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ASIEN/782: Japan droht damit, nordkoreanische Rakete abzuschießen (SB)


Japan droht damit, nordkoreanische Rakete abzuschießen

Nordkorea und der Westen spulen die üblichen Rituale ab



Nach der Ankündigung Nordkoreas vom 1. Dezember, zwischen dem 10. und dem 22. Dezember mit einer Rakete einen Satelliten in eine polare Erdumlaufbahn bringen zu wollen, ist die Aufregung groß. Am selben Tag hat Victoria Nuland, Sprecherin des US-Außenministeriums, den geplanten Raketenstart der Nordkoreaner als eine "hochprovokante Tat, die Frieden und Sicherheit in der Region [Ostasien - Anm. d. SB-Red.] bedroht", verurteilt. Ähnlich scharfe Kritik gab es seitens Südkoreas und Australiens. Am heftigsten reagierten jedoch die Japaner auf die Pläne Pjöngjangs. Premierminister Yoshihiko Noda ließ am 2. Dezember die Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzen und Patriot-Raketenabwehrbatterien der jüngsten Generation - PAC-3 - nach Okinawa verlegen. Noda drohte offen damit, die nordkoreanische Rakete abzuschießen, sollte sie sich japanischem Territorium nähern.

Die Teilmobilmachung der japanischen "Verteidigungskräfte" hat damit zu tun, daß dort am 16. Dezember Parlamentswahlen stattfinden. Aktuellen Umfragen zufolge droht die regierende, mittelinks ausgerichtete Demokratische Partei Japans (DPJ) eine schwere Niederlage gegen die eigentlich konservative Liberaldemokratische Partei (LDP). Militaristische Kreise um die LDP, allen voran der Ex-Bürgermeister von Tokio, Shintaro Ishihara, wollen Japan von seiner nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg von den USA auferlegten, pazifistischen Verfassung befreien, um an der Seite der Amerikaner den Polizisten im asiatischen Raum spielen zu können. Jene Kreise geben den Ton in der japanischen Außen- und Sicherheitspolitik an und haben im Sommer dafür gesorgt, daß es zum Streit mit der Volksrepublik China um den völkerrechtlichen Besitz der winzig kleinen Senkaku-Inseln, die zwischen Okinawa und Taiwan liegen, gekommen ist. Durch die Verlegung der Patriot-Abwehrraketen nach Okinawa will Noda offenbar dem politischen Gegner den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ob es seiner DJP bei der Wahl hilft ist jedoch fraglich. Dessen ungeachtet dürfte die Aufstockung der militärischen Kapazitäten Japans in und um Okinawa - und damit in direkter Nachbarschaft der Senkaku-Inseln - dem Oberkommando in Tokio als indirektes Signal an Peking gelegen kommen.

Auch Südkorea steht derzeit im Wahlkampffieber. Dort findet am 19. Dezember die Präsidentenwahl statt. Nach fünf Jahren der konservativen Regierung von Präsident Lee Myung-bak wollen die Liberalen mit Moon Jae-in wieder an die Macht kommen. Moon tritt für eine Abkehr vom bisherigen Konfrontationskurs Lees gegenüber Nordkorea und einer neuen Version der sogenannten Sonnenscheinpolitik des früheren Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Kim Dae-jung ein. Um seine Pläne zu verwirklichen muß Moon aber eine gefährliche Gegnerin schlagen. Kandidatin der Konservativen bei der Wahl ist Park Geun-hye, die nicht nur langjährige Parlamentsabgeordnete, sondern auch Tochter des früheren südkoreanischen Diktators Park Chung-hee ist. Als ihre Mutter, Yuk Soung-hoo, 1974 einem politischen Attentat zum Opfer fiel, übernahm Park Geun-hye fünf Jahre lang das Amt der südkoreanischen First Lady. Sie gilt mit Abstand als mächtigste Frau in der Politik Südkoreas.

Man kann davon ausgehen, daß die Nordkoreaner das Zeitfenster für den Raketenstart absichtlich so terminiert haben, daß er mit den Wahlen in Südkorea und Japan zusammenfällt, um damit größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Konkrete Auswirkungen auf den Urnengang in beiden Ländern - in welche Richtung auch immer - sind schwer voraussagbar. Dafür ist der Raketenstart für Nordkorea innenpolitisch von großer Bedeutung. Dort hat erst im Frühjahr Kim Jong-un, Sohn des Ende letzten Jahres verstorbenen Machthabers Kim Jong-il und Enkel des Staatsgründers Kim Il-sung, die Leitung des kommunistischen Zentralkomitees und das Oberkommando der Streitkräfte übernommen. Um den Generationswechsel würdig zu feiern, hatte Nordkorea am 13. April eine Rakete vom selben Typ, Unha-3, gestartet. Doch jene Rakete, die ebenfalls nach offiziellen Angaben einen Satelliten in einer Erdumlaufbahn aussetzen sollte, ist aus bis heute nicht geklärten Gründen nur wenige Minuten nach dem Start ins südchinesische Meer gestürzt.

Sollte die Mission diesmal gelingen, wären die Nordkoreaner, was die Raketentechnologie betrifft, ihren Brüdern im Süden voraus. Südkorea hat in den letzten Jahren kein besonderes Glück mit den Tests der eigenen, mit russischer Hilfe entwickelten Rakete Naro-1 gehabt. Beide Male ist die Rakete kurz nach dem Abheben von der Rampe am Raumbahnhof Naro abgestürzt. So oder so wirft die Aktion der Nordkoreaner die Frage auf, warum ihre Raketentests von Medien und Politik des Westens immer zur großen Bedrohung des Weltfriedens aufgebauscht werden, während dieselben Kräfte keine Notiz davon nehmen, wenn die Südkoreaner Raketen, die auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten, ins All zu schicken versuchen.

3. Dezember 2012