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ASIEN/683: USA bereiten umstrittenes Atomgeschäft mit Vietnam vor (SB)


USA bereiten umstrittenes Atomgeschäft mit Vietnam vor

Willkür Washingtons straft Anti-Proliferationspolitik der USA Lüge


Ein Bericht des Wall Street Journal vom 5. August über Verhandlungen zwischen Washington und Hanoi über den Bau von 14 amerikanischen Kernreaktoren in Vietnam in den kommenden 20 Jahren sorgt bei Diplomaten und Atomwaffengegnern für heftiges Kopfschütteln. Gerade die Angaben des Wall Street Journal, die Amerikaner verzichteten bei den Verhandlungen auf die Forderung, Vietnam dürfe die Anreicherung und Wiederaufarbeitung von Uran nicht betreiben, läßt Zweifel an deren Ernsthaftigkeit aufkommen, was die Nicht-Verbreitung von Atomwaffentechnologie betrifft. Vor allem in Peking dürfte das sich anbahnende, milliardenschwere Atomgeschäft zwischen Hanoi und Washington als plumper Versuch gesehen werden, Vietnam in die Containment-Strategie des Pentagons gegenüber der Volksrepublik China einzubinden. Bereits am 23. Juli hatte Barack Obamas Außenministerin Hillary Clinton die Volkschinesen mit der Erklärung in Rage versetzt, eine friedliche Beilegung des Streits zwischen China, Taiwan, den Philippinen, Brunei, Vietnam und Malaysia um die Spratly-Inselgruppe im Südchinesischen Meer, in deren Gewässern umfassende Öl- und Gasvorkommen vermutet werden, gehöre zu den "nationalen Interessen" der USA.

Als 2008 die Regierung George W. Bush mit Indien ein Abkommen über den Verkauf von Nukleartechnologie beschloß und es anschließend bei der internationalen Atomenergieagentur (IAEA) durchdrückte, löste dies Entsetzen aus. Schließlich ist Indien kein Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages und weigert sich bis heute, seine Kernanlagen von den Experten der IAEA kontrollieren zu lassen. Folglich gibt es keinerlei Garantie, daß die Geräte oder das Material, die bzw. das Indien demnächst von der zivilen US-Atomindustrie zur Verfügung gestellt bekommen soll, nicht irgendwann zu militärischen Zwecken benutzt werden bzw. wird. Dieser Umstand erklärt, warum auf dem jüngsten Treffen der Nuclear Suppliers Group (NSG) im Juni im Neuseeländischen Christchurch die Proteste der USA gegen den geplanten Bau zweier neuer chinesischer Kernreaktoren in Pakistan nicht besonders ernst genommen wurden.

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gilt die Verhinderung der Verbreitung der Nuklearwaffentechnologie als alles überragendes Prinzip der Sicherheitspolitik Washingtons. Angeblich um zu verhindern, daß "aus dem rauchenden Colt ein Atompilz" über einer amerikanischen Großstadt wird - wie es 2002 Condoleezza Rice, die damalige Nationale Sicherheitsberaterin von Bush jun., so plastisch formulierte - wurde 2003 Saddam Hussein gewaltsam gestürzt und der Irak erobert, und werden der Iran und Nordkorea mit Krieg bedroht und schweren Handelssanktionen belegt. Nach dem Einzug Barack Obamas ins Weiße Haus Anfang 2009 tritt Washington nicht nur weniger aggressiv-unilateralistisch auf, sondern offiziell für eine Welt ohne Atomwaffen ein. Doch das Verhalten der USA, vor allem ihr Festhalten am eigenen Kernwaffenarsenal, das auch unter Obama mit großem finanziellen und technischen Aufwand erneuert werden soll, läßt starke Zweifel am Bekenntnis Washingtons zu einer Menschheit, über die die Bedrohung der nuklearen Auslöschung nicht mehr hängt, aufkommen. Hinzu kommt die unterschiedliche Behandlung von Staaten, je nach Interessenslage.

In Jordanien hat man 2007 ein großes Vorkommen an Uranerz entdeckt und will deshalb die Kernkraft ausbauen. Weil Israel Nukleartechnologie in den Händen der Jordanier für eine inakzeptable Bedrohung hält, üben die USA massiven diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Amman aus, damit man sich dort verpflichtet, künftig auf die Anreicherung und Aufarbeitung des eigenen Urans zu verzichten und statt dessen teuere Brennelemente aus dem Ausland zu kaufen. Zu einer ähnlichen Verzichtserklärung haben die USA letztes Jahr die Vereinigten Arabischen Emirate erfolgreich gedrängt. Doch Jordanien, genauso wie der Iran, möchte sich nicht in seinen Rechten als Unterzeichnerstaat des Nichtverbreitungsvertrags beschneiden und sich als zweitklassiges Mitglied der Völkergemeinschaft behandeln lassen. Die Sonderkonditionen, die Washington Hanoi in Sachen Atomtechnologie offenbar einzuräumen bereit ist, nur weil eine Proliferationsgefahr in Vietnam hauptsächlich für die Volksrepublik China eine Bedrohung darstellen würde, dürften die Jordanier und Iraner in ihrer Position stärken.

7. August 2010