichwörtlich zu Fall zu bringen. Die Ernteverluste betragen bis zu 100 Prozent. [1] Außerdem sind inzwischen sieben Ug99-Varianten bekannt. In den letzten zehn Jahren hat sich der Pilz mit der vorherrschenden östlichen Windrichtung von Uganda nach Kenia, Äthiopien, Sudan, Jemen und Iran ausgebreitet.

2007 und 2009 wurde er jedoch auch aus Südafrika gemeldet, was die Gefahr, daß es zu der allseits gefürchteten weltweiten Ausbreitung kommt, deutlich erhöht. Laut einem Bericht des Wissenschaftsmagazins "Nature" [2] vermag der Pilz zwei Gene zu überwinden, welche bislang bewirkten, daß die Zellen rund um den Pilzbefall absterben, so daß der Pilz nicht weitere Zellen infizieren kann. Diese beiden Gene - Sr31 und Sr24 - gelten als die wichtigsten im Abwehrkampf gegen den Pilz und wurden in 90 Prozent aller weltweit verbreiteten Weizenpflanzen eingebracht.

Da der Pilz, dessen Variante aus 2007 von einem sehr viel harmloseren Stamm, der erstmals im Jahr 2000 in Südafrika auftrat, mutiert ist, und dessen zweite Variante offenbar eingeschleppt wurde, nun gänzlich anderen Windsystemen ausgesetzt ist, droht eine stärke Verbreitung. Davor warnte der Weizenpathologe Zacharias Pretorius von der südafrikanischen University of Free State in Bloemfontein und Co-Autor der neuen Studie über Ug99, über die auch auf der noch bis zum 4. Juni in St. Petersburg stattfindenden 8. Internationalen Weizenkonferenz diskutiert wird. Organisiert wird sie von der Borlaug Global Rust Initiative, der weltweit führenden Forschungsinitiative zu Ug99.

Ronnie Coffman, Pflanzenzüchtungsforscher an der Cornell Universität in Ithaca, New York, rechnet damit, daß der Pilz die Weizenfelder Nordamerikas und Europas erreicht und daß Landwirte auf der ganzen Welt 90 Prozent ihrer Weizenarten ersetzen müssen. Die in Südafrika aufgetretenen Ug99-Varianten haben sich bei der Überwindung der Abwehr als besonders virulent erwiesen. Was nicht bedeutet, daß die anderen Varianten harmlos wären, wie der Verlauf des Befalls in Kenia beweist: Im Jahr der Entdeckung wurden nur Spuren gefunden, im darauffolgenden Jahr nahm der Befall bereits epidemische Ausmaße an.

Alle Pilzvarianten zusammengenommen vermögen inzwischen mindestens 32 von rund 50 Resistenzgenen unwirksam zu machen, sagte Ravi Singh, Pflanzengenetiker und -pathologe am International Maize and Wheat Improvement Centre (CIMMYT) in Mexiko. Er und viele andere Weizenexperten nehmen unter Führung der Cornell Universität an einer internationalen Anstrengung im Abwehrkampf gegen den Pilz teil. Mit finanzieller Unterstützung des US-Entwicklungshilfeministeriums USAID wurden neue, Ug99-resistente Weizenarten in den am stärksten befallenen Regionen verteilt.

Das erinnert an einen Wettkampf gegen die Zeit, wie er schon einmal, nach der verheerenden Weizenseuche in den fünfziger Jahren in Nordamerika geführt wurde. Der wurde vermeintlich von den Menschen gewonnen - das Auftreten von Ug99 zeigt indessen, daß womöglich nur etwas Zeit gewonnen wurde. "Wir können nicht erwarten, das Problem innerhalb von fünf Jahren zu lösen - Ug99-Forschung, Überwachung und Züchtung ist eine laufende Anstrengung, ein Rüstungswettlauf, der durch nachhaltige Finanzierung unterstützt werden muß", so Robert Park, Weizenpathologe am Plant Breeding Institute der Universität von Sydney. [3] Sollte der Pilz beispielsweise Südasien erreichen, wo 20 Prozent der weltweiten Weizenernte erzeugt wird, gefährdete das die Ernährung von 1,4 Milliarden Menschen. Ein Pilzbefall läßt sich zwar auch chemisch bekämpfen, aber die Kosten sind für viele Kleinbauern unerschwinglich.

Wenn die Vermutung der Forscher zutrifft, daß die beiden in Südafrika nachgewiesenen Ug99-Varianten auf verschiedene Weise entstanden sind, nämlich einmal durch eine simple Mutation eines bereits vorhandenen Weizenpilzes und ein anderes Mal durch Einwanderung aus Ostafrika, dann bietet das Anlaß zu besonderer Sorge. Seit Beginn des landwirtschaftlichen Anbaus war dieser durch einen ständigen Abwehrkampf gegen Pflanzenschädlinge gekennzeichnet. Mit der weltweiten Verbreitung spezifischer Resistenzgene hat der Mensch zwar eine Zeitlang Vorteile gegenüber dem Pilz erwirtschaftet, im gleichen Atemzug aber das Risiko ebenfalls global anzusiedelnder Verluste erhöht. Plötzlich entwickelt sich ein höchst virulenter Pflanzenpilz weiter, der eines der Hauptnahrungsmittel der Menschheit befällt, und findet ein - weltweit! - bestelltes Feld vor.

Zu der bereits katastrophalen Ernährungslage der Menschheit könnte sich mit der Verbreitung des Weizenpilzes Ug99 eine weitere globale Gefahr hinzugesellen. Wieder einmal zeigt sich, daß die Artenvielfalt zwar nichts ist, dem Ökonomen ohne weiteres einen Geldwert zuordnen können, die dennoch von unschätzbarem Wert ist, da von ihr das Überleben vieler Menschen abhängt.


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Anmerkungen:

[1] Siehe auch: AFRIKA/1959: Ug99 - Weizenpilz bedroht globale Ernährungssicherheit (SB)

[2] "Virulent wheat fungus invades South Africa", Nature online, 26. Mai 2010, doi:10.1038/news.2010.265
http://www.nature.com/news/2010/100526/full/news.2010.265.html

[3] "Virulent New Strains of Ug99 Stem Rust, a Deadly Wheat Pathogen", ScienceDaily, 28. Mai 2010
http://www.sciencedaily.com/releases/2010/05/100526134146.htm

2. Juni 2010