Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

LATEINAMERIKA/2219: US-Regierung droht Nicaragua mit Entzug von Hilfsgeldern (SB)


Präsident Ortega weist Erpressungsversuch Washingtons zurück


Denkt man an Wahlbetrug auf höchster Ebene, fallen einem nicht von ungefähr die Vereinigten Staaten ein. Das hindert freilich die US-Regierung nicht im geringsten daran, sich zum Sachwalter fairer und sauberer Urnengänge in jenen Ländern aufzuschwingen, die von mehr oder minder mißliebigen Fraktionen regiert werden. Letzteres gilt natürlich auch für Nicaragua, wo der alte Intimfeind Daniel Ortega ins Präsidentenamt zurückgekehrt ist und prompt Freundschaft mit Hugo Chávez, Evo Morales und anderen roten Tüchern der US-Administration geschlossen hat.

Hillary Clinton erbringt dieser Tage einmal mehr den Beweis, daß finanzielle Hilfen für andere Länder, die an Bedingungen geknüpft sind, spätestens dann als Erpressung bezeichnet werden müssen, wenn Auflagen gegen den Willen der Empfänger durchgesetzt werden sollen. Die US-Außenministerin trifft heute mit führenden Vertretern der Millenium Challenge Corporation (MCC) zusammen, um zu entscheiden, ob man die Hilfszahlungen an Nicaragua unter dem Vorwurf, Ortega habe sich einer Manipulation der letztjährigen Kommunalwahlen schuldig gemacht, einfrieren sollte. [1]

Die unter der Bush-Regierung gegründete MCC hatte Nicaragua im Jahr 2006 insgesamt 175 Millionen Dollar bewilligt. Nun droht das bitter arme mittelamerikanische Land die verbliebenen 64 Millionen Dollar zu verlieren, sollte es sich den erhobenen Forderungen nicht fügen. Dies hat Ortega bereits entschieden zurückgewiesen, der in einem Schreiben an die MCC erklärte, daß sich sein Land nach Suspendierung der Hilfsgelder freier fühle und von Venezuela ersetzt bekommen werde, was ihm die USA vorenthielten. Die Versicherung, daß Nicaragua dank der Unterstützung befreundeter Regierungen Lateinamerikas nicht erpreßbar sei, ist ebenso zutreffend wie ärgerlich für die Gläubiger, die sich damit ihres Werkzeugs zur Schaffung von Abhängigkeitsverhältnissen und Möglichkeiten der Einflußnahme beraubt sehen.

Nicaragua ist eines von weltweit vierzehn Ländern, denen die Millenium Challenge Corporation Hilfsgelder gekürzt hat, weil sie nach deren Maßgabe gewisse Kriterien demokratischer Staatsführung nicht erfüllen. Sieht man einmal von Madagaskar ab, dem nach dem Staatsstreich die Hilfe komplett gestrichen wurde, zählt Nicaragua zu den wenigen Empfängerstaaten, die sich nicht abmühen, um in den Augen der MCC Gnade zu finden.

Bereits im Dezember 2008 hatte die US-Regierung weitere Hilfszahlungen an das von den Sandinisten geführte Land eingefroren und zur Begründung dieser Sanktion mutmaßlich manipulierte Wahlen sowie weitere Verstöße gegen die Vergabekriterien angeführt. Wie der Vorstandsvorsitzende der MCC, Rodney Bent, behauptet, sei man ursprünglich bereit gewesen, von einer Beurteilung Ortegas abzusehen, sofern die Regierung in Managua eine interne Lösung des Wahlproblems herbeiführt. Schließlich wolle man doch Straßen bauen, Kleinbauern helfen und Nicaragua zu einem Musterland derartiger Unterstützung machen.

Die US-Regierung steht mit ihrer Sanktionspolitik keineswegs allein, da eine Gruppe von neun europäischen Geberländern plus Kanada im vergangenen Jahr 70 Millionen Dollar unter Anführung derselben Vorwürfe storniert hat. Auch ihren Auflagen, die Kommunalwahlen zu überprüfen und womöglich zu revidieren, kam die Führung in Managua nicht nach, weshalb man davon ausgehen kann, daß die aktuelle Entscheidung des MCC auch Konsequenzen für die künftige Vorgehensweise der Europäer haben wird.

[1] http://www.csmonitor.com/2009/0609/p06s10-woam.html

10. Juni 2009