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LATEINAMERIKA/2253: UNASUR-Gipfel im Zeichen der US-Interventionspläne (SB)


Chávez reagiert auf Bedrohung durch US-Stützpunkte in Kolumbien


In Reaktion auf die wachsende Bedrohung seines Landes wie auch der gesamten Region durch die geplanten US-Militärstützpunkte im Nachbarland Kolumbien hat der venezolanische Präsident Hugo Chávez die Streitkräfte aufgerufen, sich auf einen möglichen Krieg vorzubereiten. Wie der Staatschef in seiner wöchentlichen Rundfunksendung warnte, könne man diese Bedrohung nicht ignorieren. Er verwies in diesem Zusammenhang auf einen erst wenige Tage zurückliegenden Vorfall, bei dem seinen Angaben zufolge kolumbianische Soldaten den Orinoko mit Booten überquert hatten und widerrechtlich in Venezuela eingedrungen waren. Die Kolumbianer seien geflohen, als sich venezolanische Truppen näherten. Chávez sieht in diesem Zwischenfall eine Provokation des kolumbianischen Staatschefs Alvaro Uribe, die nicht unbeantwortet bleiben dürfe. Er kündigte eine offizielle Beschwerde an und erklärte, Venezuela werde auf jeden Angriff antworten. Der venezolanische Präsident gab zudem bekannt, daß die Lieferung von subventioniertem Öl nach Kolumbien eingestellt werde. Künftig müsse die Regierung in Bogotá die allgemeinen Marktpreise für Rohöl zahlen. [1]

Die Beziehungen der beiden südamerikanischen Nachbarländer waren auf einen neuen Tiefpunkt gesunken, nachdem Uribe Vorwürfe gegen die Regierung in Caracas erhoben hatte, diese unterstütze die Guerillaorganisation FARC. Als angeblichen Beweis führte er drei in Schweden hergestellte Panzerabwehrsysteme an, die angeblich im vergangenen Jahr in einem Stützpunkt der Rebellen gefunden worden waren. Aus dem Umstand, daß diese nach schwedischen Angaben in den 1980er Jahren an die venezolanischen Streitkräfte geliefert wurden, leitet man in Bogotá die Bezichtung ab. Diese vorgebliche Beweislage ist jedoch so dünn und fragwürdig, daß sich zwangsläufig der Verdacht aufdrängt, es handle sich um ein Propagandamanöver im Kontext der geplanten US-Stützpunkte.

Gleiches gilt für die wenige Tage später nachgeschobene Behauptung, man verfüge nun über konkrete Beweise für die Zusammenarbeit hochrangiger Mitarbeiter der venezolanischen Regierung mit Anführern der FARC-Guerilla. Dabei beruft sich die kolumbianische Regierung auf Material, das ihr Geheimdienst aus Datenträgern entschlüsselt haben will, die man angeblich bei den Rebellen gefunden hat. Wie glaubwürdig ist eine Regierung, die sich bei der Bezichtigung eines Nachbarlands einzig und allein auf die Erkenntnisse ihres eigenen Geheimdienstes beruft? Kolumbien hat zu keinem Zeitpunkt Datenträger präsentieren können, die nach internationalen Standards als elektronische Beweismittel zulässig wären. Man muß daher davon ausgehen, daß es sich um eine Farce zur Bezichtigung der Guerilla wie auch der venezolanischen Regierung handelt, die von ausländischen Medien nur deshalb unkritisch übernommen wird, weil sie zu bestätigen scheint, was man schon immer über Hugo Chávez und die FARC gedacht hat.

Venezuela reagierte auf die Vorwürfe, indem es seinen Botschafter aus Bogotá zurückrief und die diplomatischen Beziehungen auf Eis legte. In den vergangenen Tagen hatte sich eine leichte Entspannung abgezeichnet, da Chávez die Rückkehr des vor knapp zwei Wochen abgezogenen Botschafters nach Kolumbien anordnete. Die diplomatischen Beziehungen blieben jedoch weiter eingefroren, erklärte er nun. [2]

Venezuela wertet die massive Ausweitung des Militärpakts zwischen Bogotá und Washington zwangsläufig als Aggression und wirft den USA unter anderem vor, sich über die Nutzung kolumbianischer Stützpunkte der Ölvorkommen im venezolanischen Orinocobecken bemächtigen zu wollen. Auch Ecuador und Bolivien haben die geplanten Stützpunkte scharf kritisiert und sie als Plattformen der militärischen Intervention bezeichnet. Brasilien mahnt verbindliche Garantien an, daß die US-Truppen nur auf kolumbianischem Territorium operieren, und sieht eine Bedrohung seiner Interessen im Amazonasgebiet wie auch seiner Ölvorkommen vor der Atlantikküste.

Demgegenüber führt die kolumbianische Regierung an, daß maximal 1.400 US-Soldaten und zivile Kräfte stationiert werden sollen und das geplante Abkommen mit den USA für den Kampf gegen den Drogenhandel unverzichtbar sei. Beide Behauptungen dürfen als längst widerlegt gelten, da die milliardenschwere Militärhilfe im Rahmen des Kolumbienplans schon vor Jahren offiziell von der Vorwandslage des sogenannten Antidrogenkampfs auf den Krieg gegen die Guerilla umgewidmet und die festgelegte Obergrenze der im Land präsenten US-Truppen und privaten Sicherheitsdienstleister durch diverse Verschleierungsmanöver ausgehebelt wurde.

Die Kontroverse wird zwangsläufig Thema auf dem heute in Quito beginnenden Gipfel der Südamerikanischen Staaten (UNASUR) sein, zu dem mehr als ein Dutzend Staats- und Regierungschefs aus ganz Lateinamerika erwartet werden. Der Vorsitz des Bündnisses geht für die kommenden zwölf Monate turnusgemäß von Chile auf Ecuador über, dessen Präsident Rafael Correa heute seine zweite Amtszeit antritt, nachdem er bei den Wahlen im April mit rund 51 Prozent der Stimmen bestätigt worden ist.

Boliviens Präsident Evo Morales will bei dem Gipfel eine Resolution einbringen, die das Abkommen über die US-Stützpunkte verurteilt. Auf der offiziellen Tagesordnung des Gipfels steht die Gründung weiterer Gremien, nachdem bereits im vergangenen Jahr ein Sicherheits- und ein Gesundheitsrat ins Leben gerufen wurden, denen die jeweiligen Fachminister der zwölf Mitgliedsländer angehören. Der Gesundheitsrat sprach sich bei seiner Sitzung am Wochenende für einen verbesserten Zugang der Entwicklungsländer zu Impfstoffen gegen die Schweinegrippe an, die derzeit in vielen Ländern Südamerikas grassiert. Nun sollen vier weitere Räte gegründet werden, die dem Kampf gegen die Rauschgiftkriminalität, der Verbesserung der Infrastruktur, der sozialen und kulturellen Entwicklung sowie der Bildung gewidmet sind.

Während auch Kubas Präsident Raúl Castro sein Kommen angekündigt hat, fehlt Alvaro Uribe, der seine Abwesenheit unter anderem damit begründet, daß seit vergangenem Jahr keine diplomatischen Beziehungen mehr zwischen den Nachbarländern bestehen. Ecuador hatte die Beziehungen nach dem kolumbianischen Angriff auf das Lager der FARC im März 2008 abgebrochen. Damals waren vermutlich auch Flugzeuge und Hubschrauber, auf jeden Fall aber Bodentruppen auf ecuadorianisches Territorium vorgedrungen und hatten sämtliche Insassen des Lagers, darunter auch Gäste aus Mexiko, liquidiert, soweit diese nicht bereits beim vorangegangenen Abwurf von Präzisionsbomben getötet worden waren. Der Angriff galt insbesondere dem dabei ermordeten FARC-Kommandanten Raúl Reyes, der als Sprecher der Guerilla die Verhandlungen um die Freilassung weiterer Gefangener koordiniert hatte. Das völkerrechtswidrige Kommandounternehmen unter Beteiligung der USA sabotierte die Verhandlungsangebote der FARC und die Vermittlung Venezuelas, so daß der erstmals seit Jahrzehnten in Reichweite gerückte Friedensprozeß zugunsten eines fortgesetzten Vernichtungskriegs gegen die Rebellen ausgehebelt wurde.

Die Absage Uribes spiegelt die von Washington betriebene Spaltung Südamerikas und die Positionierung Kolumbiens als Vasallenstaat der USA wider, welche angesichts der geplanten sieben US-Stützpunkte mit neuer Schärfe vorangetrieben wird. Ein Subkontinent, dessen Länder seit langem keine Kriege gegeneinander mehr geführt haben und der enorme Schritte der Emanzipation von der Dominanz der Vereinigten Staaten hin zu einem engeren regionalen Zusammenschluß einzuleiten imstande ist, wird damit in neue Konflikte getrieben. Die weltweit in Stellung gebrachte Strategie der USA und ihrer Verbündeten, Angriffskriege zu inszenieren, Besatzungsregimes zu installieren und darüber ihren globalen Zugriff auf alle essentiellen Sourcen des Überlebens zu Lasten einer breiten Mehrheit der Menschheit zu sichern, droht nun auch in Lateinamerika die Unabhängigkeitsbewegung mit massiver Waffengewalt zu bedrängen.

Anmerkungen:

[1] Konflikt mit Kolumbien. Chavez ruft Militär zu Kriegsvorbereitungen auf (10.08.09)
http://derstandard.at/fs/1246544089538/Konflikt-mit-Kolumbien-Chavez- ruft- Militaer-zu-Kriegsvorbereitungen-auf

[2] Venezuela protestiert gegen Grenzverletzung durch Kolumbien (10.08.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5i3khbdYviTV_- IrDnBwhk52wvoSw

10. August 2009