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AFRIKA/1981: Kann Biosprit für alle Beteiligten von Vorteil sein? (SB)


EU-Forscherin preist auf Agrarforschungswoche in Burkina Faso den Nutzen von Biosprit


Afrika hat etwas, das Europa nicht hat: Land. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es riesige Flächen, die vermeintlich ungenutzt sind und landwirtschaftlich erschlossen werden könnten, um Nahrung für die Bevölkerung sowie Biosprit für den heimischen Verbrauch und Export zu produzieren. So lautet das verheißungsvolle Resultat des vor kurzem auf der 5th African Agriculture Science Week in Burkina Faso veröffentlichten Reports "Mapping Food and Bioenergy in Africa". [1] Unter Berufung auf frühere Studien wurden die Erschließungsmöglichkeiten der Biospritproduktion in den Ländern Senegal, Mali, Tansania, Kenia, Sambia und Mosambik erfaßt und analysiert. Studienleiterin Dr. Rocio Diaz-Chavez vom Imperial College London erklärte: "Wenn man eine angemessene Politik betreibt und Maßnahmen durchführt und all die unterschiedlichen Beteiligten einbezieht, ist Bioenergie nicht nur kompatibel mit der Nahrungsproduktion, sie kann auch der Landwirtschaft Afrikas große Vorteile bringen." [2]

Diaz-Chavez hebt darauf ab, daß Investitionen in die Landwirtschaft und Infrastruktur zum Ausbau der Biospritproduktion das landwirtschaftliche Potential Afrikas freilegen und so die Nahrungsproduktion anregen könnten.

Das ist eine Wunschvorstellung, die von einem Ideal der politischen Entwicklung ausgeht - wenn man es wohlwollend formuliert. Etwas zugespitzter könnte man sagen, daß hier versucht wird, die europäischen Biospritinteressen durchzusetzen, und daß dabei dem Anschein nach auch die Bedürfnisse der afrikanischen Bevölkerung berücksichtigt werden. Frau Diaz-Chavez ist Mitglied eines weitverzweigten Netzes aus Forschung und Industrie auf dem Gebiet der Bioenergie. Ihr Arbeitgeber, das Imperial College London, wirbt mit seinen ausgezeichneten Kontakten zur Industrie und damit, daß es Partner von Wirtschaftsunternehmen ist. Diaz-Chavez hat am ersten Zertifizierungssystem Großbritanniens und der EU-Kommission für Biosprit mitgearbeitet und ist heute an den von der EU finanzierten Projekten Biocore, Eubionet und Global-BioPact sowie am britischen Projekt Supergen beteiligt. Supergen zählt wiederum BP, E.ON UK, RWE npower und andere Unternehmen zu seinen Partnern.

Es ist unstrittig, daß die Forscherin eine ausgewiesene Expertin auf ihrem Gebiet ist. Aber unstrittig bleibt ebenso, daß die Europäische Union und Großbritannien ein massives Interesse an der Verwertung afrikanischer Ressourcen haben. Wenn dem nur nachgekommen werden kann, indem man Begriffe wie "Nachhaltigkeit", "soziale Standards", etc. in die Debatte einbringt, dann wird das von den Beteiligten eben gemacht. Die EU hat Produktionsstandards für Biosprit aufgestellt, die den Raubbau besänftigen, aber nicht beheben.

Unklar bleibt im obigen Zitat, was genau Diaz-Chavez darunter versteht, wenn sie von "angemessenen" politischen Rahmenbedingungen spricht. Für wen angemessen? Etwa für die Dorfbewohner, die traditionell in die nahegelegenen Wälder gehen, um dort Früchte oder Feuerholz zu sammeln, und das nicht mehr können, weil der vermeintlich ungenutzte Wald in eine Plantage für Jatropha, Zuckerrohr oder Palmen umgewandelt wurde? Und was versteht Diaz-Chavez darunter, wenn sie die "unterschiedlichen" Beteiligten "einbeziehen" will? Ist es "einbezogen", wenn Dorfbewohnern das Land für einen Appel und ein Ei abgeluchst wird? Oder wenn, wie in Ghana geschehen, ein Chief unter vollmundigen Versprechen dazu verleitet wird, seine Unterschrift - den Daumenabdruck - unter einen Vertrag zu setzen, durch den die Nutzungsrechte einer riesigen Waldfläche in die Hände eines europäischen Investors gelangen?

Sicherlich hat Afrika ein enormes Potential zum Ausbau seiner Landwirtschaft. Das sollte erschlossen und genutzt werden ... aber um Nahrungspflanzen anzubauen! Darin sollten die Regierungen von Europa unterstützt werden, schließlich hat es keinen unwesentlichen Anteil daran, daß einst IWF und Weltbank durch die von ihnen verordneten Strukturanpassungsprogramme daran mitgewirkt haben, daß aus dem Nahrungsmittelexporteur Afrika ein -importeur wurde.

Die üppigen Deviseneinnahmen, die regelmäßig, so auch in der vorliegenden Studie, den afrikanischen Volkswirtschaften in Aussicht gestellt werden, wenn sie den Export ankurbeln - in diesem Fall von Biosprit -, bleiben erfahrungsgemäß entweder aus oder fließen in die Taschen weniger Begünstigter, die als Sachwalter der Plünderung afrikanischer Rohstoffe dienen.

Viele afrikanische Staaten müssen einen beträchtlichen Teil ihres Haushalts für den Import von fossilen Treibstoffen ausgeben, so daß die Aussicht, den Einfuhrdruck durch die heimische Produktion von Biosprit lindern zu können, attraktiv erscheint. Das Problem dabei ist nur, daß die EU nicht das primäre Anliegen verfolgt, den Hunger Afrikas nach Nahrung und den Durst nach fossilen Treibstoffen zu beheben, sondern daß ihr selber dürstet und sie deshalb versucht, es den afrikanischen Regierungen schmackhaft zu machen, die Biospritproduktion zu fördern.


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Anmerkungen:

[1] http://www.scribd.com/doc/34769971/Mapping-Food-and-Bioenergy-Africa-June-2010-Summary

[2] "Report finds bioenergy production can expand across Africa without displacing food", EurekaAlert, 23. Juli 2010
http://www.eurekalert.org/pub_releases/2010-07/bc-rfb072210.php

28. Juli 2010