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LATEINAMERIKA/2306: Putschisten setzen Farce der Normalisierung fort (SB)


Abkommen in Honduras gescheitert - Einheitsregierung nicht in Sicht


Die anfängliche Euphorie angesichts des Abkommens zwischen den Konfliktparteien in Honduras ist tiefer Enttäuschung im Lager des entmachteten Präsidenten Manuel Zelaya und der Widerstandsbewegung gegen den Staatsstreich gewichen. Offensichtlich haben die Putschisten keineswegs vor, das Feld zu räumen, und sind sich dabei des Rückhalts der US-Regierung sicherer denn je. Die vor Wochenfrist unter Vermittlung von US-Staatssekretär Thomas Shannon getroffene Vereinbarung läßt Raum für die Anerkennung der Wahlen Ende September auch ohne die Rückkehr Zelayas in sein Amt. Dieses Ziel hat das Regime mit seiner Verzögerungstaktik seit vier Monaten angesteuert, und der Erfolg des Komplotts ist nun in greifbare Nähe gerückt.

Inzwischen ist das Kabinett des sogenannten Übergangspräsidenten Roberto Micheletti geschlossen zurückgetreten, ohne daß eine Nachfolgeregierung in Sicht wäre, womit der jüngste Vermittlungsplan als gescheitert angesehen werden muß. Zwar erfüllen die Minister der Putschregierung mit ihrem Rücktritt das Abkommen, doch sollten sie einer Regierung der nationalen Einheit weichen, deren Zusammensetzung bislang völlig ungeklärt ist. Ebenso ungewiß bleibt, ob es zu einer Wiedereinsetzung Zelayas kommt.

Sowohl der gestürzte Staatschef als auch sein Widersacher Micheletti besteht darauf, die geplante Regierung der nationalen Einheit bis zur Präsidentenwahl zu leiten. Mit jedem Tag, an dem Zelaya die Möglichkeit vorenthalten wird, vom schwindenden Rest seiner Amtszeit Gebrauch zu machen, strebt das Manöver der Putschisten seiner Vollendung entgegen, den Reformprozeß abzuwürgen und die traditionellen Herrschaftsverhältnisse zu konsolidieren.

Wie Zelayas Berater Rasel Tome unterstrich, werde man sich nicht an der neuen Regierung beteiligen, solange das Parlament Zelayas Rückkehr ins Amt nicht bestätigt hat. Der vorgebliche Kompromiß, bei dem Zelaya von Thomas Shannon über den Tisch gezogen wurde, übertrug dem Parlament die Entscheidung über die Wiedereinsetzung Zelayas, ohne daß eine Frist dafür festgelegt wurde. Dies erlaubte es den Putschisten, die Entscheidung des Parlaments auf ungewisse Zeit zu vertagen und zuerst eine Stellungnahme des Obersten Gerichts sowie weiterer Institutionen einzuholen. Parlamentspräsident José Angel Saavedra bestätigte auf Anfrage lokaler Medien, daß kein Termin für die Abstimmung des Parlaments genannt werden kann. [1]

Da zahlreiche Staaten gedroht haben, sie würden das Ergebnis der Wahl nur dann anerkennen, falls Zelaya bis dahin wieder in sein Amt eingesetzt worden ist, um die verbliebenen drei Monate seiner Amtszeit zu erfüllen, gehen die Putschisten mit ihrem Obstruktionskurs ein Risiko ein. Dennoch haben sie ihre Position dank des Abkommens gestärkt, da die US-Regierung eine mögliche Entkopplung von Wahl und Wiedereinsetzung deutlich signalisiert hat.

Während sich der gestürzte Präsident Zelaya seit seiner Rückkehr nach Honduras am 21. September in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa aufhält, fährt Micheletti damit fort, eine vorgebliche Normalisierung zu simulieren. In einer Fernsehansprache gab der frühere Parlamentspräsident bekannt, daß er die Regierung der nationalen Einheit ohne Beteiligung Zelayas selbst gebildet habe. Sein neues Kabinett repräsentiere ein breites gesellschaftliches Spektrum. Eigentlich müßte auch Micheletti zurücktreten, um das Abkommen zu erfüllen, doch hat er bislang keine Anstalten gemacht, den okkupierten Präsidentenpalast zu verlassen. [2]

Daß Zelaya die Beteiligung an der Regierungsbildung abgelehnt und den Kompromiß für gescheitert erklärt hat, ist wohlbegründet. Sein Vorwurf, das Parlament verzögere "auf Weisung Michelettis" die Entscheidung über seine Wiedereinsetzung, wird den Tatsachen gerecht. Ohne Zelayas Rückkehr ins Amt kann keine neue Regierung gebildet werden, die Legitimität für sich in Anspruch nehmen darf. Zugleich erklärte die Zelaya nahestehende "Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich", sie werde das Ergebnis der für Ende November geplanten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen nicht anerkennen.

Unterdessen wurden in Honduras binnen 24 Stunden drei Bombenanschläge verübt, bei denen nach Polizeiangaben mindestens ein Mensch ums Leben kam. Ein Anschlag galt einem Micheletti nahestehenden Radiosender. Vor dem Kongreß halten weiterhin Hunderte Menschen eine permanente Mahnwache aufrecht, die auf eine Abstimmung des Parlaments über die Rückkehr des legitimen Präsidenten dringt. [3]

Vielerorts in der Widerstandsbewegung wird das Abkommen als die Falle identifiziert, als die es konzipiert war. Sollte die sogenannte internationale Gemeinschaft die bevorstehenden Wahlen ohne Wiedereinsetzung Zelayas anerkennen, wäre der Putsch als politisches Mittel legitimiert. Das Land wird nach wie vor von den Putschisten regiert. Dieselben Institutionen, die den Staatsstreich vom 28. Juni legitimiert haben, nehmen nun für sich in Anspruch, die Krise zu bewältigen. Herauskommen könnte dabei nur die uneingeschränkte Wiederherstellung jener Verhältnisse, die zu verändern sich Zelaya und die ihn unterstützenden oder nicht selten ihm vorauseilenden Kräfte sich angeschickt haben.

Anmerkungen:

[1] Vermittlungsplan in Honduras gescheitert (06.11.09)
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4865670,00.html

[2] Machtkampf in Honduras. Michelettis Übergangsregierung tritt zurück (06.11.09)
http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article1260764/Michelettis- Uebergangsregierung-tritt-zurueck.html

[3] Honduras unter Spannung. Zelayas Anhänger wähnen Fallstricke im Versöhnungsabkommen (06.11.09)
Sozialistische Tageszeitung

6. November 2009