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JUSTIZ/646: Klagen gegen Telefonüberwachung in den USA abgewiesen (SB)


Klagen gegen Telefonüberwachung in den USA abgewiesen

Umstrittenes Telekomimmunitätsgesetz hebt bisherige Bürgerrechte auf


Im Streit um die illegale Überwachung allen Telefon- und E-Mail-Verkehrs in den USA, zu der George W. Bush 2001 die National Security Agency (NSA) angewiesen hatte und die nach Bekanntwerden eine heftige Diskussion um die Mißachtung der Verfassung durch das Weiße Haus und die Geheimdienste ausgelöst hatte, hat der Staat am 3. Juni einen wichtigen juristischen Sieg errungen. An diesem Tag hat Judge Vaughn R. Walker vom Federal District Court in Northern California die Klagen, die rund 40 Bürgerrechtsorganisationen, Anwälte und Journalisten gegen die an der hochgeheimen NSA-Operation beteiligten Telekomunternehmen wie AT&T und Verizon angestrengt hatten, zurückgewiesen. Zur Begründung führte Walker jenes umstrittene Telekomimmunitätsgesetz an, das Repräsentantenhaus und Senat im letzten Sommer auf Drängen des Weißen Hauses verabschiedet hatten. Entgegen früherer Versprechen hatte auch Barack Obama, damals Senator aus Illinois und demokratischer Präsidentschaftskandidat, für das Gesetz gestimmt.

Die klagenden Parteien, darunter die American Civil Liberties Union (ACLU), die Electronic Frontier Foundation (EFF) und der Geheimdienstexperte James Bamford, kündigten nach dem für sie enttäuschenden Urteil Walkers an, die nächtshöhere Instanz, den United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, anrufen zu wollen. In einem Artikel, der am 4. Juni in der New York Times unter der Überschrift "Telecoms Win Dismissal of Wiretap Suits" erschienen ist, gab sich Bruce I. Afran, der eine Gruppe Telefonkunden, die ihr Recht auf Privatsphäre und Schutz vor staatlicher Schnüffelei verletzt sahen, vertritt, über das Urteil enttäuscht und überrascht: "Es mutet wie eine komplette Abwendung von den Positionen, die Richter Walker früher eingenommen hat, an. Sein Urteil gestattet der Regierung, über die Rechtmäßigkeit der eigenen Verfügungen entscheiden zu können, und das stellt einen ziemlich gefährlichen Präzedenzfall dar."

Angesichts dieser Entwicklung bahnt sich ein heftiger Kampf vor dem neunten Bundesbezirksgericht und vermutlich vor dem Obersten Gerichtshof in Washington um die Frage an, inwieweit es zulässig ist, daß die Legislative in den USA illegale Aktionen der Exekutive nach deren Bekanntwerden rückwirkend für rechtens erklärt und die Geschädigten einfach zum Teufel jagt. Die Frage ist nicht nur prinzipieller Natur. Entgegen anderslautender Behauptungen der Bush-Regierung, wonach die NSA-Operation lediglich Personen betraf, die auf elektronischem Wege mit mutmaßlichen "Terroristen" im Ausland telefonierten, deuten die Aussagen des ehemaligen AT&T-Ingenieurs Mark Klein und die Recherchen von James Bamford darauf hin, daß sich die Rasterfahndung auf die Telefongespräche und E-Mail-Nachrichten von Abermillionen von Menschen sowohl innerhalb als auch außerhalb der USA erstreckte und dies heute weiterhin tut.

Mit dem Telekomimmunitätsgesetz und der parallel dazu verabschiedeten Novellierung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) hatten die Politiker in Washington gehofft, die Einzelheiten und das wahre Ausmaß der NSA-Telefonüberwachung geheimhalten zu können. Wie man anhand des jüngsten Walker-Urteils zugunsten von AT&T, Verizon und Co. sehen kann, ist ihnen dies gelungen. Vor dem 9. Circuit Court of Appeals ist nach wie vor der Fall Al Hamarain gegen die US-Regierung anhängig. Es klagen Wendell Belew und Asim Ghafoor, zwei Anwälte jener inzwischen nicht mehr existierenden, islamischen Wohltätigkeitsorganisation, deren Telefone überwacht wurden und die 2004 fälschlicherweise vom Justizministerium strenggeheime Dokumente der NSA zugeschickt bekommen hatten, die dies belegen. Bis heute weigert sich die Obama-Regierung hartnäckig, die Dokumente, welche die Anwälte damals auf Aufforderung an die zuständige Stelle in Washington zurückgeschickt hatten, dem Gericht oder den Anwälten der Kläger auszuhändigen. In einem Artikel, der am 2. Juni bei der Nachrichtenagentur Inter Press Service unter der Überschrift "Obama Breaking Vows on Secrecy" erschienen ist, gab sich Belews und Ghafoors Anwalt Jon Eisenberg bestürzt über die Haltung der Obama-Regierung in diesem Fall zum Ausdruck und bezeichnete sie als "noch aggressiver" als diejenige der Bush-Administration.

6. Juni 2009