Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/2005: Umfrage unter Kenias Bauern - Anbau von Jatropha unrentabel (SB)


Der Jatropha-Hype ist vorbei

Viele kenianischen Bauern haben sich wieder vom Anbau abgewandt


Eine Zeitlang galt die Prognose, daß das Maximum der weltweiten Erdölförderung in den nächsten Jahren unumkehrbar überschritten werde und das Volumen neuer Erdölfelder nicht mit dem Verbrauch dieses fossilen Energieträgers mithalten könne, als abwegig. Inzwischen stellen sich die Regierungen darauf ein, indem sie Ersatzstoffe für Erdöl und alternative Verbrennungstechnologien erforschen lassen. Eine Folge dieser Entwicklung ist das sogenannte "land grabbing" in Afrika. Zahlreiche Unternehmen und Staaten haben Kauf- oder Pachtverträge mit afrikanischen Partnern abgeschlossen, weil sie Pflanzen zur Herstellung von Agrosprit anbauen wollen. Mehr und mehr wird dafür der drei bis fünf Meter hohe Baum Jatropha curcas in Kultur genommen. Wurde er anfangs noch als "Wunderpflanze" und wahre Geldmaschine gepriesen, mit der faktisch aus dem Nichts hohe Einnahmen zu erwirtschaften seien, so ist mittlerweile Nüchternheit eingekehrt. Die Pflanze kann auf kargen Böden gedeihen, aber einigermaßen hohe Erträge der ölhaltigen Nüsse gibt es nur, wenn ihr genügend Wasser und Dünger zur Verfügung stehen. In der Praxis konkurriert der Anbau von Jatropha mit dem Anbau für Futter- und Nahrungsmittel.

Die Forscher Miyuki Iiyama, Fellow am World Agroforestry Centre, und James Onchieku, Forschungsleiter am Kenya Forestry Research Institute, haben kürzlich einen "reality check" des Jatropha-Anbaus in Kenia durchgeführt [1]. Die beiden haben sich bei den Erzeugern nach ihren Investitionen, Erträgen und Verdiensten erkundigt und sind zu dem Schluß gelangt, daß die Pflanze Jatropha "ökonomisch nicht rentabel ist, wenn sie von Kleinbauern angebaut wird". Das sei auf geringe Erträge, hohe Produktionskosten und einen Mangel an fachlicher Anleitung zurückzuführen.

Hunderte Bauern berichteten den Forschern von extrem geringen Ernten und unökonomisch hohen Produktionskosten. Viele Bauern hätten pro Kilogramm Saatgut zwischen 12 und 20 Dollar bezahlt, aber fast nichts zurückerhalten. Da sie nicht einmal Abnehmer für ihre geringe Ernte fanden, haben sich die Bauern von der Jatrophakultivierung abgewandt. Die beiden Forscher sprechen nur in einer einzigen Hinsicht eine Empfehlung aus, nämlich Jatropha als Hecke anzupflanzen, beispielsweise um Felder vor Tieren zu schützen, so wie es in Ostafrika schon seit Jahrhunderten nach der Einführung der ursprünglich aus Südamerika stammenden Pflanze getan werde.

Iiyama und Onchieku bestätigen, daß Jatropha faktisch überall gedeiht. Aber es gebe keine Garantie auf hohe Erträge, schreiben sie. Selbst unter idealen Bedingungen erfordere der Baum Pflege. So müsse er beschnitten werden, um die Zahl der blütentragenden Zweige zu erhöhen, und er benötige ausreichend Dünger und Wasser. Worüber bislang wenig berichtet wurde: Mehr als 75 Prozent der befragten Bauern gaben an, daß ihr Jatropha mindestens einmal im Jahr von Schädlingen befallen wurde; von Käfern, Milben und Pilzen ist die Rede. Die Forscher betonen, daß sich die Ergebnisse ihrer Studie aus Kenia weitgehend mit den Ergebnissen der globalen Studie der FAO/IFAD [2] decken.

Weder die positiven Effekte, die in Afrika mit Jatropha erzielt werden können, noch die hier am Beispiel Kenias geschilderten negativen Effekte lassen sich unüberprüft eins zu eins auf andere Regionen Afrikas übertragen. Auch könnten in Zukunft manche Mängel behoben werden, beispielsweise durch Aufklärungsarbeit, nach welcher Methode Jatropha am besten anzubauen ist. Darüber hinaus wäre es vorstellbar, daß Jatrophapflanzen weitergezüchtet werden, so daß sie für die jeweiligen Standorte geeigneter sind. Doch selbst wenn all diese begünstigenden Effekte einträten, blieben die Bauern vom Weltmarkt abhängig, was bedeutet, daß die Abnehmer, die erfahrungsgemäß am längeren Hebel sitzen, die Preise diktieren. Mit Jatropha und anderen Agrospritpflanzen verhält es sich ähnlich wie mit Grundnahrungsmitteln (Getreide, Nüsse, Obst, Gemüse, Blumen), die in afrikanischen Länder für den Export produziert werden. Es wurden schon einige Anstrengungen unternommen, aber bislang ist noch kein Land durch die Produktion dieser sogenannten "cash crops" schuldenfrei geworden und hat den Einwohner zu einem sorgenfreien Leben verholfen.


*


Anmerkungen:

[1] "Reality check for 'miracle' biofuel crop", 27. Oktober 2010
http://scidev.net/en/opinions/reality-check-for-miracle-biofuel-crop.html

[2] "Jatropha: A Smallholder Bioenergy Crop - The Potential for Pro-Poor Development", Integrated Crop Management Vol. 8-2010
http://www.fao.org/docrep/012/i1219e/i1219e.pdf

3. November 2010