Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


ASIEN/937: Taiwan - Spannungen im Südchinesischen Meer wachsen an ... (SB)


Taiwan - Spannungen im Südchinesischen Meer wachsen an ...


Ungeachtet des unübersichtlichen Stands im laufenden Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik China nehmen die Spannungen zwischen Washington und Peking spürbar zu. Seit Monaten dauern nun schon die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong an, hinter denen die Volkschinesen nicht zu Unrecht Tarnorganisationen und Handlanger der CIA vermuten. Medien und Politik des Westens werfen der Zentralregierung in Peking seit Anfang des Jahres zudem vor, mit ihren Antiterrormaßnahmen im westchinesischen Xingjiang die muslimische Mehrheitsbevölkerung zu unterdrücken. Auch hinter den Umtrieben uigurisch-islamistischer Separatisten in Xingjiang sehen die Volkschinesen den US-Auslandsgeheimdienst am Werk. Nicht ohne Grund befürchten Moskau und Peking gleichermaßen, die USA wollten mittels Al Kaida und der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) den Dschihadismus von Afghanistan aus in die zentralasiatischen Nachbarstaaten Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan sowie in den Süden Rußlands und den Westen Chinas exportieren, um die ganze Region zu destabilisieren.

Gemäß der neuen National Defense Strategy (NDS) der USA von 2018, in der das Pentagon nicht mehr dem "globalen Antiterrorkrieg", sondern der Großmachtrivalität mit den "revisionistischen Mächten" China und Rußland oberste Priorität eingeräumt hatte, hat im Juni das Verteidigungsministerium in Arlington, Virginia, erstmals eine Abteilung eingerichtet, die sich mit einem einzigen Land befaßt - in diesem Fall ist es die Volksrepublik. Seitdem werden Präsident Donald Trump und seine wichtigsten Kabinettsmitglieder, Vizepräsident Mike Pence, Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper nicht müde, China wegen seiner Bevölkerungsgröße, seines wirtschaftlichen Erfolgs und technologischen Fortschritts zur größten Bedrohung des amerikanischen "way of life" sowie jener "regelbasierten Ordnung", deren Zentralachse die USA seit 1945 bilden, zu erklären.

Die entsprechende Antwort auf die Feindseligkeiten aus Washington lieferte China bei der großen Militärparade anläßlich der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestags der Gründung der Volksrepublik durch Mao Zedong. Gezeigt wurden erstmals unter anderem die neue chinesische Interkontinentalrakete DF-41, die eine Höchstgeschwindigkeit von 10.000 Kilometern in der Stunde erreichen kann, eine Reichweite von 15.000 Kilometern hat und mit zehn Atomsprengköpfen bestückt wird; die atomare, seegestützte, für den U-Boot-Einsatz gedachte ballistische Rakete JL-2; sowie die hochmoderne ebenfalls atomare Hyperschallwaffe DF-17, die in der ersten Stufe als ballistische Rakete startet, um danach als Hochgeschwindigkeitsgleiter, der Flugrichtung und -höhe beliebig verändern und damit jedes gängige Raketenabwehrsystem überwinden kann, zum Ziel zu gelangen. Alle drei genannten Waffensysteme haben die Testphase hinter sich und sind von der Volksarmee bereits in Betrieb genommen worden. Nicht umsonst hat der ehemalige UN-Waffeninspekteur im Irak Scott Ritter in einem bei Antiwar.com am 8. Oktober erschienenen Beitrag die Frage aufgeworfen, ob die Volksrepublik mit der beeindruckenden Waffenschau in Peking nicht "das Ende der Vorherrschaft der USA im pazifischen Raum eingeläutet" habe. Der ehemalige US-Marineinfanterist sprach von "spielverändernden Waffen, welche die Seemacht Amerikas neutralisieren" könnten.

Im Ringen um den diplomatischen und wirtschaftlichen Einfluß im pazifischen Raum gab es bereits im September für die USA zwei schwere Rückschläge, als die Solomoninseln und Kiribati ihre diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abbrachen, um die Volksrepublik als einzig legitime Vertreterin Chinas anzuerkennen. Peking hat die Entscheidung in beiden Fällen, welche Taipeh noch weiter isoliert, mittels umfangreicher wirtschaftlicher Förderprogramme quasi erkauft. Gegen die wirtschaftliche Zusammenarbeit Chinas mit den Solomoninseln laufen die USA inzwischen Sturm. In der New York Times wurden am 24. Oktober die Pläne eines chinesischen Konsortiums, auf der Hauptinsel Tulagi den Flughafen auszubauen sowie Hotels, Kasinos und Einkaufszentren zu errichten, als schwerer Anschlag auf die Weltordnung seit 1945 gedeutet, hatten doch im Pazifikkrieg gegen das kaiserliche Japan die Alliierten USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland auf Tulagi ihr militärisches Hauptquartier eingerichtet. Vier Tage zuvor hatte die einflußreichste Zeitung der Welt den Disney-Konzern bezichtigt, sich Peking unterworfen zu haben, weil im neuen Animationsstreifen "Abominable" über den sagenumwobenen Yeti für wenige Sekunden eine Karte mit der "Neun-Strich-Linie", mittels der China seine Territorialansprüche im Südchinesischen Meer begründet, zu sehen ist.

Nach wie vor bleibt Taiwan der größte Zankapfel zwischen China und den USA. Seit der Wahl zum US-Präsidenten Ende 2016 hat Trump wiederholt die Ein-China-Politik, Washingtons prinzipielle Anerkennung Taiwans als Teil Chinas, in Frage gestellt. Bereits im Juli hat die Entscheidung von Weißem Haus und Pentagon, der Regierung in Taipeh Waffen im Wert von 2,6 Milliarden Dollar zu verkaufen, die Führung in Peking maßlos verärgert. Deutliche Worte fand deshalb am 21. Oktober bei der Xiangshan-Militärtagung in Peking Verteidigungsminister Wei Fenghe. Dieser erklärte "die Lösung der Taiwan-Frage" und die Wiedervereinigung der Insel mit dem Festland zum "wichtigsten Interesse" Chinas. In einer indirekten, aber eindeutigen Botschaft an die Adresse Washingtons erklärte Wei zudem, die Wiederherstellung der Einheit Chinas sei eine "unvermeidliche" historische Entwicklung, die "keine Macht" auf Erden verhindern könne.

26. Oktober 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang