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LATEINAMERIKA/2412: US-Stützpunkte - Vorposten strategischer Intervention (SB)


US-Streitkräfte wollen sich auch in Costa Rica einnisten


Der Vormachtanspruch der Vereinigten Staaten in Lateinamerika hat viele Gesichter, die miteinander an Häßlichkeit wetteifern und sich allenfalls befristet mit einem scheinheiligen Grinsen maskieren, wenn es eine weitere Putschbeteiligung voller Entrüstung zu leugnen gilt. Ins Reich der Fabel verweist man in Washington den Verdacht, die wachsende Präsenz dauerhafter Militärstützpunkte in Mittel- und Südamerika diene der Vorbereitung strategischer Interventionen. Dabei macht die US-Administration keinen Hehl daraus, daß sie die Bodenschätze, Wasservorräte, Nahrungsmittel und biologische Artenvielfalt dieser Weltregion als einen Bestandteil ihrer nationalen Sicherheit betrachtet und im Zweifelsfall mit militärischen Mitteln für sich reklamieren wird.

Hoch und heilig schwört man allenthalben, der Drogenhandel und nichts als der Drogenhandel sei das einzige Motiv, Stützpunkte zu betreiben, von denen tagtäglich Maschinen zu ihren Überwachungsflügen aufsteigen. Zweifellos werden Schmuggler gesucht und gefunden, doch bleibt natürlich unerwähnt, was sonst noch beobachtet und abgehört wird. Da die Flugzeuge von kleinen Propellermaschinen bis hin zu riesigen AWACS reichen, sind den Optionen keine Grenzen gesetzt. Hinzu kommen Satelliten, hochwertige Lauschposten auf den Stützpunkten sowie Radarstationen und Sensoren in zahlreichen Ländern, an deren Nutzung man beteiligt ist.

Die Militärstützpunkte reichen von Mittelamerika und der Karibik bis nach Kolumbien und Paraguay, womit ein großräumiges Netz potentieller Angriffspunkte gezogen wurde. Einige dieser Basen sind mit Landebahnen und Unterkünften ausgestattet, die für die größten Bomber und Transportmaschinen sowie die Aufnahme Tausender Soldaten ausgelegt sind. Wenn diese Stützpunkte im Normalbetrieb mit einer kleinen und schwach bewaffneten Mannschaft auskommen, will das nichts besagen: Im Falle einer Intervention können binnen kürzester Fristen Truppen eingeflogen und Luftstreitkräfte massiert werden.

Zweites Standbein einer möglichen Intervention sind die Seestreitkräfte in Gestalt der unter Präsident George W. Bush reaktivierten 4. US-Flotte sowie die Nutzung von Flottenstützpunkten. Berücksichtigt man, über welch ungeheure Kampfkraft ein einziger Flugzeugträger verfügt, verkörpert ein solcher Verband eine Bedrohung, der die meisten Länder dieser Weltregion nichts entgegenzusetzen haben. Die Einheiten besagter Flotte wechseln natürlich in gewissen Intervallen, doch weist ihr Einsatzgebiet vor den Küsten Südamerikas und in der Karibik ebenso auf ihren Charakter als Angriffsstreitmacht hin wie ihre hochwertigen Kapazitäten bei Landungsmanövern. Hubschrauberträger, große Landungsschiffe und kleinere Boote, die auf Flüssen im Landesinnern manövrieren können, geben die Behauptung des Pentagon, diese Flotte mache Jagd auf Drogenhändler und leiste humanitäre Hilfe im Katastrophenfall, der Lächerlichkeit preis.

Wie rasch und dauerhaft sich die US-Militärs festsetzen, sobald sie in Gestalt einer kollaborierenden Regierung über einen geeigneten Statthalter verfügen, der ihnen Zugang verschafft, unterstreicht das Beispiel Costa Ricas. Dort wurden nach einem sechswöchigen Bürgerkrieg im Jahr 1948 die Streitkräfte abgeschafft, so daß im nationalen Selbstverständnis eine ausgeprägte Friedensliebe Wurzeln schlagen konnte. Ende letzten Jahres war eine vor zehn Jahren geschlossene Vereinbarung zur gemeinsamen Patrouille der Küstenwache beider Länder abgelaufen, die das Regierungslager nun zu erneuern und dabei massiv auszuweiten versucht. Wohl galt das Land durchweg als Bündnispartner der USA, der sich schon seit geraumer Zeit durch die Aufrüstung der Polizei übergreifenden Sicherheitsstrategien nicht versagte, doch stellt die jüngste Entwicklung geradezu einen Entwicklungssprung hinsichtlich der Einbindung in interventionistische Entwürfe dar.

Die Mehrheit des Mitte-Rechts-Bündnisses von Präsidentin Laura Chinchilla führte einen Beschluß des Parlaments herbei, der Costa Rica zur größten Basis der US-Marine in der Region machen könnte. Dabei wurde die Stationierung zunächst auf einen Zeitraum von sechs Monaten bis zum 31. Dezember 2010 begrenzt, doch stellt sie zweifellos einen Türöffner für eine spätere Verlängerung dar. Autorisiert wurde die Präsenz von bis zu 7.000 Soldaten, 46 Kriegsschiffen, 200 Kampfhubschraubern und Düsenjets in nationalen Gewässern bzw. auf dem Territorium. Den US-Soldaten soll mit Polizeivollmacht gestattet werden, "Verdächtige" festzunehmen und außer Landes zu bringen. [1] Zur Flotte gehören Schiffe wie der gepanzerte Flugzeugträger USS Making Island, der für "intensive Kampfeinsätze" ausgerüstet ist, bis zu fünf Kampfflugzeuge und 42 Hubschrauber transportieren kann und fast 1.500 Soldaten an Bord hat. [2]

Laura Chinchilla, die im Februar ins Amt gewählt worden war, berief sich bei ihrem Vorstoß auf ein Abkommen zwischen San José und Washington aus dem Jahr 1998, in dem die Zusammenarbeit bei der Drogenbekämpfung geregelt wird. Wenngleich wie üblich die Bekämpfung des Drogenhandels als fadenscheiniger Vorwand herhalten muß, legen Art und Umfang der Waffensysteme und Streitkräfte nahe, daß es um den Aufbau einer strategischen Basis für Militäreinsätze gegen andere Länder geht, der die nationale Souveränität Costa Ricas de facto außer Kraft setzt und mit der Verfassung unvereinbar ist.

Angesichts der gewaltigen militärischen Streitmacht stellt die Opposition die Begründung der Regierung in Frage. Abgeordnete der Linkspartei Frente Amplio ("Breite Front") haben vor dem Verfassungsgericht Beschwerde eingelegt, um die Stationierung zu verhindern. Die Verfassung verbietet die Anwesenheit von Streitkräften in Costa Rica und erklärt das Land zu einer "Zone des Friedens". Die Art der Waffen weise darauf hin, daß es um militärische Operationen und nicht wie behauptet um die Bekämpfung des Drogenhandels geht. Auch kritisiert die Opposition, daß der Vertragstext den US-Soldaten völlige Bewegungsfreiheit und zugleich juristische Straflosigkeit zusichert, wodurch die Souveränität Costa Ricas auf nicht hinzunehmende Weise eingeschränkt werde.

Einen weiteren Aspekt desselben grundsätzlichen Konflikts illustriert die Kontroverse um den US-Stützpunkt in Hato auf der kleinen Insel Curaçao, die zu den Niederländischen Antillen gehört und nur 40 Meilen vor der Küste Venezuelas liegt. Im Herbst soll Curaçao im Zuge der Auflösung der Inselgruppe als einheitliche politische Entität größere Unabhängigkeit erlangen, wobei die niederländische Regierung weiterhin wesentliche Teile der Außenpolitik kontrolliert. Eine kleine, aber engagierte Minderheit auf Curaçao favorisiert die vollständige Unabhängigkeit, worin sie von der venezolanischen Regierung unterstützt wird. Die Insel unterhält seit Jahrhunderten enge Wirtschaftsbeziehungen zu Venezuela, das dort unter anderem eine große Raffinerie betreibt, die mit etwa tausend Beschäftigten zu den wichtigsten Unternehmen der Insel zählt. [3]

Obgleich Curaçao so nahe vor der venezolanischen Küste liegt, daß man diese bei klarem Wetter sogar sehen kann, schwören die US-Militärs Stein und Bein, daß man nichts anderes als den Drogentransfer im Visier habe, und bezichtigen Venezuela im selbem Atemzug, dem Schmuggel durch die aufgekündigte Zusammenarbeit mit den US-Drogenfahndern Vorschub zu leisten. Diese Argumentation ist nicht minder fragwürdig wie die leutselige Erklärung, man betreibe reine Aufklärungsflüge und führe keinerlei Angriffswaffen an Bord. Zwischenfälle mit von der venezolanischen Luftwaffe abgefangenen US-Aufklärungsmaschinen, die "irrtümlich" den Luftraum Venezuelas verletzt haben, werden als politisches Ablenkungsmanöver von Präsident Chávez diskreditiert, dem nach US-amerikanischer Lesart jeder Vorwand recht ist, fiktive Bedrohungsszenarien zu entwerfen.

Präsident Chávez hat immer wieder darauf hingewiesen, daß der US-Luftwaffenstützpunkt dicht vor der Küste Venezuelas nicht allein der Bekämpfung des Drogenhandels dient, sondern in erster Linie eine Bedrohung seines Landes darstellt. Er warf der niederländischen Regierung vor, sie überlasse Washington einen militärischen Vorposten, der einem möglichen Angriff auf Venezuela Vorschub leiste. Mit seiner Kritik steht Chávez keineswegs allein, hat doch Ecuador den ausgelaufenen Pachtvertrag des großen US-Stützpunkts Manta am Pazifik nicht verlängert und überdies im Zuge seiner Verfassungsreform jede Präsenz ausländischer Streitkräfte dauerhaft ausgeschlossen. Scharfe Einwände erhob auch Brasilien, das die 4. US-Flotte vor seiner Küste als Bedrohung seiner Ölvorkommen im Atlantik und die massiv verstärkte Stationierung der US-Streitkräfte in Kolumbien als Gefahr für das gesamte Amazonasgebiet bezeichnet hat.

US-Flugzeuge benutzen den Flughafen auf Curaçao seit Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens im Jahr 2000, das Ende 2010 ausläuft und nach dem Willen der niederländischen Regierung um fünf Jahre verlängert werden soll. Unter dem Deckmantel eines übergreifenden Programms zur Bekämpfung des Drogenschmuggels unterhalten die US-Streitkräfte auch Stützpunkte in Paraguay, El Salvador, auf Aruba sowie in Gestalt ihrer größten Basis in Mittelamerika, Soto Cano Air Base in Honduras. Hinzu kommt der Zugang zu insgesamt sieben Stützpunkten in Kolumbien, der den engsten Verbündeten Washingtons in der gesamten Region endgültig in einen Brückenkopf strategischer Intervention verwandelt hat.

Anmerkungen:

[1] Empörung gegen Parlamentsbeschluß. Regierungsmehrheit will Costa Rica zur größten Basis der US-Marine machen (10.07.10)
junge Welt

[2] Verfassungsbeschwerde gegen US-Militär. Massive Flotten- Stationierung in Costa Rica. Genehmigung vorläufig für ein halbes Jahr (09.07.10)
http://amerika21.de/nachrichten/2010/07/3251/costamilitar

[3] Curaçao Faces Friction With Chávez Over U.S. Planes (12.07.10)
New York Times

16. Juli 2010