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AFRIKA/2113: Peacekeeping - Befriedung von Konflikten, die man selbst mit ausgelöst hat? (SB)


US-Finanzmittel für schnelle Eingreiftruppe



Die USA wollen die Aufstellung einer schnellen Eingreiftruppe unterstützen, die Konflikte auf afrikanischem Boden beenden hilft. "Wir werden uns mit sechs Ländern, die in den letzten Jahren als Friedensbewahrer eine Erfolgsbilanz vorweisen können, zusammenschließen - Ghana, Senegal, Ruanda, Tansania, Äthiopien und Uganda", kündigte US-Präsident Barack Obama am Mittwoch zum Abschluß des Treffens mit 50 afrikanischen Staats- und Regierungschefs bzw. deren Vertretern in Washington auf einer Pressekonferenz an. [1]

Abgesehen davon, daß in dieser Erklärung ein Land nicht aufgezählt wird, nämlich ausgerechnet Südafrika, das sich, gemessen an seiner wirtschaftlichen Bedeutung, militärisch nach außen hin relativ zurückhaltend zeigt, aber durchaus an sogenannten friedenserhaltenden Maßnahmen in der DR Kongo und in der westsudanesischen Provinz Darfur beteiligt ist, ist in Obamas Aussage die Formulierung "in den letzten Jahren" bezeichnend. Denn die Hälfte der genannten Staaten trägt eine blutige Weste von den Machenschaften ihrer Armeen, schlimmer noch, mit Ruanda wurde sogar der Fuchs zum Aufpasser des Hühnerstalls ernannt. Seit rund siebzehn Jahren schürt das Land einen Konflikt in der benachbarten DR Kongo, der bis heute nicht beendet ist. Zwischenzeitlich wurde er auch als "Afrikanischer Weltkrieg" bezeichnet, weil neben Ruanda als zentraler Akteur oder Strippenzieher, der Stellvertreterarmeen vorgeschickt hat, noch weitere Staaten in die Kämpfe involviert waren.

Trotz klarer Aussagen mehrerer UN-Untersuchungsmissionen, die herausfanden, daß die ruandische Armee entweder direkt oder über Mittelsmänner ab Ende der 1990er Jahre die Bodenschätze im Ostkongo geplündert hat und für den Tod von Millionen Menschen mittel- oder unmittelbar die Mitverantwortung trägt, wurde das Land dafür nie zur Rechenschaft gezogen. Indem der US-Präsident Ruanda in die Liste der Staaten aufnimmt, die angeblich eine Erfolgsbilanz vorzuweisen haben, bezieht er sich vermutlich auch deshalb explizit auf "die letzten Jahre", weil er damit einen Schlußstrich unter die blutige Geschichte ziehen will, an der nicht zuletzt die USA beteiligt waren. Sie haben stets ihre schützende Hand über Ruanda und seinen Langzeitpräsidenten Paul Kagame, der in der militärischen Eliteakademie der United States Army in Fort Leavenworth ausgebildet wurde, gehalten. Erst in den letzten Jahren hat sich Ruanda an sogenannten Friedensmissionen unter anderem in der westsudanesischen Provinz Darfur beteiligt.

Mit Uganda befindet sich ein weiterer Aggressor des Afrikanischen Weltkriegs auf der Liste Obamas. Zeitweilig haben sich Uganda und Ruanda die Beute aus der Plünderung Ostkongos geteilt, wobei die beiden Räuber stets auch Konkurrenten waren und sich mitunter offen bekriegt haben. In beiden Phasen war die kongolesische Bevölkerung hauptbetroffen und mußte einen hohen Preis dafür bezahlen. Zur Zeit stellt Uganda mit 6.223 Soldaten (von insgesamt 22.160) das Hauptkontingent der African Union Mission in Somalia (AMISOM), die dort vor allem die Regierung gegenüber der islamisch-fundamentalistisch orientierten Organisation Al-Shabaab schützt.

Ein weiteres Land auf der Liste, das eine recht zweifelhafte Erfolgsgeschichte in Hinsicht auf friedenserhaltende Maßnahmen vorzuweisen hat, ist Äthiopien. Sein Militär ist schon mehrfach nach Somalia eingedrungen, hat ab 2006/2007 eine Zeitlang Mogadischu und weitere Landesteile besetzt und darüber hinaus in seiner von ethnischen Somaliern bewohnten Ogaden-Provinz schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen. 1998 trugen die hochgerüsteten Staaten Äthiopien und Eritrea gegeneinander den ersten Hightech-Krieg auf afrikanischem Boden aus.

Die Vereinigten Staaten wollen die Aufstellung einer permanenten schnellen Eingreiftruppe über die nächsten drei bis fünf Jahre mit jährlich 110 Mio. Dollar unterstützen. Obama hat andere Staaten eingeladen, sich an der Initiative zu beteiligen. Ist das nicht ein Affront gegenüber Südafrika? Vor wenigen Wochen kündigte Südafrikas Präsident Jacob Zuma, der die African Capacity for Immediate Response to Crises (ACIRC) Initiative vorangebracht hat, auf dem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Malabo, Äquatorial-Guinea, an, daß alle Staaten, die Soldaten für diese Krisenreaktionskräfte entsenden, im Oktober dieses Jahres bereit sein werden. Im Gespräch sind drei Brigaden, über die der Friedens- und Sicherheitsrat der AU, der AU Peace and Security Council, die Befehlsgewalt haben soll.

Inwiefern sich die Initiativen Zumas und Obamas auf die gleichen militärischen Strukturen beziehen, ist unklar, da die Ankündigung des US-Präsidenten noch sehr allgemein gehalten war. Es hat jedoch den Anschein, als wollten die USA ihren sowieso schon weitreichenden militärischen Einfluß auf die Sicherheitskräfte des Kontinents weiter ausbauen. Das wirft die Frage auf, ob so eine schnelle Eingreif- bzw. Krisenreaktionstruppe sich nicht in Abhängigkeit zu den USA begibt, obgleich doch die ursprüngliche Idee hinter dem Aufstellen dieser Truppe lautete, daß afrikanische Staaten ihre Probleme selbst lösen.

Nur einmal den theoretischen Fall angenommen, daß die AU beschließt, in einem bestimmten Konflikt militärisch nicht zu intervenieren, obgleich die USA zuvor eine der Konfliktparteien als Schurkenstaat ausgewiesen haben. Dann dürften die afrikanischen Staaten in einem Interessenkonflikt stecken. Ein anderer brisanter Fall, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, wäre, wenn die AU-Truppen intervenieren, obgleich es sich bei dem betreffenden Staat um einen Verbündeten der USA handelt.

Solche Widersprüche sind keineswegs rein theoretischer Natur, wie der Sudankonflikt zeigt. Im Jahr 2008 hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir einen Haftbefehl ausgestellt. Die USA erkennen zwar den IStGH nicht an, arbeiten in dieser Sache aber mit dem Den Haager Gericht zusammen und unterstützen seine Bemühungen. Doch einige afrikanische Staaten sind der Aufforderung, al-Bashir zu verhaften, nicht nachgekommen, obwohl sie das Römische Statut ratifiziert und somit die Kompetenz des IStGH anerkannt haben. In dieser Frage besteht somit ein deutlicher Interessengegensatz zwischen den USA und einer Reihe von afrikanischen Staaten. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine von den USA finanzierte schnelle Eingreiftruppe nicht fast schon zu einer Hilfstruppe Washingtons in Afrika gerät.

Problematisch ist das auch deshalb, weil die Konflikte zwar auf afrikanischem Boden ausgetragen, aber mitunter von außen initiiert werden. Zum Beispiel war der gewaltsame Sturz des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi unter anderem durch die NATO-Staaten USA, Frankreich und Großbritannien unmittelbarer Auslöser des Konflikts in Mali, der nun als Begründung dafür herhält, daß Afrika eine schnelle Eingreiftruppe braucht.

In Libyen hatten viele Tuareg gearbeitet oder standen in Diensten al-Gaddafis und mußten fliehen, als dessen Gegner mit Hilfe der NATO die Kontrolle erlangten. Verkürzt gesagt: Die Tuareg nahmen Waffen mit, die im Jahr darauf gegen die malischen Streitkräfte eingesetzt wurden, was Frankreich einen Interventionsvorwand lieferte, der letztlich dazu führte, daß es sich in Mali militärisch festsetzen konnte.

Wer das Anliegen ernsthaft verfolgt, bewaffnete Konflikte auf afrikanischem Boden zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu beenden, für den müßte das Aufstellen einer sogenannten Friedenstruppe gar nicht die erste Wahl sein. Wäre es nicht effektiver, wenn die USA (und andere Länder) aufhörten, Waffen zu produzieren und nach Afrika zu verschicken? Oder wenn sie nicht die afrikanischen Streitkräfte finanzierten? Oder, vermutlich noch wirksamer, wenn sie aufhörten, "regime changes" herbeizuführen und die afrikanischen Staaten nach ihren politischen Vorstellungen zu beeinflussen? Wenn sich niemand mehr mit solchen Initiativen, wie sie der US-Präsident angekündigt hat, in die inneren Angelegenheiten afrikanischer Staaten einmischte, würden die bewaffneten Konflikte sicherlich nicht beendet, aber in ihrer Tragweite geringer werden.

Dem widerspricht nicht, daß vermutlich die Mehrheit der afrikanischen Regierungen die Initiative der USA auf diesem Gebiet begrüßt, wurde doch die Afrikanische Union auch deswegen im Jahr 2002 gegründet, weil man die Nichteinmischungspolitik der Vorgängerinstitution OAU (Organisation für Afrikanische Einheit) als rückständig hinsichtlich der Anforderungen der heutigen Zeit betrachtete.


Fußnote:

[1] http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2014/08/06/remarks-president-press-conference-after-us-africa-leaders-summit

7. August 2014