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ASIEN/764: Nordkoreanischer Raketentest gerät zum peinlichen Flop (SB)


Nordkoreanischer Raketentest gerät zum peinlichen Flop

Pjöngjang nach technologischem Mißerfolg unter Erwartungsdruck



Freitag, der 13., ist seinem Unglücksruf wieder gerecht geworden, nachdem am diesem Tag des Monats April 2012 der Start einer nordkoreanischen Unha-3-Rakete, die einen Wettersatelliten in die Erdumlaufbahn bringen sollte, kläglich gescheitert ist. Mit dem Raketenstart und der Aussetzung des Satelliten Kwangmyongsong-3 im All wollte Pjöngjang den Feierlichkeiten rund um den 100. Geburtstag des 1994‍ ‍verstorbenen nordkoreanischen Staatsgründers Kim Il-sung am 15. April besonderen Glanz verleihen. Darüber hinaus sollte die großangekündigte Aktion die technologischen Fähigkeiten des kommunistischen Staats unterstreichen und die Machtübergabe von Kim Il-sungs im letzten Dezember verstorbenen Sohn Kim Jong-il an seinen Enkel Kim Jong-un besiegeln. Aus diesem Grund hat Nordkorea den Raketenstart ungeachtet aller Proteste des Auslands durchgeführt und sich damit freiwillig ins diplomatische Abseits manövriert. Nun dürfte die Verhandlungsposition Nordkoreas gegenüber Südkorea, Japan und den USA durch den Mißerfolg des Unternehmens schwächer als vorher und Kim Jong-uns Amt an der Staatsspitze weniger gefestigt als geplant sein.

Tokio hatte den bevorstehenden nordkoreanischen Raketenstart sogleich als Vorwand für eine umfassende militärische Mobilmachung der japanischen "Selbstverteidigungskräfte" benutzt. Dadurch hat Japan einen großen Schritt in Richtung der von rechtsgerichteten Kreisen propagierten Aufhebung der von den USA auferlegten militärischen Selbstbeschränkung des Landes der aufgehenden Sonne nach dem Zweiten Weltkrieg getan. Sowohl Japan als auch Südkorea hatten amerikanische Raketenabwehrbatterien vom Typ Patriot Advanced Capability, auch PAC-3 genannt, in Stellung gebracht, um Nordkoreas Rakete, sollte sie sich doch als militärische Bedrohung herausstellen, oder größere herabfallende Stufen davon abzuschießen. Die USA, die mit Nordkorea am 29.‍ ‍Februar eine Vereinbarung über die Gewährung von Lebensmittelhilfen gegen eine erneute Kooperation Pjöngjangs mit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) getroffen hatten, haben die Umsetzung ihrer Seite der Abmachung bis auf weiteres ausgesetzt.

Die Nordkoreaner haben von Anfang an den Verdacht, es handele sich hier um ein militärisches Projekt, zurückgewiesen. Wenngleich eine Rakete, die einen Satelliten ins All befördern kann, natürlich auch als Langstreckenrakete mit einem Atomsprengkopf versehen werden kann, hat sich Nordkorea in diesem Fall für seine Verhältnisse um größtmögliche Transparenz bemüht. Ausländische Journalisten wurden zum ersten Mal ins ansonsten für Besucher abgesperrte Kontrollzentrum Sohae in der an die Volksrepublik China angrenzende Provinz Nord-Pyongan eingeladen, wo sie aus nächster Nähe Fotos vom Satelliten und der Rakete machen und Fragen zum Projekt stellen konnten. Pjöngjang hat zudem, gemäß dem üblichen Protokoll, den geplanten Flug der Rakete - entlang der Westküste der koreanischen Halbinsel, über Okinawa und Taiwan hinweg und an der Ostküste der philippinischen Hauptinsel Luzon vorbei - angemeldet, damit entsprechende Vorkehrungen im zivilen Luftverkehr getroffen werden konnten. Diese Route spricht für die Absicht, den Satelliten in eine polare Umlaufbahn um die Erde zu bringen.

Doch daraus wurde nichts. Ähnlich wie frühere Tests der Langstreckenrakete Taepodong-2 in den Jahren 2006 und 2009 hat auch die Unha-3 die Erwartungen der nordkoreanischen Ingenieure und Wissenschaftler nicht erfüllt. Ob das Scheitern des Starts darauf zurückzuführen ist, daß man diesen aus politisch-propagandistischen Gründen verfrüht durchgeführt hat? Man weiß es nicht, doch Spekulationen in diese Richtung gibt es in der westlichen Presse zuhauf. Jedenfalls brach die Rakete, die um 7 Uhr 39 Ortszeit von der Rampe abgehoben war, nach etwas mehr als einer Minute Flugzeit auseinander - womöglich im Moment der Trennung der ersten Stufe vom restlichen Flugkörper - und stürzte ins Gelbe Meer, rund 160 Kilometer westlich der südkoreanischen Hafenstadt Kunsan. Unmittelbar darauf nahmen die südkoreanischen Streitkräfte mit mehreren Kriegsschiffen und Aufklärungsflugzeugen die Suche nach Wrackteilen auf. In Nordkorea selbst dauerte es bis zum Mittag, bis die Behörden das Unglück meldeten. In einer Stellungnahme der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur hieß es knapp: "Der Erdbeobachtungssatellit hat die vorgesehene Umlaufbahn nicht erreicht. Wissenschaftler, Techniker und Experten suchen derzeit nach der Ursache des Versagens".

Nordkorea-Beobachter gehen davon aus, daß sich der 29jährige, in Sachen Staatsführung völlig unerfahrene Kim Jong-un von den Militaristen in Pjöngjang zu der Entscheidung, den Raketenstart vorzeitig durchzuführen, hat drängen lassen. In diesem Zusammenhang hat der Tokioter Militärkorrespondent Kosuke Takahashi am 13. April in der Asia Times Online unter Verweis auf Quellen im japanischen Geheimdienstsapparat die wichtigsten Berater Kims identifiziert. Es handelt sich dabei um den nordkoreanischen Armeechef Ri Yong-ho und die drei Raketenexperten Pak To-chun, Ju Kyu-chang und Paek Se-bong. Ri soll Kims Mentor an der Kim-Il-Sung-Militärakademie gewesen sein und ihm bei seiner Diplomarbeit "Raketensteuerung per GPS" zur Seite gestanden haben. Pak, Ju und Paek sind allesamt Wissenschaftler, die aufgrund ihrer Bedeutung für das nordkoreanische Raketenprogramm vor kurzem in den Generalsrang befördert wurden, behauptet Takahashi.

Für den Nachmittag des 13. April war auf Drängen der USA eine Sondersitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in New York geplant. Man ging davon aus, daß die Beratungen aufgrund der tendenziell pro-nordkoreanischen Haltung der UN-Vetomacht China zu einer Rüge, aber keiner Verurteilung Pjöngjangs führen würden. Das wäre vermutlich auch gut so, denn es ist nicht klug, zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen. Ohnehin besteht die Gefahr, daß die nordkoreanische Führung, um ihr Gesicht zu wahren und militärische Stärke zu demonstrieren, einen erneuten unterirdischen Atomtest durchführen könnte. In den vergangenen Tagen wollte die Presse Japans und Südkoreas entsprechende Vorkehrungen am nordkoreanischen Testgelände Punggye-ri nahe der Stadt Kilju in der nordöstlichen Provinz Harnkyung ausgemacht haben. Bekanntlich fand der zweite nordkoreanische Atombombentest im Mai 2009, einen Monat nach dem mißlungenen Start einer Taepodong-2-Rakete, statt.

13.‍ ‍April 2012