Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


ASIEN/879: ASEAN soll Streit um Südchinesisches Meer lösen (SB)


ASEAN soll Streit um Südchinesisches Meer lösen

China gibt sich zum Kompromiß mit Vietnam und den Philippinen bereit


In der ersten Novemberhälfte 2017 hat Donald Trump mit zwölf Tagen seine bisher längste Auslandsreise als US-Präsident unternommen, und zwar in Asien. Besucht wurden zunächst die Hauptstädte Japans, Südkoreas und Chinas. In Tokio, im Beisein von Premierminister Shinzo Abe, erklärte Trump, die USA würden noch lange die einzige Supermacht bleiben, dafür dürfte Japan an ihrer Seite die Rolle der Nummer 2 einnehmen. Hierzu paßt die unverblümte Aufforderung des New York Immobilienmagnats an das japanische Militär, sich ordentlich mit amerikanischem Kriegsgerät einzudecken. In Seoul drohte Trump Nordkorea erneut mit dem Atomkrieg, wenngleich der geplante Fototermin am schwerbewachten 38. Breitengrad sehr zur Verärgerung des Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte wegen Nebels abgeblasen werden mußte. Die Hubschrauber, mit denen er frühmorgens samt Pressetroß und unter größter Geheimhaltung dorthin aufgebrochen war, konnten nicht sicher landen.

Um dem narzisstischen Staatsgast aus den USA zu imponieren und zu schmeicheln, hat die Volksrepublik China um Trump ein ganz großes Theater gemacht. Im Beisein von Staatspräsident Xi Jinping durfte Trump einer von der Größe, Bewaffnung und Choreographie äußerst beeindruckenden Truppenparade auf dem Platz des Himmlischen Friedens beiwohnen und eine Rede in der Großen Halle des Volks halten. Als ganz besondere Ehre durften Trump und First Lady Melania mit dem Ehepaar Xi in der Verbotenen Stadt dinieren. Es war das erste Mal seit der Gründung der Volksrepublik im Jahre 1949, daß ein Staatsbankett in der einstigen Residenz der chinesischen Kaiser veranstaltet wurde.

Bei dieser Gelegenheit soll Xi nach Angaben des chinesischen Außenministeriums Trump gegenüber unmißverständlich erklärt haben, daß "Taiwan das wichtigste, sensibelste Kernthema der amerikanisch-chinesischen Beziehungen" sei; Auch äußerte er die Hoffnung, "daß sich die USA weiterhin penibel an die Ein-China-Politik halten werden". Nach der siegreichen Präsidentenwahl im November 2016, aber noch vor der Amtseinführung als Staatsoberhaupt im Januar, hatte Trump durch ein Telefonat mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen für heftige Irritationen in Peking gesorgt. Wenn es nach den Volkschinesen geht, soll so etwas niemals wieder passieren. Laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua soll sich Trump Xi gegenüber zur Einhaltung des Prinzips, das Taiwan zu China gehört, bekannt haben.

Danach ging es nach Vietnam. In der Küstenstadt Da Nang, der drittgrößten Metropole des Landes, wo die Vietnamesen den einst größten Militärstützpunkt der US-Streitkräfte zum internationalen Flughafen samt Messezentrum ausgebaut haben, nahm Trump an der Konferenz zur Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) teil. Anschließend flog er in die philippinische Hauptstadt Manila, um dem Treffen der Regierungschefs der ASEAN-Staaten - Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos Malaysia, Myanmar, den Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam - mit denjenigen Chinas, Japans und Südkoreas beizuwohnen. Bei beiden Treffen sprach sich Trump gegen multilaterale und für bilaterale Handelsverträge aus. Er lud die anwesenden Nationen zum "freien Handel" mit den USA ein, bedrohte sie gleichzeitig mit aggressiven Gegenmaßnahmen, sollte zu angeblich "unfairen" Mitteln wie staatlicher Industriepolitik gegriffen werden.

Sowohl in Da Nang als auch in Manila hat Trump vom "indo-pazifischen Traum" gesprochen. Der Begriff "Indo-Pacific" stammt aus dem Jahr 2011, als Hillary Clinton Außenministerin Barack Obamas war. Damit ist eine Militärallianz zwischen den USA, Japan, Australien und Indien zur Eindämmung Chinas gemeint. Am Rande des ASEAN-Plus-Three-Treffens (APT) in Manila haben ranghohe Vertreter des sogenannten "Quadrilateral", allen voran Trump, Abe sowie die Premierminister Australiens und Indiens, Malcolm Turnbull und Narendra Modi, Gespräche über Ausbau und Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit geführt. Am Ende gab das australische Außenministerium eine Erklärung heraus, mit der Canberra den Willen aller vier Staaten zur Durchsetzung erstens einer "auf Regeln basierenden Ordnung" - also gegen China - zweitens der "Navigationsfreiheit" - heißt zur Durchkreuzung der Gebietsansprüche Pekings im Südchinesischen Meer - sowie drittens der "maritimen Sicherheit" und der "Terrorismusbekämpfung", womit wenig verklausuliert die ungebetene Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten Südostasiens sowie ihrer Konflikte untereinander, siehe den Rohingya-Streit zwischen Myanmar und Bangladesch, unterstrich.

In den letzten Jahren hat der Streit um Seerechte, Hoheitsgewässer und Besitzansprüche im Südchinesischen Meer zu heftigen Streitereien geführt. Die sehr weitgehenden Gebietsansprüche Chinas gemäß der sogenannten Neun-Strich-Linie kollidieren vor allem mit denjenigen Vietnams und der Philippinen. Diese fühlen sich angesichts des stabsplanmäßigen Ausbaus verschiedener kleiner Atolle, Riffe und Inseln durch die Volksmarine um die eigenen Fischereigründe und Bodenschätze gebracht. Mit Hilfe Washingtons hat Manila gegen Peking wegen Nicht-Einhaltung des Internationalen Seerechtsabkommens geklagt und gewonnen. Doch die Chinesen, die sich geweigert haben, am Verfahren teilzunehmen, haben das Urteil nicht anerkannt. Darum hat sich Rodrigo Duterte, der 2016 gewählte Präsident der Philippinen, für einen Schmusekurs gegenüber Peking entschieden. Die Unterwerfung gegenüber der Volksrepublik hat sich ausgezahlt. Der Handel zwischen beiden Staaten floriert; Peking gibt sich in Seerechtsfragen wieder kompromißbereit.

Es liegt im Urinteresse Chinas, den USA keinen Anlaß zur Einmischung im Südchinesischen Meer zu geben. Damit es nicht bald wieder zu sogenannten Operationen der Navigationsfreiheit der US-Marine kommt und deren Schiffe nicht wie 2015 und 2016 innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone irgendwelcher chinesischen Eilande herumkreuzen, will Peking so schnell wie möglich seine Differenzen mit Hanoi und Manila beilegen. Im August haben sich China und die ASEAN-Staaten endlich auf die Ausarbeitung eines für alle Seiten verbindlichen Verhaltenskodex für das Südchinesische Meer geeinigt. Demnächst sollen die Verhandlungen über den genauen Wortlaut des Abkommens beginnen. Bei einem Auftritt auf dem Treffen ASEAN Plus Three am 14. November hat der chinesische Premierminister Li Keqiang die Wichtigkeit einer Verständigung mit den Nachbarstaaten hervorgehoben und auf eine rasche Ausarbeitung und Verabschiedung des Declaration of Conduct (DOC) of Parties in the South China Sea, die seit der ersten Absichtserklärung 2002 auf sich warten läßt, gedrängt.

17. November 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang