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LATEINAMERIKA/2346: USA wollen Noriega in Frankreich entsorgen (SB)


Letztes Gefecht des früheren Machthabers Panamas gegen Auslieferung


Manuel Noriega - in der Reagan-Ära Machthaber Panamas von Gnaden Washingtons und später von George Bush im Zuge einer Militärintervention gefangengenommen und als Drogenbaron abgeurteilt - war eine geradezu klassische Figur auf dem Tableau US-amerikanischer Herrschaftssicherung. Die Vereinigten Staaten haben ihn zu einem Diktator und Drogenhändler gemacht und ihn später unter dem Vorwurf aus dem Verkehr gezogen, eben dies geworden zu sein. Deutlicher könnte das Muster strategisch herangezüchteter Handlanger und zugleich potentieller Gegenspieler kaum sein, findet man es doch in diversen Zusammenhängen der späteren Kriegsführung der USA und ihrer Verbündeten wieder.

Zwischen 1971 und 1983 war Noriega Chef des militärischen Geheimdienstes von Panama, worauf er das mittelamerikanische Land von 1983 bis 1989 regierte. Er stand auf der Lohnliste der CIA und wurde von Washington lange unterstützt, bis man seiner Dienste nicht länger bedurfte und er der nächsten Etappe der Zugriffsentwicklung im Weg stand. Nachdem gestaffelte Repressalien nicht fruchteten, marschierten US-Truppen Ende 1989 in Panama ein und nahmen Noriega gefangen. Er wurde 1992 zu 40 Jahren Haft verurteilt, die man wegen guter Führung schließlich auf 17 Jahre reduzierte.

Noriega kam jedoch nicht auf freien Fuß, da er 1999 in Frankreich in mehreren Anklagepunkten wegen Geldwäsche in Abwesenheit zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Außerdem will die französische Justiz ein neues Verfahren gegen ihn eröffnen. Sie legt ihm zur Last, in den achtziger Jahren rund 3,15 Millionen Dollar aus Drogengeschäften auf Konten französischer Banken gewaschen zu haben. Damit nicht genug, erwartet ihn in seiner Heimat eine 20jährige Haftstrafe wegen der Beteiligung an der Ermordung politischer Gegner. Allerdings würde er die Strafe in Panama aufgrund seines hohen Alters als Hausarrest antreten, weshalb er dies einer Auslieferung an Frankreich vorzieht.

Würde Noriega nach Panama zurückkehren, wären Turbulenzen nicht auszuschließen, in deren Verlauf die damaligen Ereignisse noch einmal zur Sprache kommen könnten. Die USA haben den Machthaber jahrelang unterstützt und gedeckt, später jedoch das Land ohne Kriegserklärung angegriffen, Hunderte seiner Bürger getötet und den Präsidenten verschleppt und abgeurteilt, ohne daß es zu nennenswertem internationalen Protest gekommen wäre. In Panama, das traditionell als Vasall Washingtons und Refugium anderswo verjagter Despoten und Ausbeuter galt, gab es seit jeher ein starke Fraktion, die sich Washington in der Erwartung andiente, als Günstling am reichgedeckten Tisch zu partizipieren, von dem lateinamerikanische Hungerleider nur träumen können.

Andererseits existierten jedoch wechselnde Fraktionen, denen die Präsenz der Yankees ein Dorn im Auge war. Als US-Präsident George Bush 1992 zum ersten Besuch seit der Invasion in Panama-Stadt erwartet wurde, kam es bereits im Vorfeld zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Unbekannte feuerten Schüsse auf den Eingang zum Gelände der Albrook Air Base ab, und am Vortag des Staatsbesuchs wurde der US-Sergeant Zak A. Hernández erschossen. Der Protest erreichte seinen Höhepunkt, als Bush am 11. Juni eintraf und Spezialeinheiten der Polizei Tränengas in die Menschenmenge feuerten.

Der Tod eines US-Soldaten und die lebensgefährliche Verletzung eines zweiten durfte nicht folgenlos bleiben, weshalb man Schuldige suchte und fand. Da die Soldaten einer Invasionsarmee angehörten, kamen zahlreiche erzürnte Bürger Panamas als Täter in Frage. Man nahm drei Männer fest, die jede unmittelbare Tatbeteiligung bestritten, jedoch auf Grund von Beweismaterial als überführt galten. Während jedoch das FBI nach ballistischen Tests zu dem Schluß kam, daß aus einer der gefundenen Waffen auf die Soldaten geschossen worden sei, konnten entsprechende Untersuchungen von Scotland Yard und der einheimischen Polizei dies nicht mit Sicherheit klären.

Der Hauptverdächtige entzog sich dem Zugriff der Behörden durch Flucht und hielt sich mehr als zwei Jahre lang versteckt, bis er sich schließlich unter spektakulären Umständen stellte. Er profitierte von dem Umstand, daß sein Vater damals Vorsitzender der Regierungspartei war und verbrachte die folgenden Jahre unter vergleichsweise komfortablen Umständen in Haft, bis er schließlich ebenso wie die beiden anderen Angeklagten 1997 freigesprochen wurde. Da ihm jedoch die US-Justiz ihrerseits den Prozeß gemacht und ihn in Abwesenheit des Mordes und weiterer Straftaten schuldig gesprochen hatte, mußte er im Ausland mit Festnahme und selbst in Panama mit Verschleppung rechnen. Als er schließlich im Herbst 1997 zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde, kam es zum politischen Eklat mit Washington. In einem Akt unverhohlener Erpressung drohten die USA, man werde das von den Regierungen beider Länder beschlossene Freihandelsabkommen im Kongreß blockieren, sollte González das Amt antreten.

Wie dieses Beispiel unterstreicht, kann der US-Administration nicht daran gelegen sein, Noriega wie von diesem gewünscht nach Panama zurückkehren zu lassen und dort schlafende Hunde zu wecken. Frankreich wäre aus Perspektive Washingtons auf jeden Fall die bessere Wahl, da man den früheren Machthaber dort mit Sicherheit auf Jahre hinaus mundtot machen würde. Selbst wenn er nur die Hälfte seiner zehnjährigen Haftstrafe verbüßen müßte, wäre er angesichts seines fortgeschrittenen Alters bis dahin womöglich bereits gestorben oder zu gebrechlich, um nach der Entlassung aus dem Gefängnis noch einmal als ehemaliger Hauptdarsteller eines Schurkenstücks seiner Hintermänner in Erscheinung zu treten.

Die Anwälte des inzwischen 75jährigen Noriega hatten Anfang Juli 2009 Berufung gegen die Entscheidung der US-Justiz eingelegt, ihren Mandanten an Frankreich zu überstellen. Vor wenigen Tagen wies der Oberste Gerichtshof der USA den Einspruch Noriegas gegen eine Auslieferung ab und machte damit den Weg nahezu frei. [1] Dessen ungeachtet will der frühere Machthaber Panamas vor dem Supreme Court weiter gegen die Entscheidung der Richter kämpfen. Es blieben gut drei Wochen Zeit, einen Antrag auf erneute Überprüfung zu stellen, die man nutzen werde, teilte sein Anwalt Frank Rubino mit. [2]

Als ehemaliger Machtmensch in Generalsuniform, Geheimdienstchef, Putschist, Schrecken jeglicher Opposition und Drogenhändler ist Manuel Noriega gewiß keine politische Figur, deren letztendliches Schicksal Mitleid erregen könnte. Gerade wegen dieses widerwärtigen Profils eignete er sich jedoch vorzüglich als Zielperson eines kriegerischen Akts der USA, der ohne jede Legitimation durchgeführt und als Polizeiaktion ausgewiesen wurde. Die US-Regierung ließ ihre Truppen in ein anderes Land einfallen und dessen Staatsoberhaupt entführen, womit ein neues Kapitel innovativer Interventionspolitik aufgeschlagen wurde. Analysiert man diesen Vorgang im Kontext seiner Vorgeschichte, erschließt sich eine strategische Blaupause späterer Konflikte.

Noriega war seinerzeit einer der wichtigen Handlanger Washingtons in Mittelamerika, das als Schlachtfeld gegen Revolution und Kommunismus galt. Er stand auf der Lohnliste der CIA und wurde auch vom Pentagon gedeckt, da er die strategisch überaus wichtige Kanalzone unter Kontrolle hielt, während die USA die Contras unterstützten, um die Sandinisten in Nicaragua niederzuwerfen und zugleich eine mögliche Ausbreitung des Widerstands in Guatemala, Honduras und El Salvador zu verhindern. Als Diktator war er ein originäres Ziehkind der Hegemonialmacht, deren Auslandsgeheimdienst und Antidrogenbehörde ihn selbst dann noch protegierten, als seine Machenschaften kaum noch unter Verschluß zu halten waren.

Mitte der achtziger Jahre häuften sich von verschiedenen Seiten die Beschwerden über Noriega, der schließlich die Macht in Panama übernahm, brutal gegen die Opposition vorging, seine Drogengeschäfte ausbaute und Geldwäsche in großem Stil betrieb. Hatte man ihm bis dahin nur gedroht oder signalisiert, er möge sich zurückhalten, so unterstützte die US-Regierung nun Putschpläne, die jedoch nicht von Erfolg gekrönt waren. Da sich Noriega des öfteren in den USA aufhielt, hätte man ihn dort wegen Drogenhandels festnehmen können, was jedoch nicht geschah. Als er sich weder der US-Justiz stellte, noch wie gefordert zurücktrat und ins Exil ging, machte man Anfang 1988 die Vorwürfe des Drogenhandels gegen Noriega offiziell bekannt und untersagte der gesamten Führung Panamas, in die USA einzureisen. Nun ging es mit den Beziehungen der beiden Länder rapide bergab, die USA verhängten ein Handelsembargo, und als Noriega Druck auf US-amerikanische Militärs und Zivilisten auszuüben begann, lieferte dies im Dezember 1989 den Vorwand zur Invasion Panamas.

Wenngleich Manuel Noriega vordergründig wegen seiner Drogengeschäfte nicht mehr tragbar war, lieferten diese doch nur die Vorwandslage, sich seiner zu entledigen. Als diktatorischer Machthaber war er zunächst ein unverzichtbarer Wegbereiter des neoliberalen Übergriffs, doch zugleich als Repräsentant traditioneller Formen der Bereicherung und Gewalt in zunehmendem Maße ein Bremsklotz bei der Modernisierung von Ausbeutung und Verfügung. Wie die anderen Diktatoren Lateinamerikas hatte auch Noriega seinen Zweck erfüllt und mußte einer höheren Macht weichen, die sich seiner bedient hatte und ihn nun auf dem Altar innovativer Interventionspolitik schlachtete.

Anmerkungen:

[1] Oberstes US-Gericht: Noriega darf an Frankreich ausgeliefert werden. Richter weisen Berufung von Panamas Ex-Machthaber ab (27.01.10)
http://www.123recht.net/article.asp?a=57824&ccheck=1

[2] Noriega kämpft vor US-Gericht weiter gegen Auslieferung (27.01.10)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hfenj8pEiWvc3wjBIL6W0Yu43l0w

28. Januar 2010