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ASIEN/590: Geplanter Raketentest Nordkoreas sorgt für Aufregung (SB)


Geplanter Raketentest Nordkoreas sorgt für Aufregung

Amerikas Raketenabwehrbefürworter wittern ihre große Chance


Wie die Regierung in Pjöngjang die zuständigen internationalen Behörden informiert hat, plant Nordkorea einen Raketenstart, der zwischen dem 4. und dem 8 April über die Bühne gehen soll. Nach Angaben der Nordkoreaner soll die Rakete einen Kommunikationssatelliten ins All befördern. Angesichts des seit Monaten herrschenden Stillstands in den Gesprächen zur Beilegung des Streits um das nordkoreanische Atomprogramm sorgt der angekündigte Raketenstart in den dem Nordpazifik angrenzenden Ländern für Aufregung. Während China auf der diplomatischen Ebene versucht, Pjöngjang zur Rückkehr an den Verhandlungstisch zu bewegen, kommen aus Japan und den USA Drohungen.

Japan fühlt sich direkt betroffen, weil die geplante Flugbahn der Rakete nördlich der nordjapanischen Insel Hokkaido in Richtung Nordpazifik verläuft. Dort soll auch das Zusatztriebwerk ins Meer stürzen. Nach dem ersten und bisher einzigen nordkoreanischen Atomtest im Oktober 2006 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet, die Pjöngjang weitere Atom- und Raketentests verbietet. Sollte Nordkorea tatsächlich den für Anfang April geplanten Test durchführen, will Japan wirtschaftliche Sanktionen verhängen. Diese Drohung dürfte für Nordkorea, deren Wirtschaft nur wenig in das internationale Ökonomiessystem integriert ist, nur von geringer Belang sein.

Die USA, wo neokonservative Phantasten den nordkoreanischen Raketenstart zum drohenden atomaren Erstschlag hochstilisieren, drohen dagegen militärisch - wenn auch bisher nur indirekt. Weil man nicht ausschließen kann, daß die Rakete einen Atomsprengkopf anstelle eines Satelliten befördert, erwägt das Pentagon, handfeste Gegenmaßnahmen in Form des ersten Einsatzes des umstrittenen Raketenabwehrsystems zu ergreifen. Dies geht aus einem am 20. März erschienenen Artikel der Washington Post mit der Überschrift: "U.S. Could Hit N. Korean Missile, Says Commander".

In dem Artikel berichtete der langjährige Korrespondent Walter Pincus von Auftritt Admiral Timothy Keatings, des Oberbefehlshabers des US-Pazifikkommandos, Luftwaffengeneral Kevin Chiltons, des Chefs des für die US-Atomwaffen zuständigen Strategic Command, und Armeegeneral Walter Sharps, des Oberbefehlshabers der in Südkorea stationierten US-Streitkräfte 19. März vor dem Verteidigungsausschuß des Senats. Keating räumte ein, daß es sich bei dem geplanten Raketenflug angesichts der Einhaltung der vorgesehenen internationalen Meldeprozedur durch die Nordkoreaner vermutlich doch um den Transport eines Kommunikationssatelliten handelt. Gleichzeitig forderte er die Nordkoreaner zum Verzicht auf den Start auf und brachte die Möglichkeit eines Einsatzes des US-Raketenabwehrsystems ins Spiel.

Besagtes, pannengeplagtes System steht in letzter Zeit wegen seiner enormen Kosten - bislang mehr als 144 Milliarden Dollar - und der Aussicht, daß es niemals richtig funktionieren wird, in der Kritik. Angesichts der drohenden Verkürzung der Finanzierung des Systems kommt für dessen Befürworter im Militärestablishment und in der Rüstungsindustrie Amerikas der Raketenstart der Nordkoreaner höchst gelegen. Da Langstreckenraketen am einfachsten abzuschießen sind, wenn sie sich wegen ihrer schwere und Größe erst in der Beschleunigungsphase ihres Fluges befinden und die Höchstgeschwindigkeit noch nicht erreicht haben, ist die Aussage von Admiral Keating, wonach das US-Militär, sollte es den entsprechenden Befehl von Präsident Barack Obama erhalten, "mit hoher Wahrscheinlichkeit" die nordkoreanische Rakete gleich nach dem Start vom Himmel holen könnte, glaubwürdig. Welche Konsequenzen eine solche Aktion nach sich zöge, möchte man sich jedoch gar nicht ausmalen.

Nichtsdestotrotz setzte sich Keatings Kollege Chilton für ein solches Vorgehen ein. Gegenüber den Senatoren erklärte der Luftwaffengeneral, daß "selbst wenn es um ein Satellitenstart handelt" würde es Nordkorea helfen, "seine Technologie im Bereich der Langstreckenraketen weiterzuentwickeln". Dem stimmte Armeegeneral Sharp zu und erklärte, für die unter seinem Kommando stehenden Soldaten stellten die Raketen Nordkoreas "sehr wohl eine Bedrohung" dar. Am 9. April tagt in Pjöngjang die Oberste Volksversammlung Nordkoreas. Daß die Nordkoreaner bei dieser Gelegenheit die jüngste Wiederwahl Kim Jong-ils zu weiteren fünf Jahren als Staatsoberhaupt feiern wollen - unter anderem mit einem gelungenen Satellitenstart - liegt nahe. Folglich wären die Nachbarländer gut beraten, das geplante Ereignis nicht so hoch zu hängen und ihrerseits alles zu unternehmen, damit die Sechsparteiengespräche zwischen China, Japan, Nordkorea, Rußland, Südkorea und den USA wieder in Gang kommen.

21. März 2009