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MILITÄR/835: USA richten Raketenabwehrstützpunkt in Rumänien ein (SB)


USA richten Raketenabwehrstützpunkt in Rumänien ein

Washingtons Vereinbarung mit Bukarest löst in Moskau Unbehagen aus


Überschattet von der öffentlichen Aufregung um die von Barack Obama am Abend des 1. Mai bekanntgegebene, extralegale Hinrichtung Osama Bin Ladens, des Chefs des "Terrornetzwerkes" Al Kaida und mutmaßlichen Drahtziehers der Flugzeuganschläge vom 11. September 2001, durch amerikanische Spezialstreitkräfte in Pakistan haben am 3. Mai die Regierungen in Washington und Bukarest ein Abkommen über die Stationierung von US-Abfangraketen im Süden Rumäniens unterzeichnet. Über die Entwicklung ist Rußland, das darin eine Bedrohung für die eigene nukleare Abschreckung sieht, verstimmt.

An der Unterzeichnungszeremonie in Bukarest nahmen Ellen Tauscher, die für Rüstungskontrolle zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium, und Rumäniens Präsident Traian Basescu teil. Mit dem Abkommen wurde die Einrichtung einer Raketenabwehrbasis der Amerikaner auf dem rumänischen Luftwaffenstützpunkt Deveselu, der nahe der Stadt Carecal unweit der Grenze zu Bulgarien liegt, beschlossen. Bis 2015 soll die neue Anlage, die von rund 200 US-Militärangehörigen bedient wird, einsatzfähig sein.

Urspünglich plante die Administration George W. Bushs, Raketenabwehrsilos in Polen und eine X-Band-Radaranlage für das Raketenabwehrsystem in Tschechien einzurichten. Gegen diese Pläne liefen die Russen jahrelang Sturm. Nach dem Regierungswechsel von Republikanern zu Demokraten in den USA kündigten Obama, Vizepräsident Joseph Biden und Außenministerin Hillary Clinton im Frühjahr 2009 einen "Warmstart" der vom Unilateralismus Bushs, Dick Cheneys und Donald Rumsfelds belasteten, amerikanisch-russischen Beziehungen an. Im Rahmen des "Warmstarts" wurde 2010 das vom Weißen Haus und Kreml beschlossene Neue START-Abkommen über die Reduzierung der strategischen Nuklearwaffen beider Großmächte vereinbart. Bereits bei den Verhandlungen über diesen Vertrag versuchten die russischen Unterhändler Passagen einzuführen, welche den Ausbau des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Europa beschränkt hätten, doch haben sich die US-Gesandten dagegen hartnäckig zur Wehr gesetzt.

Bei der Verkündung der Neuausrichtung der Raketenabwehrpläne der USA in Europa durch Obama vor zwei Jahren klang es, als ließen sich diese hauptsächlich durch die Stationierung von Lenkwaffenzerstörern im östlichen Mittelmeer und im Schwarzen Meer realisieren, die mit dem elektronischen Aegis-Frühwarnsystem und den dazugehörigen Abfangraketen vom Typ Standard Missile 3, auch SM-3 genannt, ausgerüstet sind. Das Abkommen über die geplante Inbetriebnahme einer Raketenabwehrbasis in Deveselu, im Landesinnern Rumäniens, mehr als 300 Kilometer von der Schwarzmeerküste entfernt, spricht eine andere Sprache. Wie die New York Times am 4. Mai berichtete, planen die USA, statt zehn Langstreckenabfangraketen in Polen aufzustellen, innerhalb der nächsten vier Jahre 40 bis 50 Mittelstreckenabfangraketen vom Typ SM-3 in Deveselu sowie auf Schiffen vor der rumänischen Küste zu stationieren (Es sind zudem ähnliche Maßnahmen in Polen sowie im Baltikum vorgesehen). Mit der Umsetzung des Plans könnte es jedoch dauern, denn eine landgestützte Version der bisher ausschließlich von der US-Marine verwendeten SM-3 gibt es noch nicht.

Nichtsdestotrotz ist man in Moskau über die neue amerikanisch-rumänische Vereinbarung alles andere als glücklich. In einer Stellungnahme des russischen Außenministeriums brachte man das Bedauern des Kremls, "daß die praktischen Schritte zum Bau des europäischen Segments des weltweiten Abwehrsystems der USA ungeachtet des russisch-amerikanischen Dialogs im Bereich der Raketenabwehr beschlossen" würden, zum Ausdruck. In der Erklärung erneuerte man die Forderung Moskaus nach einer rechtlichen Garantie, daß sich das US-Raketenabwehrsystem nicht gegen Rußlands Atomraketen richten würde.

Im bereits erwähnten Bericht der New York Times wiesen nicht namentlich genannte Vertreter der US-Regierung die Forderung Moskaus mit dem Hinweis zurück, Washington habe bereits die Russen zur Teilnahme an dem Projekt eingeladen. Auf die Beschwichtigungsversuche der USA läßt sich Rußland jedoch nicht ein. Bei einem Treffen des NATO-Rußland-Rats am 5. Mai in Brüssel hat Moskaus Sonderbotschafter Dimitri Rogozin die jüngsten Schritte Washingtons und Bukarests sowohl hinter verschlossen Türen als auch öffentlich scharf kritisiert. Am Tag zuvor hatte Rußland Außenminister Sergej Lawrow auch unter Verweis auf die laufende Militärintervention der NATO im libyschen Bürgerkrieg auf der Seite der Rebellen gegen Muammar Gaddhafi und die regulären Streitkräfte des nordafrikanischen Landes erklärt, in Moskau beginne man sich zu fragen, ob Washingtons "Warmstart" in den bilateralen Beziehungen ernst gemeint oder lediglich ein Täuschungsmanöver sei.

7. Mai 2011