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LATEINAMERIKA/2193: Die Clintons hängen dennoch an Haiti (SB)


Dankbarkeit darf man von Hungerleidern eben nicht erwarten


Als Hillary und Bill Clinton frisch verheiratet waren, bereisten sie Haiti und brachten fünf haitianische Gemälde nach Hause mit, von denen noch heute zwei in ihrer Küche hängen sollen. Während sie also romantische Erinnerungen mit diesem Land verbinden, sind ihre neuerlichen Besuche im Jahr 2009 erheblich profanerer Natur. Der Expräsident hat sich dem Troß jener Gönner um UN-Generalsekretär Ban Ki Moon angeschlossen, die offenbar fest entschlossen sind, das Armenhaus Lateinamerikas endgültig in einen großangelegten Feldversuch für Studien zur Verhinderung der Hungerrevolte auf niedrigstem Ernährungsniveau zu verwandeln. Mutig, wie er ist, hat sich Bill Clinton neulich sogar ins finstere Herz von Cité Soleil gewagt, wo er kurz an einer Schule haltmachen ließ. Dem Gespenst von Jean-Bertrand Aristide ist er nicht begegnet, was vielleicht daran liegen könnte, daß dieser in den Herzen seiner Anhänger bis zur Rückkehr aus dem südafrikanischen Exil weiterlebt und daher keinen Grund hat, sich als Geistererscheinung mit einem ehemaligen amerikanischen Präsidenten abzugeben.

Die amtierende US-Außenministerin war zaghafter als ihr Gatte, blieb das Äußerste ihrer Gefühle doch der Besuch einer aus diesem Anlaß schwerbewachten Klinik in der Nähe des verrufenen Stadtteils von Port-au-Prince, der von den Besatzungstruppen - pardon, der UN-Friedensmission - nach langen Kämpfen vom Bandenunwesen befreit wurde, das zufällig gewisse Überschneidungen mit der Anhängerschaft Aristides aufwies. Immerhin konnte Hillary Clinton sich ans Revers heften, daß zuletzt im Jahr 2005 ein Außenamtschef ihres Landes einen Abstecher nach Haiti gemacht hatte, was ihren Besuch fast schon zu einer Trendwende Obamaschen Ausmaßes geraten ließ.

Vielleicht hatte die Außenministerin ja Angst, daß arme Haitianer ihre Hilfszusage für bare Münze nehmen und allen Ernstes annehmen könnten, sie habe tatsächlich Geld dabei. So schnell schießen die Geberländer bekanntlich nicht, die lieber einige Jahre später Bilanz ziehen, um dabei mit gespieltem Erstaunen festzustellen, daß nicht alle ihre Zusagen eingehalten haben und der Topf ziemlich leer ist. Befürchtungen waren beim Besuch der provisorischen Klinik unter freiem Himmel jedoch unangebracht, da sich das ärztliche und pflegerische Personal aus Angehörigen der US-Marine rekrutierte.

Echte Haitianerinnen lernte Hillary Clinton dann aber doch noch kennen, als sie Näherinnen in einer Fabrik für Sportkleidung von der Arbeit abhielt. Vielleicht verstanden die Arbeiterinnen nicht, warum ihnen die fremde Besucherin ihr mühseliges Tagwerk als einen Segen Washingtons anpries, wo man zollfreie Importe haitianischer Textilien möglich gemacht hat. Jedenfalls beobachteten sie schweigend und mit versteinerten Mienen die Außenministerin, als diese in der peinlichen Stille die langen Reihen der Nähmaschinen entlangschritt, um dann durch einen Seitenausgang fluchtartig das Weite zu suchen.

Wie die New York Times in ihrer Ausgabe vom 17.04.09 mit der ihr eigenen und gerade wieder mit diversen Pulitzer-Preisen ausgezeichneten analytischen Schärfe und beispielhaften Einfühlsamkeit dazu anmerkte, hege die Außenministerin unverkennbar tiefe Gefühle für Haiti, die das leidgeprüfte Land offenbar nicht erwidern könne.

24. April 2009