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MILITÄR/852: Wem gehört der Himmel? - US-Drohnen setzen uneingeschränkte Lufthoheit durch (SB)


Drohnenprogramm des Außenministeriums ergänzt Pentagon und CIA


"Unser Himmel ist unser Himmel, nicht der Himmel der USA!" Mit diesen Worten unterstrich der irakische Innenminister Adnan al-Asadi in einer Mischung aus erlebter Ohnmacht und Aufbegehren gegen die militärische Suprematie der nach wie vor im Land präsenten Okkupation, daß keine Konsultationen hinsichtlich des Dauereinsatzes von Drohnen stattgefunden hätten. Dies bestätigten auch der nationale Sicherheitsberater Falih al-Fayadh und Ali al-Mosawi, ein hochrangiger Berater Premierminister Nuri Kamal al-Malikis. Die USA wollen mindestens fünf Jahre lang unbemannte Fluggeräte nach Belieben im Irak einsetzen, wozu sie einer formalen Zustimmung der Regierung in Bagdad bedürfen. Daß diese angesichts der aktuellen Spannungen zwischen beiden Ländern im Kontext des Abzugs der US-Kampftruppen kaum zu bekommen ist, liegt auf der Hand. [1]

Wenngleich Vertreter der US-Regierung vorhalten, man wolle in diesbezügliche Gespräche mit Bagdad eintreten, hat das US-Außenministerium bereits im vergangenen Jahr versuchsweise eigene Drohnen im Irak eingesetzt und diese Praxis nach dem Abzug der letzten Kampftruppen im Dezember deutlich ausgeweitet. Im fliegenden Wechsel übernahmen private Sicherheitsdienstleister jene militärischen Aufgaben, die nach den ursprünglichen Plänen des Pentagons von einem reduzierten Kontingent regulärer Streitkräfte wahrgenommen werden sollten. Die Fehleinschätzung, ein formales Ersuchen der irakischen Marionettenregierung um dauerhafte Präsenz sogenannter Berater und Ausbilder sei ein Selbstgänger, führte zwar zu einer unverhofften Zäsur, doch wurde diese umgehend zugunsten einer Fortsetzung des Besatzungsregimes unter Führung des US-Außenministeriums kompensiert.

Der riesige Komplex der US-Botschaft in Bagdad mit seinen rund 11.000 Beschäftigten wird im Auftrag des Washingtoner Außenministeriums von 5.000 Mitarbeitern militärisch hochgerüsteter Sicherheitsdienstleister geschützt. So werden im Stil eines Kriegseinsatzes die Konvois schwer gepanzerter Fahrzeuge bei Fahrten über Land von Hubschraubern aus der Luft gesichert, an deren geöffneten Seitentüren zumeist Schützen mit Maschinengewehren postiert sind. Hinzu kommt eine wachsende Flotte von Überwachungsdrohnen, die zur Sicherheit der Botschaft und Konsulate wie auch des Personals beitragen sollen.

Nach Angaben des US-Außenministeriums handelt es sich bei den rund zwei Dutzend Drohnen, die derzeit im Irak eingesetzt werden, um vergleichsweise kleine und unbewaffnete Fluggeräte. Ihre Aufgabe besteht demnach darin, Informationen über mögliche Gefahren wie Straßensperren oder Protestkundgebungen zu sammeln und an das Sicherheitspersonal am Boden zu übermitteln. Offenbar bemüht, den von der irakischen Regierung nicht genehmigten Einsatz herunterzuspielen, hob man den Unterschied zu den wesentlich größeren und mit Waffen ausgerüsteten Drohnen der Typen Predator und Reaper hervor und betonte, daß eine Bewaffnung bei den aktuell verwendeten Maschinen gar nicht möglich sei.

Nach fast neun Jahren Okkupation, die für große Teile der Bevölkerung mit Verelendung und existentieller Gefahr verbunden waren, wächst die Empörung angesichts immer neuer Zeugnisse der Besatzerwillkür. Als vor wenigen Tagen auch der Hauptverantwortliche für das Massaker von Haditha, bei dem 2005 insgesamt 24 Zivilisten von US-Marines abgeschlachtet wurden, so gut wie straffrei ausging, wünschten viele Iraker die Amerikaner endgültig zum Teufel. Wer wollte da der Beschwichtigung Glauben schenken, bei den weiterhin eingesetzten Drohnen handle es sich um harmlose Fluggeräte, die nicht weiter von Belang seien!

Im September 2011 hatte das US-Außenministerium eine Art Ausschreibung herausgegeben, in der von einem weltweiten Bedarf an Überwachungsdrohnen die Rede war. Als Ziel dieses Programms gab man die Fähigkeit an, Echtzeitbeobachtung stationärer Einrichtungen, Auswahl geeigneter Routen und anderer Operationen sowie eine verbesserte Sicherheit in gefährlichem Umfeld zu gewährleisten. Obgleich keine konkreten Einsatzgebiete ausgewiesen wurden, deutete doch alles auf den Irak hin. Dem Vernehmen nach haben inzwischen gut ein Dutzend Unternehmen ihr Interesse bekundet, im Rahmen dieses Programms als Ausrüster für das Ministerium tätig zu werden.

Die Streitkräfte der USA haben in der Vergangenheit sowohl unbewaffnete als auch bewaffnete Drohnen im Irak eingesetzt, wobei der Unterschied zwischen beiden relativ ist. Zum einen können reine Aufklärungsdrohnen verwendet werden, um den Einsatz von Bodentruppen zu koordinieren. Zum anderen können viele Typen wahlweise mit und ohne Bewaffnung operieren. Und selbst wenn es zutreffen sollte, daß die derzeit im Irak verwendeten Fluggeräte nicht waffenfähig sind, schließt das den späteren Einsatz von mit Raketen ausgerüsteten Drohnen nicht aus.

Grundsätzlich handelt es sich bei diesem Konzept um die Strategie, nach dem Abzug von Kampftruppen, die an anderen Kriegsschauplätzen benötigt werden, eine US-amerikanische Dauerpräsenz zu gewährleisten. Hier springt das Außenministerium in die Bresche, das unter dem Vorwand des Schutzes der Botschaften und Konsulate die ständige Bereitstellung privater Sicherheitsdienstleister am Boden wie auch Hubschrauber und Drohnen in der Luft durchsetzt. Während bislang vor allem das Pentagon und die CIA mit ihrem mörderischen Drohnenkrieg in Pakistan, im Jemen oder in Somalia in Erscheinung getreten sind, wurden in jüngerer Zeit Drohnenstützpunkte in Äthiopien, auf den Seychellen und an einem geheimen Ort auf der arabischen Halbinsel errichtet.

Eigenen Angaben zufolge hat das US-Außenministerium sein eigenes Programm lediglich im Irak getestet und bislang keine Entscheidung über Einsätze in weiteren Ländern getroffen. Wie aus Kreisen von Sicherheitsdienstleistern durchgesickert ist, verfügen diese jedoch längst über Hinweise des Ministeriums, daß der Einsatz von Überwachungsdrohnen in einer Reihe anderer potentieller Krisengebiete wie Afghanistan nach dem Abzug der Kampftruppen, Pakistan oder Indonesien konzipiert sei.

Was wie ein überambitioniertes Vorhaben des mit dem Pentagon und der CIA konkurrierenden Außenministeriums anmuten mag, das nach Einschätzung mancher Experten dabei technologische Probleme zu lösen hat, an denen es zu scheitern droht, erweist sich im Kontext umfassender geostrategischer Präsenz der USA als essentieller Baustein im Mosaik militärischer Zugriffssicherung auch in jenen Regionen, die noch nicht von Kampftruppen okkupiert oder von ihnen bereits wieder verlassen worden sind. Bei dem vorgehaltenen Abzug aus dem Irak oder entsprechenden Ankündigungen für Afghanistan handelt es sich mitnichten um einen vollständigen Rückzug, sondern im Gegenteil um eine unbegrenzte Fortsetzung der Besatzung mit modifizierten Mitteln.

Wenn führende Vertreter der irakischen Regierung eine Verletzung der Souveränität ihres Landes durch den unablässigen Einsatz von Drohnen monieren, so verweist dies auf eine Okkupation des Luftraums betroffener Staaten und ganzer Regionen zum Zweck permanenter Überwachung in Echtzeit und in Stellung gebrachter unmittelbarer militärischer Angriffspotentiale. Die Antwort, wem der Himmel gehört, haben die Vereinigten Staaten kraft ihrer massiven Waffengewalt und technologischen Überlegenheit zumindest aus ihrer Sicht längst gegeben.

Fußnote:

[1] http://www.nytimes.com/2012/01/30/world/middleeast/iraq-is-angered-by-us-drones-patrolling-its-skies.html?_r=1&hp

31. Januar 2012