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LATEINAMERIKA/2327: Chile droht Rechtsruck bei der Präsidentenwahl (SB)


Mitte-Links-Koalition steht nach zwanzig Jahren vor der Ablösung


Zwanzig Jahre nach dem Ende der Diktatur geht bei den morgigen Präsidentschaftswahlen in Chile mit Sebastián Piñera ein Kandidat der rechten Parteienkoalition Alianza por Chile als Favorit ins Rennen. Der seit dem Machtverlust der Junta ununterbrochen regierenden Mitte-Links-Koalition Concertación droht eine Niederlage, obgleich Präsidentin Michelle Bachelet, die am 11. März nächsten Jahres die Amtsgeschäfte an ihren Nachfolger übergibt, sehr populär ist. Ihre Wiederwahl ist jedoch nach der chilenischen Verfassung ausgeschlossen. Eine absolute Mehrheit im ersten Durchgang ist sehr unwahrscheinlich, so daß man von einer Stichwahl im Januar ausgehen kann. [1]

Sebastián Piñera hat sich erst zum Ende der Diktatur von Augusto Pinochet abgesetzt. Als sich dieser 1989 mit einem Plebiszit an der Macht halten wollte, stand Piñera auf der gegnerischen Seite. Das hindert ihn allerdings nicht daran, sich mit diversen zwielichtigen Gestalten aus der Juntazeit zu umgeben. Er ist seit Jahren Senator der konservativ-wirtschaftsliberalen Renovación Nacional und unterlag vor vier Jahren Michelle Bachelet nur knapp. Der Milliardär gehört zu den erfolgreichsten Unternehmern des Landes und besitzt unter anderem ein Drittel der Fluggesellschaft LAN, einen Fußballverein und einen Fernsehsender. [2]

Während in der Vergangenheit das rechte Lager stets zwei Kandidaten aufbot und gegen den geeinten Regierungsblock unterlag, verhält es sich diesmal umgekehrt. Piñera profitiert von der Spaltung der anderen Seite, da der Christdemokrat Eduardo Frei für das Mitte-Links-Bündnis antritt und der sozialistische Abgeordnete Marco Enríquez-Ominami das Regierungslager im Sommer verlassen hat, um seine Kandidatur als Unabhängiger anzukündigen.

Der uncharismatische und langweilige Eduardo Frei hat Chile schon einmal zwischen 1994 und 2000 regiert. Seine Kandidatur war in der Concertación umstritten, da man mit ihm die verkrusteten Strukturen des Bündnisses assoziiert und er insbesondere bei jüngeren Wählern schlecht ankommt. Er hat im Wahlkampf auf Kontinuität gesetzt und liegt in Umfragen deutlich hinter Piñera, aber vor Enríquez-Ominami.

Marco Enriquez-Ominamis Vater war Miguel Enríquez, Gründer der Linken Revolutionären Bewegung MIR, den die Militärs wenige Monate nach dem Putsch ermordet haben. Er ist Ziehsohn des früheren Wirtschaftsministers Carlos Ominami und wurde noch im Säuglingsalter mit seiner Mutter ausgewiesen, worauf er zunächst in Frankreich aufwuchs. Enriquez-Ominami studierte Regie und Philosophie, ist mit einer Fernsehmoderatorin verheiratet und will die Macht der Familiendynastien verringern. Er versteht sich als progressiv, möchte den Staat modernisieren und das Bildungswesen verbessern. Als Vertreter einer neuen Generation von Politikern brachte er Schwung in den ansonsten müden Wahlkampf. [3]

Viel wird davon abhängen, wer im ersten Wahlgang auf dem zweiten Platz landet. Sollte Eduardo Frei in die Stichwahl einziehen, dürfte der konservative Sebastián Piñera nicht aufzuhalten sein. Dem unabhängigen Kandidaten Enriquez-Ominami würden hingegen sicher viele Anhänger der Concertación ihre Stimme geben, um den Rechtsruck zu verhindern. In jedem Fall sieht es schlecht für das Regierungsbündnis aus, das sich vom Präsidentenpalast verabschieden muß. Seine 20jährige Regierungszeit war die stabilste Parteienkoalition in der parlamentarischen Geschichte des südamerikanischen Landes. Die Koalition aus Sozialisten, Radikalen, Christ- und Sozialdemokraten faßte erfolgreich das bürgerliche Lager zusammen und hielt die Rechte auf Abstand, deren Kandidaten den Bewerbern der Concertación des öfteren gefährlich nahe kamen.

Die großen Zeitungen des Landes feiern Piñera bereits als sicheren Sieger und nächsten Präsidenten des Landes, was nicht nur daran liegt, daß sich die wichtigsten Medien Chiles in Händen konservativer bis reaktionärer Kreise befinden. Angesichts der Konstellation bei dieser Wahl winkt den Eliten des Landes tatsächlich die langersehnte Chance, einen der ihren im höchsten Staatsamt zu plazieren und das Ruder herumzuwerfen.

Anmerkungen:

[1] Präsidentschaftswahl in Chile. Pinochets Erben stehen vor der Machtübernahme (12.12.2009)
http://www.neues-deutschland.de/artikel/161051.pinochets-erben-stehen- vor-der-machtuebernahme.html

[2] Concertación schwächelt. Chilenen liebäugeln mit den Rechten (12.12.2009)
http://www.fr- online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/2135404_Concertacion- schwaechelt-Chilenen-liebaeugeln-mit-den-Rechten.html

[3] "Werde nicht mit Diktatur kokettieren" (12.12.2009)
http://derstandard.at/1259281739691/Werde-nicht-mit-Diktatur- kokettieren

12. Dezember 2009