Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

LATEINAMERIKA/2166: Bolivien bekämpft Unterwanderung durch die CIA (SB)


Präsident Morales verweist weiteren US-Diplomaten des Landes


Fast möchte man meinen, die Tage der Unterwanderung Lateinamerikas durch US-amerikanische Geheimdienste seien gezählt. Obgleich diese Einschätzung sicher zu optimistisch ausfiele, mehren sich doch immerhin die Zeichen, daß sich die Menschen im angeblichen Hinterhof Washingtons vom hegemonialen Einfluß emanzipieren und dessen subversive Tentakel abzuschlagen trachten. So hat die bolivianische Regierung erneut ihre Entschlossenheit unter Beweis gestellt, dieser Einflußnahme in ihrem Land einen Riegel vorzuschieben und dabei keine Rücksicht auf Drohgebärden des US-Außenministeriums zu nehmen.

Vor wenigen Tagen verwies Präsident Evo Morales einen US-Diplomaten des Landes, dem konspirative Beziehungen zu oppositionellen Gruppen und Machenschaften gegen bolivianische Interessen zur Last gelegt werden. Francisco Martinez koordinierte nach Angaben der Regierung die Aktivitäten eines einheimischen Polizisten, der die staatliche Ölgesellschaft im Auftrag der CIA infiltriert haben soll. Wie Morales mitteilte, hätten umfangreiche Ermittlungen belegt, daß Martinez in ständigem Kontakt mit oppositionellen Kräften stand.

Die staatliche Gas- und Erdölgesellschaft YPFB hatte mit einem Korruptionsskandal in Millionenhöhe und einem verfehlten Management, das zu landesweiten Lieferengpässen bei Diesel führte, für negative Schlagzeilen und beträchtlichen Unmut in der Bevölkerung gesorgt. Die bolivianische Regierung hegte indessen den Verdacht, daß massive äußere Interessen Einfluß genommen hatten, um dem 2006 verstaatlichten Unternehmen Schaden zuzufügen. Präsident Morales sprach von einer Infiltration durch die CIA, die in einer verdeckten Aktion gegen seine Regierung ein Trojanisches Pferd eingeschleust habe.

Die Ermittlungen konzentrierten sich auf einen in Großbritannien und den USA ausgebildeten ehemaligen Polizisten einer bolivianischen Eliteeinheit namens Rodrigo Carrasco, der sich Regierungsangaben zufolge mit Hilfe gefälschter Papiere den Posten des Vertriebsleiters der YPFB erschlichen hatte, um das Unternehmen zu unterwandern und zu korrumpieren. Er arbeitete zuletzt als Sicherheitsfachmann unter anderem für US-Firmen im Irak und Kuweit sowie für Unternehmen aus dem ostbolivianischen Tiefland und befindet sich derzeit in Haft.

Wie immer in derartigen Fällen wies das US-Außenministerium diese Vorwürfe als gegenstandslos zurück und verurteilte das angeblich durch nichts gerechtfertigte Vorgehen auf bolivianischer Seite. Denise Urs, Beraterin für politische Angelegenheiten im Außenamt, hielt Präsident Morales in diesem Zusammenhang vor, er mißbrauche die Vereinigten Staaten als eine "Spielkarte innerer Angelegenheiten Boliviens".

Der aktuelle Vorfall ist nur das jüngste Glied in einer Kette wachsender Spannungen zwischen Washington und La Paz, deren Anlaß die Ausweisung US-amerikanischer Dienste und Diplomaten wegen subversiver Tätigkeit ist. Vor sechs Monaten veranlaßte Präsident Morales die Entfernung des US-Botschafters Phillip Goldberg, der die wiederholte Warnung in den Wind geschlagen hatte, konspirative Treffen mit Anführern der aufständischen Opposition in den reichen Provinzen des südöstlichen Tieflands zu unterlassen. Ebenfalls im vergangenen Jahr hatte die bolivianische Regierung die Entwicklungsbehörde USAID und das Antidrogenbüro DEA wegen "Einmischung in innere Angelegenheiten" des Landes ausgewiesen.

Da Bolivien mit diesen Schritten die Aktivitäten der CIA im Andenstaat empfindlich gestört hatte, verschlechterten sich die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Der scheidende US-Präsident George W. Bush strich dem exportorientierten Entwicklungsland Handelsbegünstigungen wegen angeblicher Verfehlungen im Antidrogenkampf. Die neue Administration des Amtsnachfolgers Barack Obama legte nach und attestierte der Regierung Boliviens im aktuellen Bericht zu den Menschenrechten in aller Welt diverse Mängel.

Diese durch nichts legitimierte Bewertung anderer Länder unter Aussparung eigener Angriffskriege, Besatzungsregimes und Folterlager seitens der USA rief in Bolivien zwangsläufig Empörung hervor. Man hielt Washington eine Tendenz zu parteiischer Analyse vor und sprach von einer bösartigen Vereinfachung der nationalen Wirklichkeit, was angesichts des Charakters und Verlaufs der Auseinandersetzungen in dem südamerikanischen Land noch recht zurückhaltend formuliert war.

12. März 2009