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ASIEN/885: Afghanistankrieg - US-strategisch ... (SB)


Afghanistankrieg - US-strategisch ...


Im Januar 2017 hat Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA mit dem Anspruch angetreten, die endlosen Kriege, die Amerika seit 2001 unter dem Vorwand eines globalen Antiterrorkampfs führt, zu beenden. Die Chancen, dem expansiven und extrem teuren Kurs des Pentagons Einhalt zu gebieten, erlitten den entscheidenden Rückschlag, als im Februar 2017 der neue Nationale Sicherheitsberater General a. D. Michael Flynn, ehemals Chef der Defense Intelligence Agency (DIA), der Trump im Strategiestreit mit den Geheimdiensten und der Militärführung beistehen sollte, unter fadenscheinigen Gründen zum Rücktritt gezwungen wurde. Dennoch weiß man unter anderem aus Michael Wolffs viel besprochenem Buch "Fire and Fury", daß sich Trump letztes Jahr energisch gegen die Pläne der Generalität zur Fortsetzung des Kriegs in Afghanistan zur Wehr gesetzt hat - vergeblich. Nach monatelanger Bearbeitung durch die vermeintlichen Experten hat der New York Immobilienmagnat im Herbst 2017 eine Truppenaufstockung von rund 5000 auf 15.000 Mann gebilligt.

Auch heute scheint Trump mit jener Entscheidung nicht ganz glücklich zu sein. Bei der Vorstellung seines Plans zur Generalüberholung der vernachlässigten und deshalb maroden zivilen Infrastruktur der USA am 12. Februar im Weißen Haus hat er mit einer Nebenbemerkung sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, daß die Unsummen an Geld, welche die Vorgängerregierungen George W. Bushs und Barack Obamas für Kriege in Nordafrika, im Nahen Osten und Zentralasien ausgegeben haben, besser im eigenen Land investiert gewesen wären. "Sieben Billionen Dollar. Was für ein Fehler. Aber es ist, was es ist." Allein wegen dieser Aussage hat der angesehene Militärhistoriker Andrew Bacevich, dessen eigener Sohn 2007 im Irak gefallen ist und der zu den schärfsten Kritikern des amerikanischen Militärimperiums gehört, in einem Gastkommentar für die liberale Tageszeitung Boston Globe Trump für seine "Offenheit" gelobt.

Dessen ungeachtet reißt die Gewaltorgie in Afghanistan nicht ab. Während Trump die Einsatzregeln für Bodenoperationen und Lufteinsätze gelockert hat und dadurch die Zahl der Drohnenangriffe auf "terroristische" Ziele in die Höhe schießt, drehen die Aufständischen an der Eskalationsspirale kräftig mit. Am 20. Januar hat ein Selbstmordkommando der Taliban das von ausländischen Diplomaten, Militärs, Geschäftsleuten und NGO-Mitarbeitern frequentierte Hotel Inter-Continental in Kabul angegriffen und sich ein 12stündiges Feuergefecht mit den afghanischen Sicherheitskräften geliefert, in dessen Verlauf 43 Menschen ums Leben kamen und weitere 22 verletzt wurden. Am 27. Januar haben die Taliban einen mit Sprengstoff gefüllten Krankenwagen an einem Straßenkontrollpunkt nahe des afghanischen Innenministeriums in Kabul in die Luft gejagt. Bei der infernalischen Explosion fanden 103 Menschen den Tod. Weitere 235 Personen erlitten schwere Verletzungen.

Vor diesem Hintergrund kann man über die jüngsten Äußerungen des obersten US-Militärs in Afghanistan, General John Nicholson, nur den Kopf schütteln. Laut Nicholson ist "die Wende eingeleitet", liegt "der Trend bei den afghanischen Sicherheitskräften. "Die Taliban können ... nicht gewinnen. Ich wiederhole, sie haben die Wahl, entweder in Irrelevanz zu leben oder zu sterben." Bedenkt man die Tatsachen, daß bereits 2017 das Pentagon die anhaltenden Verluste bei der afghanischen Armee und Polizei als "unhaltbar" bezeichnete und daß die Taliban und die anderen Rebellengruppen soviel Territorium in Afghanistan kontrollieren wie seit Anfang 2002 nicht mehr, dann klingen die Worte Nicholsons wie eine reine Durchhalteparole.

Am 9. Februar hat Rußland die USA bezichtigt, sein Angebot der Vermittlung direkter Gespräche mit den Taliban zu ignorieren. In einem offenen Brief an "das amerikanische Volk" haben am 14. Februar die Taliban ihre Vorstellung eines Wegs zur Beilegung des Krieges in Afghanistan dargelegt. Demnach sollen die USA und alle anderen Staaten ihre Truppen aus Afghanistan abziehen. Im Rahmen eines "friedlichen Dialogs" sollten dann die wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen in Afghanen die Möglichkeiten eines politischen Miteinanders ausloten. Die Taliban bekannten sich sowohl zur Schaffung eines afghanischen Staates, der alle Bürger gleich behandelt, als auch zum Recht von Frauen und Mädchen auf Schulbildung. Gleichzeitig warnten sie die USA, daß sie mit militärischer Gewalt selbst in 100 Jahren keinen Erfolg haben würden.

Angesichts der Pattsituation in Afghanistan, bei der keine der beiden Seiten die andere endgültig in die Knie zwingen kann, fragen sich viele Beobachter, was die USA mit dem Dauermilitärengagement am Hindukusch bezwecken. Nicht wenige Kenner der Lage, darunter der ehemalige Präsident Afghanistans, Hamid Karsai, halten den "Antiterrorkrieg" Amerikas für einen reinen Vorwand. In einem Interview mit der Washington Post sagte Karsai vor kurzem, die USA wären "nicht zum Feiern" nach Afghanistan gekommen. "Sie brauchen nicht so viele Basen zu bauen, nur um ein paar Taliban zu besiegen. Sie sind hier wegen der großen Rivalen Amerikas in der Nachbarschaft und nutzen zufällig unser Land."

Für den Verdacht, Washington verfolgt in Afghanistan vornehmlich geostrategische Ziele, spricht der Angriff, den die US-Luftwaffe am 9. Februar gegen Ausbildungslager der East Turkestan Islamic Movement in der nordostafghanischen Provinz Badachschan durchführte. Die ETIM, die mit Al Kaida sowie mit den afghanischen und pakistanischen Taliban verbündet ist, kämpft für die Unabhängigkeit Xinjiangs von der Volksrepublik China. Über die Luftangriffe ist wenig bekannt geworden. Weder Opferzahlen noch eine Begründung für die Operation hat es bislang gegeben. Man kann jedoch davon ausgehen, daß die Aktion die ETIM zu verstärkten Bemühungen anregen wird, die sich dann vor allem gegen chinesische Streitkräfte richten und für Instabilität in Xinjiang sorgen.

17. Februar 2018


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