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ASIEN/841: Duterte schlägt Wellen im Südchinesischen Meer (SB)


Duterte schlägt Wellen im Südchinesischen Meer

Die Philippinen werden zum Spielball der USA und Chinas


Seit seinem Amtsantritt als 16. Präsident der 5. Republik der Philippinen am 30. Juni ist Rodrigo Duterte in den Schlagzeilen der nationalen und internationalen Berichterstattung präsent. Der ehemalige Bürgermeister von Davao auf der Insel Mindanao hat einen erbarmungslosen "Krieg" gegen Konsumenten und Verkäufer illegaler Rauschmittel eröffnet, der in den letzten neun Wochen rund 2500 Menschen durch außergerichtliche Hinrichtungen der Polizei und mit ihr kooperierenden Todesschwadronen das Leben gekostet hat. Des weiteren hat Duterte die philippinische Armee damit beauftragt, die islamistische Gruppierung Abu Sayyaf, die seit einem Vierteljahrhundert Mindanao und die anderen südlichen Inseln der Philippinen unsicher macht, dort Anschläge durchführt und Touristen verschleppt, endgültig zu "zerstören". Während die Mehrheit der philippinischen Bevölkerung das harte Durchgreifen ihres neuen Staatsoberhaupts begrüßt und als Einlösung seiner Wahlversprechen empfindet, sind Bürgerrechtler im In- und Ausland alarmiert.

Die Auswirkungen von Dutertes rabiater "Law-and-Order-Politik" sind nicht nur negativ. Aus Angst, als Angehörige der Drogenszene liquidiert zu werden, haben sich mehr als 100.000 Heroin- und Chrystal-Meth-Süchtige bei den Behörden gemeldet und eine Entziehungskur angetreten. Dafür häufen sich die Berichte, wonach Dutertes Killertrupps völlig unschuldige Menschen, Bettler zum Beispiel, erschießen, um ihre Erfolgsquote zu steigern. Während Duterte Friedensgespräche mit den maoistischen Rebellen eingeleitet hat, um deren jahrelangen Aufstand zu beenden und sie wieder in die Gesellschaft zu reintegrieren, eskaliert dafür der Konflikt mit den Islamisten. Am 2. September explodierte auf einem belebten Marktplatz in Davao eine Bombe, die 15 Menschen in den Tod riß und weitere 71 schwer verletzt zurückließ. Hinter der Tat wird die Daulat Ul Islamiya, eine Splittergruppe der Abu Sayyaf, vermutet.

Duterte sorgt nicht nur durch Handlungen, sondern auch durch beispiellos drastische Äußerungen weltweit für Schlagzeilen. Nachdem am 18. August UN-Experten in Genf das Vorgehen der philippinischen Polizei gegen mutmaßliche Drogenhändler und -nutzer kritisierten und Manila zur Einhaltung rechtsstaatlicher Standards ermahnten, drohte Duterte sein Land aus den Vereinten Nationen zu führen, die er unter Hinweis auf den anhalten Krieg in Syrien mit seinen Hunderttausenden Toten und Millionen von Flüchtlingen als "nutzlose" Organisation bezeichnete. Beim ASEAN-Gipfel in Vientiane, der Hauptstadt von Laos, ließ er am 6. September seiner Animosität gegenüber der Abu Sayyaf freien Lauf. Mit Blick auf den vorangegangenen Anschlag in seiner Heimatstadt Davao forderte er die Islamisten dazu auf, ruhig ihr Schlimmstes zu versuchen, und drohte ihnen: "Nur zu. Zündet eure Bomben. Die Zeit wird kommen, wenn ich euch vor dem Volk fressen werde. ... Ihr wißt, daß ich dazu fähig bin, einen Menschen zu essen. Ich werde den Körper aufreißen. Her mit dem Salz und Pfeffer! Ich werde euch aufessen."

Doch vor der Abreise nach Laos ist Duterte eindeutig über das Ziel hinausgeschossen, als er Barack Obama als "Hurensohn" bezeichnete und damit schwer beleidigte. Es ging Duterte auf der Pressekonferenz am 5. September auf dem Flughafen von Manila darum, daß der US-Staatsoberhaupt ihm bei ihrem geplanten Treffen am Rande des ASEAN-Gipfels in Vientiane nicht mit irgendwelchen Vorhaltungen in Sachen Menschenrechte kommen solle: "Ich bin Präsident eines souveränen Staates und wir sind lange keine Kolonie mehr. Ich habe mich gegenüber dem philippinischen Volk zu verantworten und sonst niemandem." Nach Bekanntwerden der schweren Entgleisung hat Obama die Verabredung mit Duterte prompt storniert. Nachdem sich Duterte jedoch nach seiner Ankunft in der laotischen Hauptstadt in aller Form entschuldigt hatte, kamen die beiden Amtskollegen am zweiten Tag des ASEAN-Gipfels am 7. September anläßlich der Aufnahme des obligatorischen Gruppenfotos doch noch zusammen und tauschten vor den Kameras irgendwelche Nettigkeiten aus.

Die Episode um die Beleidigung Obamas deutet auf das angespannte Verhältnis der Philippinen zu ihrem langjährigen Verbündeten und früheren Kolonialherrn USA hin. Washington will Manila unbedingt in seine Eindämmungspolitik gegenüber der Volksrepublik China integrieren. Die USA haben praktisch im Alleingang die Klage der Philippinen gegen die Gebietsansprüche Pekings im Südchinesischen Meer, die am 12. Juli vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag für Manila erfolgreich ausging, organisiert und finanziert. Als am 30. Juli Obamas Außenminister John Kerry Duterte in Manila besuchte und ihm 32 Millionen Dollar Finanzhilfe für seine Antidrogenkampagne versprach, waren vom ehemaligen Senator aus Massachusetts weder die üblichen Ermahnungen in Sachen Menschenrechte noch ein Wort des Tadels ob der Umtriebe der Todesschwadrone zu hören.

Mit der Nachsicht Washingtons war es jedoch schlagartig vorbei, als am 11. August der ehemalige philippinischen Präsident Fidel Ramos im Auftrag Dutertes nach Hongkong reiste, um mit den Vertretern Pekings einen Ausweg aus dem Streit um Fischerei- und sonstige Rechte im öl- und gasreichen Südchinesischen Meer zu suchen. Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem nicht das State Department, irgendeine amerikanische Nicht-Regierungsorganisation oder ein Medienkommentator mit dem Finger auf die faschistischen Methoden Dutertes im Antidrogenkampf zeigt. In Manila scheint die Botschaft aus Washington angekommen zu sein. Am 2. September, und damit im Vorfeld des ASEAN-Gipfels, hat der philippinische Außenminister Perfecto Yasay Pekings Botschafter Zhao Jinhua einbestellt, um sich über die Anwesenheit chinesischer Kriegsschiffe im Gebiet des Scarborough-Riffs, das von den Philippinen und der Volksrepublik gleichermaßen beansprucht wird, zu beschweren.

Auf dem ASEAN-Gipfel äußerte sich Chinas Vizeaußenminister Liu Zhenmin zuversichtlich, daß Peking und Manila ihre Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer zur Zufriedenheit beider Seiten in Kürze ausräumen würden. Da kann man so seine Zweifel haben. Am 7. September haben die USA die Übergabe zweier ausgemusterter Aufklärungsflugzeuge vom Typ Sherpa an die philippinische Marine angekündigt. Am Tag zuvor hatte Japans Premierminister Shinzo Abe beim Treffen mit Duterte auf dem ASEAN-Gipfel die Auslieferung von zwei größeren Patrouillenbooten und fünf Aufklärungsflugzeugen an die philippinische Marine vereinbart. Allen Bekenntnissen Dutertes zur Souveränität seines Landes zum Trotz dürfte es für die Philippinen sehr schwer bis unmöglich sein, sich aus der zuspitzenden Konfrontation zwischen den beiden Supermächten USA und China herauszuhalten.

8. September 2016


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