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MEDIEN/446: Guardian und New York Times schonen zu Guttenberg (SB)


Guardian und New York Times schonen zu Guttenberg

Angloamerikanische Leitmedien stellen Plagiatsaffäre als Bagatelle dar


Schon länger steht der Verdacht im Raum, der CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg habe bei seiner steilen Karriere nicht nur die Unterstützung konservativer Kräfte in Deutschland, sondern auch ausländischer Verfechter der transatlantischen Bindung der Bundesrepublik an die USA erfahren. Noch als zu Guttenberg in Deutschland kaum bekannt und höchstens den Einwohnern Oberfrankens ein Begriff war, da nahm er zusammen mit schwergewichtigen Staatsmännern wie Henry Kissinger bereits an Podiumsdiskussionen des einflußreichen Council on Foreign Relations in New York teil. Gestern ist zu Guttenberg wegen der Affäre um das Plagiat seiner Doktorarbeit als Bundesminister für Verteidigung zurückgetreten. Doch seine Anhänger sprechen bereits jetzt von einem baldigen Comeback, angeblich weil die Union aus Christsozialen in Bayern und Christdemokraten im restlichen Bundesgebiet auf das Charisma ihres Ikarus nicht verzichten kann. Damit die von zu Guttenbergs Förderern erwünschte Rückkehr ihres Zöglings ins Regierungsgeschäft glückt, muß dieser den derzeitigen Rummel um seine Person politisch überstehen. Und siehe da, in ihren heutigen Ausgaben haben die beiden liberalen Leitmedien der Anglosphäre, die britische Tageszeitung Guardian und ihr amerikanisches Pendant die New York Times über den Rücktritt zu Guttenbergs berichtet, ohne jedoch den eigentlichen Grund dafür zu benennen.

Im Guardian berichtete aus Berlin dessen Korrespondentin Helen Pidd unter der Überschrift "German defence minister resigns in PhD plagiarism row". Damit übernahm Pidd einfach die Selbstbeweihräucherung zu Guttenbergs, der am Tag davor voller Pathos behauptet hatte, er wäre wegen der nicht enden wollenden Kontroverse um seinen Doktortitel zurückgetreten, weil er sie den armen deutschen Landsern in Afghanistan, die ihm "ans Herz gewachsen" seien, nicht länger zumuten könne. In dem Guardian-Artikel überwiegen die Angaben zu zu Guttenbergs Karriere, seiner Popularität et cetera. Die Hinweise auf die eigentliche Kausa fallen dagegen sparsam und oberflächlich aus. Von einem "Plagiatsskandal" und "Titelseitenberichten über die Authenzität seiner [zu Guttenbergs] Doktorarbeit" ist die Rede.

Pidd berichtet lediglich, daß letzte Woche die Universität von Bayreuth zu Guttenberg den Doktortitel aberkannt hatte, "nachdem er zugegeben hatte, größere Passagen (unabsichtlich behauptete er] aus anderen Quellen kopiert zu haben", und führt anschließend die Ausrede vom "schweren Arbeitspensum" des Beschuldigten als Abgeordneter und Familienvater zweier Töchter an. Unerwähnt bleibt die kriminelle Energie, die zu Guttenberg an den Tag legte, als er nicht nur "Passagen kopierte" und vielleicht vergaß, deren Quellen anzugeben, sondern sie leicht veränderte, um ihren Ursprung zu kaschieren und sie als die eigenen Worte und Gedanken erscheinen zu lassen. Das ist es, worüber sich die zahlreichen Akademiker in Deutschland - und nicht nur sie - aufregen. Auf diesen Umstand findet man im Guardian-Bericht jedoch keinen klaren Hinweis.

Der Artikel Judy Dempseys in der New York Times, "Plagiarism in Dissertation Costs German Defense Minister His Job", vermittelt wie der Pidds dem Leser nicht wirklich den Gegenstand der Kontroverse, sondern in erster Linie die von zu Guttenberg selbst beklagte "Erregtheit" der deutschen Öffentlichkeit, gänzlich als sei der Adlige Opfer einer Neidkampagne gewesen, wie es seine Amigos um Roland Koch die ganze Sache unerbittlich darzustellen versuchen. Dempsey schreibt: "Letzte Woche im Bundestag - oder Parlament - gab Mr. Guttenberg zu, daß er Fehler beim Verfassen der Dissertation gemacht hatte, als er den Überblick bei der Quellenangabe für zwei Passagen verlor". Bedenkt man die Erkenntnisse der Website GuttenPlag Wiki, deren unabhängige Forscher zum Zeitpunkt des Rücktritts zu Guttenbergs "plagiierte Stellen" auf "324 der 393 Seiten der Dissertation" gefunden und "891 Plagiatfragmente aus über 120 verschiedenen Quellen" identifiziert hatten, so muß man die Formulierung Dempseys als eine glatte Verharmlosung bezeichnen.

Die überaus schonende Berichterstattung des Guardians und der New York Times über die Gründe für den Rücktritt zu Guttenbergs steht im krassen Widerspruch zu der Art und Weise, wie beide Zeitungen in den letzten Wochen auf den Wikileaks-Gründer Julian Assange einschießen und ganz offensichtlich die Glaubwürdigkeit der gegen diesen in Schweden erhobenen Vorwürfe der sexuellen Belästigung zu erhöhen versuchen. Daß sich die New York Times als inoffizielles Sprachrohr der US-Regierung versteht, wurde 2002 bei ihrer Verbreitung der ganzen erstunkenen und erlogenen Geschichten der Administration George W. Bushs über die "Massenvernichtungswaffen" und Al-Kaida-Verbindungen Saddam Husseins der ganzen Welt klar. Gerade in den letzten Wochen hat Amerikas Paper of Record ihren Ruf als Progagandawerkzeug Washingtons bestätigt, als sie auf Bitten der Regierung Barack Obamas den Lesern die Tatsache vorenthielt, daß es sich bei dem Amerikaner Raymond Davis, der am 27. Januar zwei Pakistaner auf offener Straße in Lahore kaltblütig erschoß, um keinen Diplomaten, wie von Außenministerin Hillary Clinton behauptet, sondern um einen CIA-Agenten handelt.

2. März 2011