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AFRIKA/1972: Südafrika - Proteste gegen Standortwahl für neue Akws (SB)


Südafrika will innerhalb von zehn Jahren 20.000 Megawatt Kernenergie zusätzlich produzieren


In Südafrika werden zur Zeit Lederbälle über kurz geschorene Rasenflächen hin und hergeschossen, was vielstimmige Begeisterungsstürme auslöst. Aber wenn der Zauber um die Fußballweltmeisterschaft vorbei ist, bleibt das Land an der Südspitze des Kontinents weiterhin mit jenen Problemen konfrontiert, die auch vor dem Gekicke schon bestanden. Dazu gehören neben den krassen sozialen Unterschieden, die sich am deutlichsten an den Johannesburger Wellblech- und Holzpaletten-Townships auf der einen und den Gated Communities der weißen und schwarzen Elite auf der anderen Seite zeigen, auch ökologische Aspekte.

Eskom, der größte Energieversorger des Landes, hat zwar vor zwei Jahren aus finanziellen Gründen einen Bieterwettbewerb um den Bau eines neuen Kernkraftwerks abgebrochen [1], aber damit wurde kein genereller Ausstieg aus der Kernenergienutzung eingeläutet. So wird das Akw Koeberg nicht abgeschaltet, es deckt weiterhin rund fünf Prozent des elektrischen Energiebedarfs des industriell mit Abstand am weitesten entwickelten Subsaharastaates ab. Eskom erwägt den Bau von bis zu drei weiteren Atomkraftwerken, um auf eine Kapazität von später einmal 20.000 Megawatt aus Kernenergie zu kommen. In einem Entwurf zur Umweltfolgenabschätzung (environmental impact assessments - EIA) sind drei Standorte in die engere Wahl gekommen: Duynefontein beim Akw Koeberg in Western Cape, Bantamsklip nahe Pearly Beach in der Overberg-Region und Thuyspunt bei Jeffreys Bay in Eastern Cape.

Die Einwohner rund um den geplanten Akw-Standort Thuyspunt haben zu einer Demonstration für den 17. Juli aufgerufen. [2] Dazu hat sich die örtliche Bürgerinitiative Thuyspunt Alliance mit der Bürgerinitiative Billabong Pro, wo jährlich ein weltweit bekanntes Surfereignis stattfindet, zusammengetan. Die Akw-Gegner hoffen, daß an dem Tag ausreichend internationale Medienaufmerksamkeit vorhanden ist, um ihrer Demonstration mehr Gewicht zu verleihen. Der Weltmeister 2010 im Fußball wurde allerdings bis dahin ermittelt.

Die Supertubes Surfing Foundation zählt zu den Initiatoren des Widerstands gegen den Akw-Standort bei Jeffreys Bay, da die Surfer befürchten, daß die Bucht an Attraktivität verliert, sobald dort ein Kernkraftwerk gebaut wird. Das wird zwar vermutlich offiziell keine radioaktiven Substanzen ins Meer leiten, aber das gilt auch für Kernkraftwerkstandorte in anderen Weltregionen, mit dem Ergebnis, daß beispielsweise der Meeresboden in der Irischen See (in der Nähe der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield) so sehr radioaktiv angereichert ist, daß Kritiker unken, er sei mittlerweile abbauwürdig.

Ein einziger Störfall an der südafrikanischen Küste, bei dem radioaktive Substanzen ins Meer gelangen, wird genügen, daß die Surfer und Touristen ausbleiben - sofern diese überhaupt noch kommen werden angesichts eines Akws in ihrer Nähe. Ähnliche Bedenken äußern auch die Anwohner der beiden anderen Akw-Standorte.

Den Widerstand gegen den vorgesehenen Akw-Standort Thuyspunt auf das bloße Freitzeitvergnügen einer Handvoll rund um den Globus nomadisierender und miteinander wetteifernder Surfer oder bestenfalls noch das Interesse der örtlichen Tourismuswirtschaft zu reduzieren, wird der Sache nicht gerecht. In Thuyspunt gibt es einzigartige Feuchtgebiete, deren Ökosystem durch den Bau gefährdet ist. Außerdem warnt Prof. Richard Cowling von der Nelson Mandela Metropolitan University, daß man nicht nur auf die Folgen des Akw für die Umwelt, sondern auch umgekehrt auf die Folgen der Umwelt auf das Akw achten sollte. Denn die Dünen in der Region wanderten zwischen zehn und 40 Meter im Jahr. Das Akw würde sozusagen auf Sand gebaut. [3]

Der Ausbau der Kernenergie in Südafrika wird nicht nur die Gefahr eines Strahlenunfalls an den neuen Standorten erhöhen, sondern ebenso in der gesamten Kette der Infrastruktur, angefangen von der Anlieferung der Brennstäbe bis zur Entsorgung des Nuklearabfalls. Dieser wird zur Zeit in einem Lager in Vaalput sowie am Koeberg-Standort gehortet. Darüber hinaus verfügt auch das Kernforschungszentrum Pelindaba, das internationale Bekanntheit erlangte, nachdem dort am 8. November 2007 vier Bewaffnete bis in den Kontrollraum vorgedrungen waren, über radioaktives Material.

Südafrika sollte sich fragen, ob es in eine Energietechnologie investieren will, der auf absehbare Zeit der Brennstoff ausgeht. Die weltweiten Natururanvorkommen, die zu einem einigermaßen erschwinglichen Preis abbaubar sind, reichen beim gegenwärtigen Verbrauch noch um die 70 Jahre. Sollte es in der nächsten Zeit zu einer weltweiten Renaissance der Kernenergienutzung kommen, wovon zumindest ihre Anhänger träumen, müßte die Frist entsprechende verkürzt werden. Wohingegen der Nuklearabfall über Tausende von Jahren sicher gelagert werden müßte. Vielleicht wäre Südafrika besser beraten, wenn es in andere Methoden der Energiegewinnung investiert - womit nicht das Vorgehen der Weltbank gemeint ist, die ausgerechnet für ein neues Kohlekraftwerk in Südafrika einen Kredit in Höhe von 3,75 Mrd. Dollar gebilligt hat.


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Anmerkungen:

[1] Näheres dazu unter:

ATOM/333: Südafrika streicht Kernkraftwerkspläne (SB)

[2] http://nuclear-news.net/action/

[3] Nuke - 28. Juni 2010
http://www.dailytenders.co.za/Global/News/Article/Article.asp?ID=5803

1. Juli 2010