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ASIEN/765: Pakistan stellt Bedingungen für Abkommen mit den USA (SB)


Pakistan stellt Bedingungen für Abkommen mit den USA

Islamabad verlangt Einstellung aller CIA-Aktivitäten in Pakistan



Seit dem US-Luftangriff auf zwei pakistanische Grenzposten am 26. November 2011, der 24 Soldaten Pakistans das Leben kostete, herrscht zwischen Islamabad und Washington Mißstimmung. Bis heute weigern sich Pentagon und Weißes Haus, sich für den Vorfall zu entschuldigen, und behaupten, die US-Streitkräfte auf der afghanischen Seite der Grenze wären unter Beschuß geraten und hätten lediglich das Feuer erwidert bzw. Luftunterstützung angefordert. Dagegen beharrt die Militärführung in Rawalpindi auf ihrer Version, wonach die Amerikaner den Angriff rund eine Stunde fortsetzten, nachdem man sie per Telefon darauf aufmerksam gemacht hatte, daß sie keine Taliban-Kämpfer, sondern die eigenen Verbündeten zusammenschossen. Vor dem Hintergrund dieses Disputs hat das Parlament in Islamabad nach mehrwöchiger Beratung am 12.‍ ‍April erschwerte Bedingungen für die künftige Zusammenarbeit mit den USA vorgelegt.

Am Zustandekommen des 14 Punkte umfassenden Vertragsentwurfs haben Mitglieder aller Parteien aus beiden Parlamentshäusern mitgewirkt. Deshalb geht man davon aus, daß die vom Parliamentary Committee of National Security (PCNS) vorgeschlagenen Richtlinien einer künftigen Zusammenarbeit Pakistans mit den USA in den kommenden Tagen Gesetzeskraft erlangen werden. Ob Washington sie jedoch annimmt, ist eine andere Frage. Denn die Bedingungen, unter denen Islamabad die USA im sogenannten "globalen Antiterrorkrieg" zu unterstützen bereit ist, sehen ganz anders als diejenigen aus, die Pervez Musharraf in den Tagen nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 von der Regierung George W. Bushs quasi vorgeschrieben bekam. Laut Musharraf hat Richard Armitage, damals Stellvertretender Außenminister unter Colin Powell, die Drohung ausgesprochen, die USA würden Pakistan "in die Steinzeit zurückbombardieren", sollte sich Islamabad nicht von seinen Taliban-Verbündeten in Afghanistan lossagen und sich an der vermeintlichen Jagd nach Osama Bin Laden beteiligen.

Seitdem war Pakistan die wichtigste Handelsroute für Nachschub der NATO-Streitkräfte in Afghanistan. Das Arrangement fand jedoch nach besagtem Luftangriff auf die pakistanischen Grenzposten im vergangenen November ein jähes Ende. Seitdem sind die Grenzübergänge Pakistans nach Afghanistan für den Militärtransport der USA und ihrer NATO-Alliierten gesperrt. Das hat für die USA, die mit rund 100.000 von 130.000 Mann das größte ausländische Truppenkontingent in Afghanistan stellt, zu einer enormen Kostensteigerung geführt. Viele Güter, die früher nach der Landung im Seehafen von Karatschi über die Straße nach Afghanistan gelangten, müssen jetzt per Luftfracht dorthin befördert werden. Darüber hinaus mußten die USA Rußland um Hilfe bitten, worauf der Kreml den nördlichen Landweg für nicht-militärische Güter für die NATO-Truppen in Afghanistan freigemacht hat.

Nach dem vorgelegten Vertragsentwurf des Parlaments in Islamabad wird es erst zu einer Wiedereröffnung der pakistanischen Grenze nach Afghanistan für die NATO kommen, wenn sich die US-Regierung zur Einhaltung einer Reihe von Bedingungen schriftlich verpflichtet. Dazu gehört unter anderem: Drohnenangriffe der CIA auf Ziele in Pakistan müssen beendet werden; Mitarbeiter der CIA oder privater US-Sicherheitsunternehmen - man bedenke die letztjährige Affäre um Raymond Davis, der zwei Männer auf offener Straße in Lahore durch Pistolenschüsse hinrichtete - dürfen sich nicht in Pakistan betätigen; US-Streitkräfte dürfen mutmaßliche Taliban nicht über die Grenze nach Pakistan hinein verfolgen; eine formelle Entschuldigung für den Tod der 24 Grenzsoldaten muß geleistet werden; bei künftigen Militärtransporten durch Pakistan dürfen keine Waffen oder Munition dabei sein; die Sicherheit des pakistanischen Atomwaffenarsenals darf nicht kompromittiert werden, weshalb Islamabad mit Washington ein Sonderabkommen ähnlich demjenigen der USA mit Indien haben will.

Man darf gespannt sein, wie die Regierung Barack Obamas auf die Vorstellungen der pakistanischen Parlamentarier reagiert. Mehrere der aufgelisteten Bedingungen dürften aus Sicht Washingtons schwer bis gar nicht annehmbar sein. Folglich ist eine rasche Einigung nicht in Sicht. Zwar können beide Seiten vorerst mit der derzeitigen Situation leben, doch stehen eventuell drastische Veränderungen des strategischen Umfelds bevor. Derzeit drohen die USA Pakistans Nachbar Iran mit Krieg, sollte Teheran im sogenannten "Atomstreit" nicht einlenken. Deswegen drängt Außenministerin Hillary Clinton seit Wochen darauf, daß Pakistan auf den geplanten Bau einer Öl- und Gaspipeline aus dem Iran verzichtet. Zur Unterstützung der Forderung Washingtons hat vor wenigen Tagen das sunnitische Saudi-Arabien, das sich mit dem schiitischen Iran einen mörderischen Kampf um Einfluß im Nahen Osten liefert, angeboten, den Energiebedarf Pakistans zu den Bedingungen Teherans oder günstiger zu decken.

14.‍ ‍April 2012