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AFRIKA/2170: Kongo - Jagd auf die Reste ... (SB)



Die Demokratische Republik Kongo hat beschlossen, daß auch in Nationalparks nach Öl gebohrt werden darf. Davon sind unter anderem die vom Aussterben bedrohten Berggorillas im weithin bekannten Virunga-Nationalpark betroffen. Umweltschützer gehen davon aus, daß, wenn auf 21 Prozent der Fläche dieses Parks Ölfördermaßnahmen ergriffen werden, wie es geplant ist, dies auch die restlichen rund vier Fünftel schädigen wird. Ebenfalls betroffen von der Freigabe der Ölförderung ist eines der weltweit größten Regenwaldschutzgebiete, der Salonga-Park. Die Regierung Kongos erklärt, sie allein habe das Recht dazu, überall im Land solche Arbeiten zu genehmigen.

Die meisten Staaten weltweit haben einen ähnlichen Kurs wie Kongo eingeschlagen, nur wenige folgen dem von Klimaschützern angemahnten Verzicht auf die Förderung. 80 bis 90 Prozent der bekannten Lagerstätten an fossilen Energieträgern Erdöl, Erdgas und Kohle müssen in der Erde bleiben und dürfen nicht verbrannt werden, um die schon jetzt unabwendbaren klimatischen Veränderungen, die auf die Menschheit zukommen, zumindest abzumildern. Bis jetzt sieht es nicht so aus, als käme die Staatengemeinschaft in absehbarer Zeit dieser Forderung nach. Deutschland, die USA, Rußland, Polen und zahlreiche weitere Staaten setzen unverdrossen auf die klimaschädlichen Energieträger und werden mindestens in den nächsten zehn Jahren nicht davon abrücken. In diesem Zeitraum entscheidet sich jedoch das Schicksal des Planeten, denn was die Menschen heute noch an Treibhausgasen emittieren, hat Folgen, die weit ins nächste Jahrhundert hinein und darüber hinaus zu spüren sein werden. Die Meere versauern, die Gletscher schmelzen, die großen Eisschilde der Erde zerlegen sich. Insofern sollte man besser nicht von "Schicksal" sprechen, sondern von interessengeleiteten Entscheidungen, die globale Konsequenzen zeitigen.

Nun also auch noch das große, kleine Kongo-Kinshasa. Groß von der Fläche her, klein hinsichtlich des Handlungsspielraums seiner von Bürgerkrieg, Korruption, Haushaltslöchern und Schulden geprägten Regierung. In dem Land wird bereits kräftig Öl gefördert, die Nationalparks, die wegen ihrer einzigartigen Biodiversität als UNESCO-Welterbestätten eingeordnet sind, waren jedoch bislang davon verschont geblieben. Neu ist das Anliegen der kongolesischen Regierung jedoch nicht, schon vor einigen Jahren setzte das britische Unternehmen Soco International dazu an, im 1720 km² großen Virunga-Nationalpark nach Öl zu bohren, hat sich jedoch aufgrund massiver Proteste weltweit von dem Projekt zurückgezogen.

Der Nachbarstaat Uganda ist nicht so zimperlich. Die Regierung des Langzeitpräsidenten Yoweri Museveni läßt bereits Öl aus dem ugandischen Teil dieses 1925 gegründeten und damit ältesten afrikanischen Nationalparks fördern. Das bedeutet, daß der Lebensraum für Berggorillas, Waldelefanten, Okapis und zahlreiche andere Tierarten immer enger wird. Nun geht es auch noch den letzten Refugien an den Kragen. Einmal mehr erweist sich, wie bedeutungslos die Ausweisung einer Landschaft als Nationalpark ist, sobald übergeordnete Interessen ins Spiel kommen. Die Parks sind sozusagen eine Form der Vorratshaltung von Ressourcen. Solange man diese nicht anrührt, kann man den Eindruck erwecken, als wolle man aus einem tiefen inneren Anliegen heraus Flora, Fauna und ihr ganzes biotopisches Zusammenspiel bewahren. Faktisch werden jedoch nur die Rohstoffe so lange aufbewahrt, bis sie eines Tages gebraucht werden.

Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo argumentiert, sie habe das Recht, auf ihrem Staatsgebiet nach Erdöl bohren zu lassen. Das trifft zu. In dieser rechtebasierten Weltgesellschaft ihr das abzusprechen, würde den Verdacht nähren, man wolle in kolonialistischer Kontinuität bestimmen, was die Gesellschaften im globalen Süden zu tun und zu lassen haben.

Es gibt jedoch Alternativen. Man könnte in Anlehnung an das gescheiterte Vorhaben der früheren ecuadorianischen Regierung, das unter dem überaus artenreichen Yasuní-Nationalpark liegende Erdöl nicht zu fördern, sofern die Weltgemeinschaft bereit ist, dafür eine Entschädigung zu leisten, einen Klimaschutzfonds für eben solche Zwecke einrichten. Der Regierung der DR Kongo könnte ein Angebot unterbreitet werden, das Erdöl im Boden zu lassen, wenn sie für die entgangenen Einnahmen einen Ausgleich erhielte. Über die Form der Unterstützung ließe sich reden. Es könnte in Form einer Entschuldung, der Öffnung von Märkten des globalen Nordens oder anderer Maßnahmen erfolgen, so daß der kongolesischen Bevölkerung daraus keine Nachteile erwachsen.

Ein solcher Schritt könnte sogar Schule machen, die DR Kongo würde anderen als Vorbild dienen. Auf diese Weise entstünde vielleicht eine ganz andere Rohstoffkultur, bei der es sich lohnt, etwas im Boden zu lassen, anstatt es ans Tageslicht zu holen und in die industriellen Produktionsabläufe einzuspeisen. Doch wer hat daran ein Interesse? Etwa die deutsche Regierung? Sie hatte einst die Yasuní-Initiative maßgeblich unterstützt und ist dann davon abgesprungen. Zu innovativ war der Ansatz, für etwas zu bezahlen, was nicht abgebaut wird. Da zahlt man doch lieber ein Mehrfaches der damals vorgesehenen Summe, um die Klimafolgeschäden aus der fossilen Energiewirtschaft beheben zu dürfen ...

Auf diese Weise perpetuiert sich das kapitalistische Verwertungssystem, sichern sich dessen Profiteure ihre Vorteile bei der Jagd auf die letzten Rohstoffsourcen. Auf der Strecke bleibt dabei nicht nur der in zahlreichen Dokumentations- und Spielfilmen, wissenschaftlichen Abhandlungen und touristischen Digitalformaten verewigte Berggorilla, sondern auch einmal mehr die Chance, einen anderen Weg einzuschlagen als den der Permanentausbeutung von Mensch und Natur.

6. Juli 2018


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