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EUROTREFF/005: Kläger fürs Volk - Anthony Coughlan im Gespräch (SB)


Interview mit dem EU-Skeptiker Anthony Coughlan

Chef der National Platform begründet seine Ablehnung des EU-Projekts


Anthony Coughlan, emeritierter Dozent für Sozialpolitik am altehrwürdigen Trinity College Dublin, gilt als führender EU-Skeptiker Irlands. Bereits in den sechziger und siebziger Jahren nahm er Stellung gegen eine Mitgliedschaft der Irischen Republik in der damaligen europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). In den achtziger Jahren unterstützte er die erfolgreiche Klage seines Mitstreiters Raymond Crotty gegen die geplante Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte durch das Dubliner Parlament. Jene historische Klage ist der Grund, warum seitdem das irische Volk über jedes neues EU-Abkommen - so auch zum zweiten Mal über den Lissabon-Vertrag am kommenden 2. Oktober - abstimmen muß. Vor allem über die verfassungsrechtlichen Aspekte des EU-Reformvertrags sprach der Schattenblick mit Anthony Coughlan am 28. Juli in seiner Wohnung im Dubliner Stadtteil Drumcondra.

Anthony Couglan

SB: Mr. Coughlan, könnten Sie uns Ihre Gründe darlegen, warum Sie gegen den Beitritt Irlands zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahre 1973 waren?

AC: Von Beginn an hatte ich die Sorge, daß dieses Projekt den Versuch darstellt - vorangetrieben von den deutschen und französischen Regierungseliten -, einen Großteil Westeuropas in eine Art überstaatliche Föderation zu verwandeln. Jean Monnet, der im allgemeinen als einer der Gründungsväter der Europäischen Union betrachtet wird, macht in seinen Memoiren recht deutlich, daß dieses Ziel, so wie er und seine Kollegen das Projekt auffaßten, ein Kernelement bildete. Robert Schuman, der damalige französische Außenminister, sprach in seiner berühmten Erklärung von 1950, die zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) führte und an die jetzt jedes Jahr am 9. Mai mit dem Europatag erinnert wird, von dem "ersten Schritt in die Föderation Europa".

Diese Absicht, verschiedene Staaten in West- und Mitteleuropa in Richtung einer überstaatlichen Föderation zu drängen, gab es von Anfang an, und sie gipfelt in politisch-juristischer Hinsicht nun in der EU-Verfassung, die als Vertrag von Lissabon neu verpackt wurde. Mir war dieser politische Impuls von seiten Deutschlands und Frankreichs sowie den Schlüsseleliten der Nachbarstaaten immer bewußt, und ich war vom demokratischen Standpunkt her stets dagegen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin für die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa und für den freien Handel, aber dieser Versuch, einen Quasi-Superstaat zu gründen, ist in sich undemokratisch und wird zwangsläufig enorme Demokratieprobleme aufwerfen. Das zeigt der Verlauf der Ereignisse und auch die Tatsache, daß viele Menschen in den unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten nicht glücklich darüber sind, wie sich die Dinge entwickeln. Ich persönlich bin der Auffassung, daß sie zu weit gegangen sind, wie tatsächlich auch das deutsche Bundesverfassungsgericht kürzlich in einem Urteil feststellte.

SB: Sie waren gegen den Beitritt Irlands zu der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Wären Sie damit zufrieden gewesen, wenn es bei einer Gemeinschaft zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit geblieben wäre?

AC: Ja. Grundsätzlich meine ich, daß freier Handel eine vernünftige Übereinkunft darstellt, aber die Europäische Union oder die Europäische Gemeinschaft, wie es damals hieß, hatte von Anfang an überstaatliche Aspekte. Es gab die Möglichkeit, den Mitgliedstaaten und ihren Bürgern europäisches Recht von oben aufzuzwingen. Das an sich wirft schon fundamentale demokratische Fragen in Hinsicht darauf auf, wer die Gesetze macht und wie sie zustandekommen. Als die EWG ursprünglich gegründet wurde, beschränkte sich die legislative Zuständigkeit der Gemeinschaft recht eng auf den landwirtschaftlich-industriellen Bereich, der an sich allerdings schon beträchtlich ist. Seitdem haben alle Nachfolgeverträge, besonders die seit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1987, der Europäischen Gemeinschaft/Union mehr und mehr Befugnisse erteilt, ihre Zuständigkeiten enorm erweitert und sie zu einer politischen Einheit mit einer eigenen Verfassung in Form des Vertrags von Lissabon umgewandelt.

SB: Im Verein mit Raymond Crotty haben Ihre Bemühungen dazu geführt, daß in Irland zu jeder Verfassungsänderung ein Referendum stattfinden muß. Können Sie uns ein wenig erzählen, wie das zustandekam?

AC: Nun ja, ich kann mir die Tatsache, daß wir jetzt in Irland ein Referendum über den Lissabon-Vertrag abhalten und Referenden über frühere europäische Verträge hatten, in gewissem Maße als Verdienst anrechnen. 1986 stimmten die Regierungschefs der Einführung der Einheitlichen Europäischen Akte zu, die uns den Einheitlichen Binnenmarkt bescherte, und die damalige irische Regierung wollte diesen Vertrag durch ein einfaches Mehrheitsvotum im Dáil [Unterhaus des irischen Parlaments] und im Seanad [Senat] absegnen lassen. Crotty, ich und ein paar andere meinten, dies sei nicht verfassungsgemäß und mit einer Preisgabe von Souveränität in neuen Bereichen an die Brüsseler Institutionen verbunden. Crotty erreichte beim High Court eine einstweilige Verfügung, die den irischen Staat daran hinderte, die Einheitliche Europäische Akte zu ratifizieren, die in allen anderen EG-Staaten Ende 1986 schon verabschiedet worden war. Im Frühling 1987 endete Crottys Fall mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs in Dublin: "Ja, Herr Crotty hat Recht, mit diesem Vertrag ist eine Preisgabe von Souveränität an die Europäischen Institutionen verbunden. Laut der irischen Verfassung liegt die Souveränität bei der irischen Bevölkerung, und aus diesem Grund kann nur sie allein diese Souveränität abgeben, wenn sie in einem Referendum gefragt wird." Das Prinzip, das der Oberste Gerichtshof damit festgelegt hat, ist der Grund für die Referenden über die unterschiedlichen EU-Verträge, die seitdem stattgefunden haben.

SB: Gefragt als jemand, der von vornherein gegen den Beitritt Irlands zur EWG gewesen ist, würden Sie sagen, daß die irische Mitgliedschaft in der EWG/EU im ganzen negativ war, oder gibt es positive Aspekte, die Sie anerkennen würden?

AC: Es war ein komplexer Prozeß, der sich über 36 Jahre erstreckt hat, in dessen Verlauf Irland viele Vorteile erwachsen sind. Auch wenn ich für den freien Handel bin, kann ich nicht leugnen, daß die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) irischen Bauern eine Menge zusätzliches Geld eingebracht hat und positive Auswirkungen auf die irische Zahlungsbilanz hatte, während sie zur gleichen Zeit international eine Menge Probleme geschaffen hat, insbesondere in der Dritten Welt. Irland war einer der Hauptprofiteure der GAP, weil wir uns als wichtiger Exporteur von Agrarprodukten hohe Lebensmittelpreise wünschen, während Länder wie Großbritannien, die Lebensmittelimporteure sind, niedrige Preise wünschen. Nach dieser relativ enggefaßten, ökonomischen Rechnung hat das ländliche Irland von der EG/EU-Mitgliedschaft ganz allgemein profitiert. Zur gleichen Zeit haben andere Sektoren Verluste gemacht. Unsere Fischereiindustrie hat sehr unter den EU-Regelungen und der Überfischung unserer Bestände durch die Flotten der größeren Mitgliedstaaten wie Spanien gelitten.

Seitdem wir 1973 der EG beigetreten sind, hat sich die ursprüngliche Freihandelszone mit dem damit verbundenen geschützten Agrarsektor erheblich verändert - am offenkundigsten durch die Einführung einer eigenen Währung 1999, die jetzt 16 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union benutzen. Ich persönlich halte die Währungsgemeinschaft für eine sehr schlechte Idee. Während das vielleicht passend sein mag für Länder, die sich auf demselben Entwicklungsstand befinden und eine gemeinsame Währung haben wollen, um die Kontrolle über Zinsen und Wechselkurse abzugeben, ist es ganz sicher nicht angebracht für Länder mit sehr unterschiedlichen ökonomischen Gegebenheiten. In den vergangenen Jahren ist recht deutlich geworden, daß die Zinspolitik, die für alle gelten soll, auf einige Länder paßt und auf andere nicht. Die Republik Irland treibt zwei Drittel ihres Handels mit Ländern außerhalb der Eurozone. In dieser Hinsicht steht sie unter den 16 Mitgliedern der Eurozone ziemlich allein da. Alle anderen Länder der Eurozone treiben den meisten Handel untereinander.

Als die damalige Regierung von Taoiseach [Premierminister] Bertie Ahern für uns beschlossen hat, der Eurozone beizutreten, ging sie davon aus, daß Tony Blair ein, zwei Jahre später mit Britannien beitreten würde. Aber die Briten sind dem Euro nicht beigetreten und scheinen auch nicht die Absicht zu haben, das Pfund Sterling in voraussehbarer Zukunft aufzugeben, was bedeutet, daß Irland nun auf der Währung einer Region festsitzt, mit der es nur ein Drittel seines Handels abwickelt. Und da das Pfund Sterling fällt, und da der Dollar, weil Barack Obama und seine Regierung überall Geld hinstreuen, in den kommenden Jahren im Verhältnis zum Euro höchstwahrscheinlich an Wert verliert, wird das die irische Wirtschaft erheblich in Mitleidenschaft ziehen.

Im Grundsatz ist der Euro ein politisches Projekt, das den Integrationsprozeß zwischen Frankreich und Deutschland fördern und französische Vorbehalte gegenüber der deutschen Wiedervereinigung nach dem Fall der Berliner Mauer überwinden soll. Als Ökonom war ich ganz dagegen, daß wir den Euro einführen, weil ich es für unsere wirtschaftlichen Verhältnisse nicht angemessen fand. Ich schlage damit nicht vor, daß Irland jetzt versuchen sollte, die eigene Währung wieder einzuführen, aber ich glaube, daß einige Länder zur gegebenen Zeit die Eurozone verlassen werden und daß das erhebliche Probleme verursachen wird. Jetzt gibt es den Lissabon-Vertrag, der der EU die verfassungsmäßige Form eines Staates verleiht. Das unterscheidet sich alles ziemlich von der ursprünglichen EWG, der Irland, Britannien und Dänemark vor 36 Jahren beigetreten sind.

SB: Im Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschaftskrise ist eines der Hauptargumente in Irland, das die Befürworter einer Ratifizierung des Lissabon-Vertrages vorbringen, daß die EU das Land aus seiner wirtschaftlichen Misere befreien wird und daß die Iren Glück haben, in der Eurozone zu sein, weil sie sich im anderen Falle in einer noch schlimmeren Lage befinden würden als der momentanen. Dabei wird oft der Vergleich mit Island gebracht. Auf der anderen Seite haben eine ganze Reihe von Ökonomen darauf hingewiesen, daß die Zentralbank in Dublin, wäre Irland gar nicht erst in der Eurozone gewesen, die Möglichkeit gehabt hätte, die Leitzinsen zu erhöhen, um die Luft aus der Inflationsblase, insbesondere im Bereich des irischen Immobilienmarktes, zu lassen. Kürzlich wurde darüber hinaus in den Medien angeführt, daß die großen irischen Banken - Allied Irish Bank, Bank of Ireland, Anglo Irish Bank etc. - aufgrund der Mitgliedschaft in der Eurozone Zugang zu wesentlich höheren Krediten hatten und deshalb ein viel größeres finanzielles Risiko eingehen konnten, als wenn Irland noch die eigene Währung gehabt hätte. Könnten Sie als Ökonom darauf eingehen?

AC: Also wir sind jetzt seit zehn Jahren in der Eurozone. Als wir ihr beigetreten sind, haben wir einen Leitzins übernommen, der für uns vollkommen unpassend war. Zur der Zeit, als die neue Währung 1999 eingeführt wurde, lagen die Zinsen in der Eurozone im Interesse Frankreichs und Deutschlands, die unter einer Rezession litten und ihre Wirtschaft ankurbeln mußten, ziemlich niedrig. Im Gegensatz dazu waren wir zu dem Zeitpunkt mitten in einem Boom und hätten gut einen höheren Zinssatz gebrauchen können, um den Inflationsdruck zu senken. Statt dessen wurden unsere Zinssätze aufgrund unseres Beitritts zur Eurozone halbiert, was die irische Wirtschaft überhitzte und teilweise für das exzessive Kreditgeschäft und den aufgeblähten irischen Immobilienmarkt verantwortlich war. Jetzt sitzen wir damit fest, und ich schlage nicht vor, daß wir die Eurozone verlassen - das Leben ist schwierig genug -, aber so sind wir den ungünstigen Wechselkursen gegenüber unseren wichtigsten Handelspartnern, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigen Staaten von Amerika, ausgeliefert. Ein Vorteil für die Briten ist, daß sie ihre eigene Währung behalten haben. Ein Drittel unseres Handels wickeln wir mit dem Vereinigten Königreich ab, und in jüngster Zeit ist das Pfund Sterling im Verhältnis zum Euro ziemlich gefallen. Deshalb fahren viele Leute aus der Republik Irland über die Grenze in den Norden, um einzukaufen, weil die Waren dort erheblich billiger sind.

Wenn, wie viele bekannte Ökonomen erwarten, der Dollar in den kommenden Jahren an Wert verliert, wird das Irland sehr hart treffen. Seit 2001 ist die irische Wirtschaft kaum noch wettbewerbsfähig, und da wir weder unsere Zinssätze noch unseren Wechselkurs ändern können, besteht der einzige Weg, die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, in der Senkung von Löhnen, Preisen, Profiten und Pensionen. Das geschieht bereits mit raschen Schritten, aber unglücklicherweise besteht die Gefahr, daß wir uns nach drei, vier oder fünf Jahren, in denen wir unserer Gesellschaft extreme wirtschaftlichen Härten abverlangen, um die Kosten zu senken, mit der Tatsache konfrontiert sehen könnten, daß der Euro ins Unermeßliche steigt, während der Dollar in den Keller fällt, und wir wieder am Ausgangspunkt angelangt sind - und andere Länder mit uns. Das könnte sehr wohl passieren und hängt davon ab, wie sich die aktuelle Wirtschaftskrise entwickelt. Aber es besteht kein Zweifel daran, daß der Beitritt zum Euro, den Britannien nicht mitmachte, ein sehr nachteiliger Schritt für den irischen Staat gewesen ist.

SB: Und die Frage zur Rolle der Europäischen Zentralbank, die es zuließ, daß die irischen Banken diese Schuldenberge angehäuft haben?

AC: Ja, also das stimmt wahrscheinlich, aber die Europäische Zentralbank ist, soweit ich weiß, nicht ermächtigt, im einzelnen die Kontrolle über die Kreditpolitik der nationalen Zentralbanken auszuüben. Sie stellt das Geld zur Verfügung, gibt aber keine ausdrücklichen Regeln und Bedingungen vor, was die Ausgabe von Krediten betrifft. Es überrascht nicht, daß jetzt über die Einführung solcher Kontrollen gesprochen wird. Die Vorstellung, daß die Iren irgendwie von der Europäischen Zentralbank oder von den Deutschen gerettet werden könnten, ist lächerlich. Kanzlerin Angela Merkel hat ziemlich deutlich gemacht, daß die deutsche Wirtschaft selbst in genug Schwierigkeiten steckt und nicht in der Lage ist, anderen Ländern da herauszuhelfen. Man geht davon aus, daß die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um drei bis vier Prozent sinken wird. Laut einer aktuellen Meinungsumfrage in Deutschland sind die Bürger nicht allzu begeistert von dem Gedanken, Mittel, die sie brauchen, um mit den eigenen Wirtschaftsproblemen fertigzuwerden, irgendwie nach Irland zu schaffen. Es ist nichts in dem Vertrag von Lissabon vorgesehen, das eine solche Maßnahme fordert oder das sie in die Wege leiten würde.

Was meiner Meinung nach durch die ganze aktuelle Wirtschaftskrise auf jeden Fall klar wird, ist die Bedeutung der eigenen Währung für ein Land, das darüber eine gewisse Kontrolle über den Zinssatz oder den Wechselkurs hat. Das zeigt sich sehr deutlich im Vereinigten Königreich. Die Briten mögen auch ihre Probleme haben, aber wenigstens haben sie ihre eigene Währung. Und was Island betrifft: Aus den letzten Nachrichten, die ich gehört habe, geht hervor, daß sich die Wirtschaft dort erheblich zu erholen beginnt, eine Tatsache, die dadurch unterstützt wird, daß sie ihre eigene Währung haben.

Anthony Couglan

SB: Sie waren früher Mitglied einer Gruppe namens Irish Sovereignty Movement. Jetzt sind Sie die führende Persönlichkeit hinter einer Organisation mit Namen National Platform. Ist der Wechsel des Namens ein Indikator für den Verlust an irischer Souveränität in den letzten Jahren?

AC: Nicht wirklich. Ich war im Verlauf der Jahre an einer Reihe von Gruppen beteiligt, die hauptsächlich versucht haben, Informationen über EU-Angelegenheiten und EU-Verträge, sowie sie anstanden, zu vermitteln, und im Verlaufe dieser Arbeit hat es Namenswechsel gegeben. In der Irish Sovereignty Movement waren wir auch noch ziemlich mit der Nordirlandfrage befaßt, aber das ist nicht länger unser Hauptinteresse. Über zwanzig Jahre lang konzentrieren wir uns nun auf die EU und die Frage der Souveränität - nicht nur die Irlands, sondern auch die der anderen EU-Staaten -, weil es hier um eine drastische Verringerung nationaler Demokratie und nationaler Unabhängigkeit geht, während die Amtsgewalt von den einzelnen Nationalstaaten, in denen sie noch einem gewissen Ausmaß öffentlicher Kontrolle unterliegt, auf die europäischen Institutionen übertragen wird. Aus unserer Sicht verursacht die Europäische Union nicht allein für Irland und die kleineren Mitgliedstaaten ein nationales Problem, sondern auch für Länder wie Deutschland, Frankreich, Britannien, Spanien und Italien, die eine imperialistische Tradition haben und in der Vergangenheit Zwang auf andere ausübten. Ungeachtet der Größe des Landes wird die Demokratie über ganz Europa hinweg vom EU-Projekt untergraben. Deshalb werden sich die Franzosen, Deutschen, Briten, Italiener, Slowaken, Slowenen, Griechen und so weiter, je genauer sie herausfinden, was dieses ganze europäische Integrationsprojekt nach sich zieht, dagegen stellen, und ich meine, daß sie schon damit angefangen haben.

SB: Könnten Sie als Experte auf diesem Gebiet vielleicht einmal den qualitativen Unterschied zwischen der Bedrohung deutlich machen, die der Lissabon-Vertrag für die Souveränität Irlands und der anderen Mitgliedstaaten darstellt, und der Gefahr, die zuvor von Maastricht, Amsterdam, Nizza und anderen Verträgen ausging?

AC: Der Vertrag von Lissabon ist die in eine andere Form gebrachte, aufgemöbelte EU-Verfassung. Es ist eine politische Union - über die vorherige Wirtschaftsunion hinaus. Die Wirtschaftsunion gründete auf dem ursprünglichen Vertrag von Rom, der ein freies Handelssystem festlegte und der von der Einheitlichen Europäischen Akte ergänzt wurde, die den Binnenmarkt festlegte und verschiedene allgemeine Regelungen, die die Spezifikation von Waren, den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital, Arbeit und so weiter betrafen. Aber seit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 hat es eine Reihe von Nachfolgeverträgen gegeben, unter anderem die von Amsterdam und Maastricht, wobei letzterer der Europäischen Union die eigene Währung verschafft hat. Und wie der frühere Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, meinte: "Die zwei Säulen des Nationalstaates sind das Schwert" - sprich: eine Armee - "und die Währung". Die Einführung des Euro in 16 von 27 Mitgliedstaaten war also - alle anderen, abgesehen von Dänemark und Schweden, sind dazu verpflichtet, noch beizutreten - ein riesiger Schritt auf dem Weg, die EU in einen Quasistaat mit eigener Zentralbank, eigener Zinsrate, eigenem Wechselkurs und so weiter zu verwandeln. Dann kam die EU-Verfassung, die 2005 von den Franzosen und den Dänen per Referendum abgelehnt wurde. Sie ist als Vertrag von Lissabon neu aufpoliert worden und rechtlich gesehen zu 96 Prozent dasselbe.

Die Europäische Verfassung alias Lissabon-Vertrag bewirkt die Abschaffung der ursprünglichen Europäischen Gemeinschaft, die mit dem Vertrag von Rom 1957 gegründet wurde. Die Machtbefugnisse der Institution, die ursprünglich als Europäische Gemeinschaft bekannt war, werden dann auf ein neues Rechtsgebilde namens Europäische Union übertragen. Mit anderen Worten: Der Vertrag von Lissabon schafft eine verfassungsmäßig neue Union, die zum ersten Mal gesondert von ihren Mitgliedstaaten und ihnen gegenüber höhergestellt ist. Was wir zur Zeit Europäische Union nennen, geht zurück auf den Vertrag von Maastricht 1992 und ist nichts von den Mitgliedstaaten Getrenntes. Es ist ein Kollektiv von Mitgliedstaaten, das auf der Europäischen Gemeinschaft basiert. Die neue Europäische Union, die mit Hilfe des Lissabon-Vertrages aus der Taufe gehoben wird, wird den gleichen Namen tragen, wird aber rechtlich gesehen gesondert von seinen Mitgliedstaaten existieren und ihnen höhergestellt sein - etwas, das in verfassungsrechtlicher Hinsicht von enormer Bedeutung ist.

Zudem macht der Vertrag von Lissabon erstmals die rund 500 Millionen Menschen der 27 Mitgliedstaaten real zu Bürgern dieser neuen Union. Der Maastricht-Vertrag, der 1993 in Kraft trat, machte die Menschen mit dem Konzept einer Europäischen Union und einer EU-Staatsbürgerschaft vertraut, aber nichts davon hatte vom rechtlichen Status her wirkliche Konsequenzen, weil die EU bis jetzt nicht als juristische Person existiert hat. Der Vertrag von Lissabon wird ihr zum ersten Mal eine eigene juristische Persönlichkeit verleihen, mit eigenen Rechten, getrennt von ihren Mitgliedstaaten. Gleichzeitig führte der Vertrag von Maastricht die Vorstellung der EU-Staatsbürgerschaft als Ergänzung zur nationalen Staatsbürgerschaft ein. Aber man kann nur Staatsbürger eines Staates sein, und weil die EU das nicht war und nicht ist, war und ist eine sogenannte ergänzende EU-Staatsbürgerschaft rechtlich gesehen bedeutungslos. Aber das verändert sich alles mit Lissabon. Der Begriff "ergänzend" ist gestrichen und wurde durch "zusätzlich zu" ersetzt.

Der Vertrag von Lissabon gibt also wie zuvor die EU-Verfassung, auf der er basiert, jedem eine zusätzliche reale EU-Staatsbürgerschaft. Die nationalen Staatsbürgerschaften bleiben bestehen, und so haben die Menschen dann zwei Staatsbürgerschaften. Es wird sich nicht um eine doppelte Staatsbürgerschaft zweier verschiedener Staaten handeln, sondern eher um die Staatsbürgerschaft auf der föderativen und der regionalen oder Provinzebene eines einzigen Staates - genau wie man in der Bundesrepublik Deutschland Bürger Bayerns oder Brandenburgs sowie Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland oder in den Vereinigten Staaten Bürger New Yorks oder Texas' sowie gleichzeitig der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Das, womit wir es bei dem Lissabon-Vertrag zu tun haben, ist eine klassische bundesstaatliche Verfassung, nach der die Bürger zu zwei unterschiedlichen Rechtsgebilden gehören: der föderativen Ebene der EU und der lokalen, Provinz- bzw. nationalen Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten, in der die Bürger Rechte und Pflichten auf beiden Ebenen haben. Es handelt sich also ganz eindeutig um eine Verfassung, die man heimlich einschmuggelt, denn die 500 Millionen Menschen der 27 Länder ahnen im allgemeinen nicht, was da geschieht, und nur die Bürger der Irischen Republik haben das Recht, darüber abzustimmen.

SB: In der Anti-Lissabon-Bewegung scheuen viele Menschen der unterschiedlichen linken Gruppen den Kontakt zu rechtsgerichteten Euroskeptikern von Organisationen wie der katholisch-konservativen Cóir oder Declan Ganley's Libertas. Sie scheinen in dieser Hinsicht keine Probleme zu haben. Könnten Sie uns erklären, warum das so ist?

AC: Ich bin Demokrat, und ich bin in demokratischer Hinsicht in Sorge über das Europäische Integrationsprojekt; im Verhältnis dazu ist die traditionelle Spaltung in rechts/links ziemlich irrelevant. Die Menschen auf der linken Seite wollen linke Gesetze, die Menschen auf der Rechten wollen rechte Gesetze, aber weder das eine noch das andere ist möglich, ohne daß zuerst einmal ein unabhängiger Staat existiert, in dem man sie schaffen kann. Wir sind derzeit in einer Situation, in der die Mehrzahl der jedes Jahr von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten verabschiedeten Gesetze jetzt in Brüssel formuliert wird - etwas, das Roman Herzog, der frühere deutsche Präsident und ehemalige Verfassungsrichter 2007 in einem berühmten Artikel für die Zeitung Die Welt dargelegt hat. Und wie das in allen klassischen demokratischen Angelegenheiten der Fall ist, sollten vernünftige Leute auf der Linken und auf der Rechten in der gemeinsamen Sache der Demokratie zusammenarbeiten, statt über Dinge zu streiten oder sich zu zanken, die für die anstehenden Fragen irrelevant sind.

Die National Platform ist nicht sehr groß. Im wesentlichen handelt es sich dabei um ein Informations- und Forschungszentrum zu EU-Fragen. Wir bemühen uns sicherzustellen, daß unsere Informationen juristisch zutreffend und genau sind, und stellen sie jeder Gruppe zur Verfügung, die sie nutzen möchte. Wir arbeiten nicht mit Rassisten oder Faschisten zusammen, aber von dieser Sorte gibt es in Irland niemanden von Bedeutung; auf jeden Fall habe ich keine Kenntnis von solchen Gruppen. Menschen auf der Rechten haben absolut legitime Gründe zur Sorge. Declan Ganley hatte Bedenken hinsichtlich der Steuern, während die überwiegende Furcht auf Seiten katholischer Traditionalisten wie Cóir ist, daß die EU die Kontrolle über den Bereich der Menschenrechte erhält. Ich denke, jeder Demokrat würde sich Sorgen machen über diese Angelegenheiten, nicht nur die Leute auf der Rechten, sondern auch die auf der Linken. Offensichtlich haben unterschiedliche Gruppen ihre speziellen Interessen und Schwerpunkte, und das ist nur recht und billig.

SB: Als junger Mann waren Sie inspiriert vom Werk James Connollys und wurden einmal als sozialistischer Republikaner beschrieben. Würden Sie sich noch immer so darstellen?

AC: Ich bin ganz sicher ein linker Republikaner. Man muß genauer definieren, was "sozialistisch" bedeutet. Der Begriff wird vielfach verwendet und kann deshalb viele unterschiedliche Dinge bedeuten. Adolf Hitler hat sich einen Sozialisten genannt, wie auch Harold Wilson; Jacques Delors war ein Sozialist. Ich betrachte mich selbst als Republikaner in dem Sinne, daß ich kein Monarchist bin. Ich halte die demokratische Republik für eine vernünftige Regierungsform. In meiner Jugend wurde ich von James Connolly und anderen beeinflußt. Connolly war ein starker Verfechter der irischen Unabhängigkeit, was zu seiner führenden Rolle beim Aufstand von 1916 führte. Er trat dafür ein, daß die Menschen auf der Linken, aus der Labour-Bewegung, Sozialisten der einen oder anderen Sorte, als Kämpfer für die nationale Demokratie und die nationale Unabhängigkeit eintreten sollten, wo immer diese in Gefahr sind - und zweifellos sind sie das heute europaweit durch das Projekt der EU-Integration, das mit dem transnationalen, europäischen Kapital und den politischen Eliten der großen Staaten, insbesondere Frankreichs und Deutschlands, an der Spitze vorangetrieben wird.

SB: Häufig wird diese Bedrohung wahrgenommen als sei sie lediglich auf der europäischen staatsübergreifenden Ebene von Bedeutung. Wenn man sich aber das große Ausmaß der Zusammenarbeit von EU und NATO ansieht, die ebenfalls durch den Lissabon-Vertrag verfestigt werden soll, ist es dann nicht richtiger, von einem Projekt zur transatlantischen Integration zu sprechen, mit korrespondierenden geopolitischen Implikationen?

AC: Da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, damit ginge man möglicherweise etwas zu weit. Es stimmt schon, die Amerikaner waren mit die ersten Befürworter der europäischen Integration. Die ursprüngliche Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wurde geschaffen, um die französischen Vorbehalte gegenüber der deutschen Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg zu überwinden. Nach dem Suez-Debakel 1956 drängten die Amerikaner, insbesondere Präsident John F. Kennedy drängte Premierminister Harold Macmillan, der EWG beizutreten, aber über die ganzen sechziger Jahre hinweg hat der französische Präsident Charles de Gaulle die Briten außen vor gehalten, weil er sie als Stellvertreter der Amerikaner betrachtet hat.

In groben Zügen würde ich sagen, daß die Amerikaner die europäische Integration bis zur Einheitlichen Europäischen Akte unterstützt haben. Die Einführung einer EU-Währung war jedoch Anlaß für bedeutende Spannungen zwischen dem Euro und dem Dollar. Es ist schon deutlich, daß die Franzosen und die Deutschen, die hinter der Einheitswährung stecken, sie als eine Art künftigen Konkurrenten zum Dollar gesehen haben, der sich gewissermaßen unter ihrer Kontrolle befindet, mit dem Franzosen Jean-Louis Trichet als Präsident der Zentralbank und so weiter. Ich meine deshalb, daß die amerikanische EU-Politik seit der Einführung des Euro nicht mehr so von Begeisterung getragen ist.

Es besteht kein Zweifel, daß die politischen Eliten der großen Länder, insbesondere Frankreichs, Deutschlands und Italiens, die EU vor allem als ein Mittel ansehen, sich zu einer Supermacht zu entwickeln, mit sich selbst in einer hegemonialen oder führenden Rolle. Die Briten müssen feststellen, daß sie gleichzeitig in zwei Richtungen gezogen werden, zur USA und zur EU - eine Tatsache, die durch die unterschiedlichen Positionen in Bezug auf den Irak-Krieg sehr offensichtlich wurde. Die Ambitionen der die EU kontrollierenden Kräfte sehen so aus, daß sie bei zufälliger Interessenübereinstimmung sehr gern mit den Amerikanern zusammenarbeiten, wie zum Beispiel, als der Kommunismus noch der gemeinsame Feind war. Aber jetzt haben wir eine neue Situation mit Rivalitäten, die sich ganz offensichtlich über dem Devisenverkehr, dem Handel aufbauen und zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht an militärischen und politischen Fragen entzünden könnten.

SB: Andererseits scheinen viele dieser Streitfragen oder Spannungen, die sich während der Präsidentschaft des Republikaners George W. Bush in den USA aufgetan haben, infolge der Wahl des Demokraten Barack Obama verflüchtigt zu haben. Darüber hinaus hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy dem Gaullismus den Rücken gekehrt und das französische Militär zurück in die NATO-Kommandostrukturen gebracht, während Washington zur gleichen Zeit einer der führenden Verfechter einer Mitgliedschaft der Türken in der EU ist.

AC: Das stimmt. Es gibt beides, Bereiche, wo man zusammenarbeitet, und Punkte, an denen Spannungen entstehen, wie es normal ist in den Beziehungen zwischen solchen großen Gebilden. Das Außenministerium in Washington ist traditionellerweise recht europafreundlich und die Demokratische Partei multilateraler eingestellt als die Republikaner mit ihren unilateralen Tendenzen. Die Amerikaner hätten von den Europäern gern mehr Zusammenarbeit in Gegenden wie Afghanistan, und die Deutschen haben einen Beitrag geleistet - ich meine, daß sogar die irischen Verteidigungskräfte eine Handvoll Offiziere dort unter ISAF- Kommando stehen haben. Auf der anderen Seite sind die Europäer nicht so scharf darauf, allzuviel Geld für die Verteidigung auszugeben. Sie hätten militärische Gewalt gern billig. So sind die Beziehungen der führenden NATO-Staaten untereinander recht kompliziert.

Die Franzosen und die Briten besitzen Atomwaffen, die Deutschen dagegen nicht. Einer der Gründe, warum die Deutschen meiner Meinung nach darauf bedacht sind, die militärische und politische Zusammenarbeit auszuweiten, ist, daß als Ergebnis am Ende eine atomar bewaffnete europäische Armee stehen wird. Wie ein politischer Kommentator es einmal ausgedrückt hat: Das Maastricht-Abkommen, das uns die Einheitswährung gebracht hat, war die deutsche Mark für die Eurobombe oder, um es höflicher auszudrücken: Währungsunion gegen politisch-militärische Union. Mit anderen Worten: Berlin und Paris haben sich 1992 darüber geeinigt, daß die Deutschen die Deutschmark, jenes große Symbol des wirtschaftlichen Wiederaufstieges der Nachkriegszeit, aufgaben und im Gegenzug eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung und Durchführung der EU-Außenpolitik, mit einer gemeinsamen EU-Armee, mit einer EU-Atomwaffe am Ende erhielten, zweifellos, weil Deutschland unter den Nachkriegsverträgen vom Nuklearwaffenbesitz ausgeschlossen ist. Die Saat für eine solche EU-Armee wurde bereits 1987 von Francois Mitterand und Helmut Kohl gelegt, als sie die Deutsch-Französische Brigade gründeten. Parallel zu Maastricht wurde diese Brigade zum Eurocorps umgewandelt, dem später Belgien, Luxemburg, Polen und Spanien beigetreten sind und das kürzlich bei der Eröffnungssitzung des Europäischen Parlaments öffentlich zur Schau gestellt wurde.

Es ist französisch-deutsche Politik, die engstmögliche Integration miteinander einzugehen, weil die beiden Staaten gemeinsam in der Lage sind, den anderen EU-Mitgliedstaaten ihren Willen aufzuzwingen oder sie zumindest daran zu hindern, etwas zu tun, das Berlin und Paris nicht paßt. Das wurde recht deutlich mit der Kampagne für eine Euro-Währung demonstriert und durch den derzeitigen Druck der französischen und der deutschen Regierung, diese EU-Verfassung durchzusetzen, gleich ob in der ursprünglichen Form oder in Form des Lissabon-Vertrages. Eines der größten Probleme für Frankreich und Deutschland ist, daß eine große Mehrheit der Menschen in Britannien, einschließlich der nächsten britischen Regierung, die ganz sicher von den Konservativen gebildet werden wird, die Idee einer EU-Verfassung ablehnt. Die Menschen lehnen sie europaweit ab. Sie wollen nicht zu Staatsbürgern eines Quasistaates EU gemacht werden, der in undemokratischer Weise von den Franzosen, den Deutschen und den anderen großen Staaten kontrolliert wird.

Man muß sich gegenwärtigen, daß der wichtigste Aspekt des Lissabon-Vertrags in machtpolitischer Hinsicht darin besteht, das vorhandene, abgewogene Abstimmungssystem der EU-Gesetzgebung abzuschaffen und primär die Bevölkerungszahl zur Grundlage zu machen. Zur Verabschiedung von EU-Gesetzen ist künftig - sollte Lissabon durchkommen - eine Stimmmenmehrheit der Mitgliedstaaten erforderlich, die mindestens 65 Prozent der Gesamtzahl der EU-Bevölkerung ausmacht. Dieses neue System würde das deutsche Stimmengewicht etwas mehr als verdoppeln, das von Frankreich, Britannien und Italien um 50 Prozent erhöhen - das bewegt sich je nachdem im Rahmen von acht bis zwölf Prozent - und das irische von zwei auf weniger als ein Prozent halbieren. In Begriffen der Realpolitik ist das, was wir erleben, zweifelsohne ein massiver Versuch der großen Staaten, die Kontrolle über diese 27staatige EU zu übernehmen, indem die EU-Gesetzgebung auf eine Basis gestellt wird, mit der sie ihren Willen künftig viel einfacher durchsetzen können als zur Zeit.

SB: Anthony Couglan, vielen Dank für das Interview.

Der Justizpalast Four Courts im Herzen Dublins, Sitz u. a. des Obersten Gerichtshofs Irlands

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27. August 2009