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ASIEN/906: Koreakonflikt - Friedensbemühungen beargwöhnt ... (SB)


Koreakonflikt - Friedensbemühungen beargwöhnt ...


Das dritte Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter Nord- und Südkoreas, zwischen dem Staatsratsvorsitzendem Kim Jong-un und Präsident Moon Jae-in, vom 18. bis zum 20. September in Pjöngjang hat dem ins Stocken geratenen "Friedensprozeß" auf der koreanischen Halbinsel wieder Schub verliehen. Angesichts des permanenten Störfeuers aus den USA nehmen die Koreaner allmählich ihr Schicksal in die eigene Hand und legen die Grundsteine für die Wiedervereinigung von Nord und Süd. Wie Willy Brandt 1989 beim Fall der Berliner Mauer den Beginn der Überwindung der Teilung Deutschlands verkündete, soll auch in Ostasien das zusammenwachsen, was zusammengehört. Wenn dem nur nicht die Rivalität der beiden Supermächte China und USA im Wege stünde.

Ende August hatte US-Präsident Donald Trump die geplante vierte Reise seines Außenministers Mike Pompeo nach Pjöngjang gestrichen und die plötzliche Entscheidung mit mangelnden Fortschritten beim Abbau des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms begründet. Bei der historischen Begegnung Trumps mit Kim am 12. Juni in Singapur hatten sich beide Männer auf die "Denuklearisierung" der koreanischen Halbinsel verständigt, jedoch über den besten Weg dahin herrscht seitdem Uneinigkeit. Über den Sommer hatten die Nordkoreaner ihre Atom- und Raketentests eingestellt, das nukleare Testgelände in Punggye-ri versiegelt und den Betrieb sowohl auf dem Raketentestgelände in Sohai als auch im Montagewerk für Interkontinentalraketen nahe Pjöngjang eingestellt. Für die Amerikaner, die im Gegenzug lediglich ein gemeinsames Militärmanöver mit den südkoreanischen Streitkräften ausgesetzt hatten, war das alles aber nicht genug.

Wiederholt drängte Pompeo bei seinen Verhandlungen mit den Vertretern Pjöngjangs auf die rasche Aushändigung aller Atomsprengköpfe und verlangte eine komplette Auflistung allen Spaltmaterials im nordkoreanischen Besitz. Als sich die Norkoreaner schriftlich im Weißen Haus über die aus ihrer Sicht völlig überzogenen Forderungen beschwerten, riet der Nationale Sicherheitsberater John Bolton, dessen diplomatische Taktiken sich auf Drohen, Einschüchtern und Erpressen beschränken, Trump quasi zum Abbruch der Verhandlungen. Noch im August wurde die Blockadehaltung Washingtons deutlich, als das Oberkommando des US-Militärs an der Demilitarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad die Durchfahrt eines südkoreanischen Zugs, mit dem der Stand des nordkoreanischen Schienennetzes zwecks Baus einer Bahnverbindung zwischen Seoul, Pjöngjang und Sinuiju an der chinesischen Grenze getestet werden sollte, verbot. Bekanntlich will die Regierung in Seoul für 55 Milliarden Dollar neue Straßen- und Bahnverbindungen nach Nordkorea bauen und dort das Transportnetz auf den neuesten Stand bringen, um den Handel Südkoreas mit China, Rußland und den Ländern Zentralasiens anzukurbeln.

Nachdem Nordkorea letztes Jahr erfolgreich eine Wasserstoffbombe und eine Interkontinentalrakete getestet hat, will Kim nun sein Land wirtschaftlich modernisieren, braucht aber dafür nicht nur die Hilfe Südkoreas und Chinas, sondern auch die Zustimmung der USA. Deswegen bemüht sich Pjöngjang um eine Versöhnung mit Washington und umgarnt dabei den für Schmeicheleien offenbar stark anfälligen Trump. Mit Argwohn betrachtet die sicherheitspolitische Elite in den USA die diplomatischen Gehversuche des Ex-Immobilienhais, der sich selbst bekanntlich für den "Meister des Deals" hält.

Vor allem wehrt sich das US-Establishment gegen die Forderung Pjöngjangs nach einem formellen Friedensvertrag, um den seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindlichen Koreakrieg zu beenden, mit allen Mitteln. Die Imperialisten im Pentagon genauso bei wie der New York Times und der Washington Post befürchten, daß ein Friedensabkommen und die Wiedervereinigung Koreas zwangsläufig zum Abzug der 28.500 US-Soldaten auf der koreanischen Halbinsel - in Reichweite der chinesischen Hauptstadt Peking - führen müssen. Deshalb sträuben sie sich gegen alles, was auf die Aufgabe des amerikanischen Brückenkopfs auf dem asiatischen Kontinent hinauslaufen könnte. Im neuen Buch Bob Woodwards namens "Fear" beschreibt die Watergate-Legende eine Szene, in der Trump Verteidigungsminister James Mattis fragt, warum die USA überhaupt Soldaten in Südkorea stationiert haben müßten. Der Irakkriegsveteran antwortet, "um den Dritten Weltkrieg zu verhindern" - was natürlich kompletter Humbug ist, jedoch die ideologische Verblendung der US-Generalität demonstriert.

In Korea regt sich auf beiden Seiten der DMZ nach 65 Jahren der Trennung und der Konfrontation die Ungeduld mit den herrschenden Verhältnissen. Folglich haben nun Kim und Moon in Pjöngjang eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, welche die Entwicklung stark in Richtung Wiedervereinigung vorantreiben sollen. Hierzu gehören die Wiedereröffnung des Industrieparks Kaesong, die Einrichtung eines Verbindungsbüros, das rund um die Uhr von 40 Beamten, jeweils 20 aus Nord- und Südkorea, besetzt wird, der Abzug aller Streitkräfte und schweren Waffen vom 38. Breitengrad sowie das Verbot von Marinemanövern nahe der Seegrenze zwischen beiden Staaten sowohl im Gelben Meer als auch im Japanischen Meer. Bei der Sommerolympiade 2020 in Japan will man gemeinsam unter einer Fahne auftreten; zudem wollen sich Nord- und Südkorea gemeinsam um die Austragung der Sommerolympiade 2032 bewerben. Bei einer Rede vor 150.000 Menschen in der großen Mai-Halle in Pjöngjang bekannte sich am 19. September Moon zum Ziel der Wiedervereinigung Koreas und wurde dafür mit rauschendem Applaus bedacht.

In der gemeinsamen Erklärung von Kim und Moon erklärte sich Nordkorea zur Schließung und kompletten Demontage sowohl des Raketentestgeländes Tonchkhan-ni als auch des Atomreaktors Yongbyon unter Aufsicht internationaler Experten bereit. Kim stellte die Denuklearisierung Nordkoreas erneut in Aussicht, nannte diesmal erstmals ein konkretes Datum - bis Januar 2021, also noch vor dem Ende der ersten Amtszeit Trumps als US-Präsident. Der New Yorker Baumagnat reagierte erfreut auf die Nachrichten aus Pjöngjang und bezeichnete sie vor Journalisten als "sehr aufregend". In einer eigenen Stellungnahme gratulierte US-Außenminister Pompeo Kim und Moon zu den vielen Fortschritten und lud die Nordkoreaner zu Gesprächen mit seinem neuen Korea-Beauftragen Stephen Biegun zum frühestmöglichen Termin in Wien ein. Natürlich hatte Kim bei seinem Abrüstungsangebot auch entsprechendes Entgegenkommen seitens der Amerikaner verlangt. Dies dürfte nun der Hebel sein, mit dem die Sinophoben in Washington die Korea-Verhandlungen der Trump-Administration verschleppen und eventuell torpedieren werden.

20. September 2018


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