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AFRIKA/2076: Tansanias neues GMO-Gesetz - Türöffner für Agrokonzerne? (SB)


Tansanisches Parlament verabschiedet Pflanzenschutzgesetz



Tansania schafft es bei weitem nicht, die eigene Bevölkerung von dem zu ernähren, was das Land hergibt. Etwa 75 Prozent des Getreidebedarfs wird durch Importe gedeckt. Da wirken die Verheißungen der GMO-Lobbyisten, also der Anhänger gentechnisch veränderter Pflanzen, überaus attraktiv: Deutlich höhere Erträge pro Hektar, Investitionssicherheit für die Anwender, weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, keine Verluste durch Schädlingsbefall, langfristige Entwicklung, wirtschaftliches Wachstum. Daß sich all diese Versprechungen nicht immer erfüllen und GM-Pflanzen Landwirte auch in den Ruin treiben können, steht auf einem anderen Blatt.

Trotz der Aufweichung eines strikten Verbreitungsverbots für GMOs zählt Tansania zu den afrikanischen Ländern mit den strengsten Sicherheitsvorschriften im Umgang mit der sogenannten Grünen Gentechnik. Vor kurzem hat die Nationalversammlung ein neues Gesetz durchgewunken, das den Umgang mit GMOs klarer als bisher regeln soll. Der Minister für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Kooperativen, Christopher Chizza, versicherte, daß sich Tansania nicht von seiner bisherigen Politik hinsichtlich des Umgangs mit GMOs abwenden werde.

Seit einigen Jahren gerät die Ernährungssicherheit der Einwohner Tansanias von verschiedenen Seiten unter Druck: Die hohen Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel seit 2007, 2008 haben viele Bewohner an den Rand des Nahrungsmangels oder darüber hinaus gebracht. Selbst vom Mittelstand wird berichtet, daß er sich ernährungstechnisch einschränken muß. Zugleich ändert jener Teil der Gesellschaft seine Essensgewohnheiten, der vom wirtschaftlichen Wachstum des Landes partizipiert und reicher wird.

Experten der FAO und anderer Organisationen gehen davon aus, daß das Wirtschaftswachstum nicht nur in den afrikanischen Ländern mit einem höheren Fleischkonsum einhergeht, sofern nicht seitens der Politik gegengesteuert wird. In die Fleischproduktion fließen aber größere Mengen Getreide, mit denen den Berechnungen zufolge eine größere Zahl an Menschen ernährt werden könnte als über den Umweg der Fleischerzeugung.

Darüber hinaus klopfen ausländische Konzerne regelmäßig an die Tür und wollen von der Regierung eine Genehmigung für die Pacht von Land, auf dem sie Pflanzen für den Export - entweder für die Nahrungsversorgung der eigenen Bevölkerung oder für die Produktion von Agrotreibstoff - anbauen können. Auch das erzeugt Druck auf die heimische Produktion der größtenteils kleinbäuerlich strukturierten Landwirtschaft.

Der Klimawandel macht auch vor Ostafrika nicht halt. Zwar findet er schleichend statt, man bekommt nicht richtig zu fassen, aber über einen Zeitraum von mehreren Jahren gerechnet dürfte die landwirtschaftliche Produktion aus klimatischen Gründen Schritt für Schritt abnehmen, sollten keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Zudem muß die tansanische Regierung wirtschaftlich abwägen, welche Folgen die Einführung der GMO-Technologie beispielsweise hinsichtlich eines daraufhin einsetzenden Verlustes des lukrativen Absatzmarktes Europäische Union hätte.

Am 5. November haben die Abgeordneten Tansanias das "Plant Breeders' Rights Act, 2012" verabschiedet. Dem sei eine hitzige Debatte unter den Parlamentariern vorausgegangen, die befürchteten, daß damit den gentechnisch veränderten Pflanzen Tür und Tor geöffnet werde, berichtete die Zeitung Tanzania Daily News [1].

Chizza begründete die Notwendigkeit des neuen Gesetzes damit, daß es das "Protection of New Plant Varieties (Plant Breeders' Rights) Act, 2002" ersetzen solle, da das alte Gesetz keine Anreize für Forscher vorsah, neue Sorten zu züchten. Auch würden die Forscher nun Lizenzen und Sortenschutz beanspruchen können. Das neue Gesetz sei kein Türöffner für GMOs, es gelte weiterhin das "Environmental Management Act, 2004", das eine Gefährdungshaftung (strict liability) hinsichtlich der Einführung von GMOs vorsähe. Das Gesetz bedeutet, daß die GMO-Importeure auch dann Kompensationszahlungen leisten müssen, sollte es zu Schädigungen oder Verlusten aufgrund von gentechnisch veränderten Pflanzensorten kommen, wenn kein Beweis erbracht werden kann, daß sie die Quelle der GMO-Kontamination sind.

Auch halte man an den Standards der International Union for the Protection of New Varieties of Plants (UPOV), der Internationalen Union zum Schutz neuer Pflanzenvarianten, fest, wie sie 2010 vom Parlament abgesegnet worden seien, so Chizza. Die Regierung betreibe in der Mikocheni-Region von Daressalam Forschungen an der Pflanzengentechnik, und wegen der Empfindlichkeit des Themas seien die Experten angehalten, keine "zweifelhaften Empfehlungen" auszusprechen. Die Regierung habe sich verpflichtet, die lokalen Saaten zu schützen. Man werde es nicht zulassen, daß sie durch ausländische Saaten ersetzt werden.

Dem würde sicherlich auch der Minister für Wasser und Bewässerung, Prof. Jumanne Maghembe, zustimmen. Allerdings sprach er sich Ende September beim Africa Green Revolution Forum (AGRF) in Arusha dafür aus, daß seine Regierung die GMO-Technologie intensiver erforscht, wie Tanzania Daily News berichtete [2].

Maghembe vertritt die Ansicht, daß GMOs einer der Wege sind, die Produktivität und den Wohlstand der afrikanischen Bauern zu erhöhen. Gerade angesichts der Unsicherheiten des Wetters sollte die negative Einstellung gegenüber der GMO-Technologie beendet werden. Die einheimischen Wissenschaftler forderte er dagegen auf, zu erforschen, ob GMOs von Vorteil für Tansania sein können. Der Minister findet durchaus Rückhalt innerhalb seiner Regierung. Die vertritt schon seit längerem den Standpunkt, es sei nützlich, gentechnisch veränderte Pflanzen erforschen zu lassen und die landwirtschaftlichen Strukturen zu modernisieren.

Ob das neue Gesetz zu einem Türöffner für GMOs wird oder ob ihnen dadurch ein Riegel vorgeschoben wird, wird wohl erst die Praxis zeigen. Allerdings dürfte es den Verdacht der Kritiker anregen, daß sich Landwirtschaftsminister Chizza nicht auf das neue Gesetz beruft und erklärt, daß es eine Verpflichtung zur "strict liability" enthalte, sondern auf ein Umweltgesetz aus dem Jahr 2004. Sollte es nun zu einem Widerspruch in den Interpretationen der verschiedenen Gesetze kommen, unter die theoretisch der Umgang mit GMOs fällt, stellt sich die Frage, welches am Ende als den anderen übergeordnet bewertet wird.


Fußnoten:

[1] "Tanzania: State Not Ready for GMOs - Minister", Tanzania Daily News, 7. November 2012
http://allafrica.com/stories/201211070167.html

[2] "Tanzania: Endless Debate On Gmos Must Come to an End", Tanzania Daily News, 2. Oktober 2012
http://allafrica.com/stories/201210021060.html

12. November 2012