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ASIEN/626: Hillary Clinton läßt in Pakistan Taktgefühl vermissen (SB)


Hillary Clinton läßt in Pakistan Taktgefühl vermissen

US-Chefdiplomatin bemängelt Antiterroreinsatz der Pakistaner


Die erste Reise der neuen US-Außenministerin Hillary Clinton nach Pakistan stand unter keinem guten Stern. Zu diesen Umstand hatten die zunehmenden Raketenangriffe der CIA auf Ziele in den pakistanischen Grenzgebieten zu Afghanistan, die vielen Zivilisten das Leben kosten, der Streit um das Kerry-Lugar-Hilfspaket um 7,5 Milliarden Dollar, dessen Bedingungen von vielen Pakistanern als Angriff auf die Souveränität ihres Landes aufgefaßt werden, und die Kontroverse um den Bau einer riesigen neuen US-Botschaft in Islamabad sowie weiterer bunkerähnlichen Konsulaten in Lahore und Peshawar, die zu Tummelplätzen für amerikanische Geheimdienstler, Elitesoldaten und privaten Sicherheitsleuten zu werden drohen, beigetragen. Dazu kam die von Washington seit langem geforderte, Mitte Oktober angelaufene Offensive der pakistanischen Streitkräfte gegen Stellungen der Taliban und der Al Kaida in Südwasiristan. Hätte man erwartet, daß die ehemalige First Lady die passenden Worte finden würde, um die Gemüter der Pakistaner zu beruhigen, denen immer mehr Zweifel an Sinn und Zweck der Militärallianz mit den USA kommen, so hat man sich getäuscht. Das Gegenteil wurde der Fall.

Zwei Besonderheiten des Clinton-Besuchs machten das Ausmaß der Spannungen zwischen Islamabad und Washington deutlich. Das Auftakttreffen Clintons mit Präsident Ali Asif Zardari fand hinter verschlossenen Türen statt. Der Witwer Benazir Bhuttos, der als zu nachgiebig gegenüber den Wünschen der Amerikaner gilt, wollte sich offenbar nicht mit Barack Obamas Chefdiplomatin öffentlich zeigen. Hussein Haqqani, der Botschafter Pakistans in Washington, hatte die Außenministerin der USA - entgegen des üblichen Protokolls - bei der Reise nicht begleitet, weil er in seinem Heimatland wegen seiner eventuellen Rolle bei der Formulierung des umstrittenen Kerry-Lugar-Gesetzes des Kongresses seit Wochen in der Kritik steht. Clintons erster Tag in Pakistan, der 28. Oktober, stand voll unter dem Schatten des schweren Bombenanschlags, der sich nur zwei Stunden nach ihrer Ankunft in Islamabad in einer belebten Einkaufstraße in Peshawar, der Hauptstadt der Nordwestfrontierprovinz (NWFP), ereignete und mehr als 100 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, tötete. Während Clinton und alle pakistanischen Politiker den Anschlag verurteilten, bestritten Taliban und Al Kaida, etwas damit zu tun zu haben und behaupteten, sie legten keine Bomben auf Marktplätzen oder in Moscheen, sondern richteten ihre Gewalt ausschließlich gegen militärische Ziele.

Am zweiten Tag des Pakistan-Besuchs sorgte Clinton mit undiplomatischen Worten für einen schweren Eklat. Seit langem behaupten diverse US-Politiker und -Militärs, die Führung von Al Kaida und den Taliban verstecke sich in Nord- und Südwasiristan respektive Quetta, der Hauptstadt der Provinz Belutschistans. Wegen dieses Umstands hat Washington sogar gedroht, die per Drohne durchgeführten Raketenangriffe der CIA auf Belutschistan auszuweiten - eine Idee, die in Pakistan auf keine Zustimmung stößt. Als Clinton bei einem Treffen mit Journalisten in Lahore zum Thema des Aufenthaltsortes von Leuten wie Mullah Muhammed Omar, Osama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri angesprochen wurde, erklärte sie: "Mir fällt es schwer zu glauben, daß niemand in Ihrer Regierung weiß, wo sie sind, und sie sie nicht fassen könnten, wenn sie es wirklich wollten." In diesem Zusammenhang sprach Clinton von "Problemen, welche nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch andere mit Ihrer Regierung und mit Ihren Militär- und Sicherheitsapparat" hätten. In Pakistan, das mehr Soldaten im "Antiterrorkrieg" verloren hat als die USA selbst und wo viele Menschen Washingtons Kampf gegen Taliban und Al Kaida für ein Instrument zur Destabilisierung ihres Landes betrachten, löste die Äußerung Clintons helle Empörung aus. Gegenüber der Presse warfen nicht namentlich genannte Mitglieder der pakistanischen Regierung der US-Außenministerin "mangelndes Taktgefühl in großem Ausmaß" vor.

Am dritten und letzten Tag ihres Besuchs versuchte Clinton die Wogen zu glätten, indem sie behauptete, sie hätte mit ihren deutlichen Worten lediglich für einen offenen und ehrlichen Dialog zwischen den USA und Pakistan sorgen wollen. Die Behauptung strafte sie jedoch selbst bei einer Fernsehdiskussion mit pakistanischen Journalistinnen und einfachen Bürgerinnen Lügen. Auf die Frage, ob die CIA-Raketenangriffe im pakistanischen Grenzgebiet, die nicht nur nicht-verurteilte Terrorverdächtige, sondern auch unschuldige Zivilisten töteten, nicht genauso eine Form von "Terrorismus" wie der jüngste Anschlag in Peshawar seien, verneinte die ehemalige Senatorin von New York dies und weigerte sich kategorisch, irgendeine Aussage zu der von den USA im "Antiterrorkrieg" angewandten "Taktik oder Technologie" zu machen.

31. Oktober 2009