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MILITÄR/911: Diverse Raketentests lassen Korea-Krise eskalieren (SB)


Diverse Raketentests lassen Korea-Krise eskalieren

China liefert eigene Antwort auf die Raketentests der USA


Die Durchführung von Testflügen mit mehreren Kurz- und Mittelstreckenraketen durch Nordkorea in den letzten Monaten hat zu einer gefährlichen Krise in Ostasien geführt. Die neue US-Regierung von Präsident Donald Trump hält die Tests für inakzeptabel und droht offen damit, sämtliche Anlagen des Raketen- und Atomprogramms Nordkoreas mit einem präemptiven Angriff zu zerstören, sollte Pjöngjang am geplanten, sechsten unterirdischen Test eines Nuklearsprengkopfs festhalten. Nordkorea dagegen pocht auf sein souveränes Recht auf Selbstverteidigung und verweist auf die Weigerung der USA, einen Friedensvertrag mit der kommunistischen Regierung in Pjöngjang zu unterzeichnen. Schließlich befindet sich wegen der Verweigerungshaltung Washingtons der Koreakrieg, der zwischen 1950 und 1953 Millionen von Menschen das Leben kostete, bis heute lediglich im Waffenstillstand.

Neben den 28.500 US-Soldaten, die dauerhaft in Südkorea stationiert sind, hat das Pentagon vor der koreanischen Halbinsel, vor allem im Japanischen Meer, eine gigantische Streitmacht zusammengezogen, um die Nordkoreaner einzuschüchtern bzw. Druck auf die Führung in Peking auszuüben, damit diese Pjöngjang zum Einlenken bewegt. Die beeindruckende Armada der amerikanischen Marine wird angeführt vom Flugzeugträger USS Carl Vinson. Zu ihr gehören auch die drei Lenkwaffenzerstörer USS Wayne E. Meyer, USS Michael Murphy und USS Stetham sowie der Lenkwaffenkreuzer der Ticonderoga-Klasse USS Lake Champlain. Diese Schiffe erfüllen ebenso wie die im April in Südkorea nahe der nordkoreanischen Grenze erstmals installierten X-Band-Radaranlagen und Raketenbatterien eine wichtige Funktion im Raketenabwehrsystem der USA namens Theater High-Altitude Area Defense (THAAD). Man kann davon ausgehen, daß mehrere U-Boote der USA, die mit nuklearen und konventionellen Sprengköpfen bestückte Raketen mit sich führen, ebenfalls in den Gewässern Ostasiens unterwegs sind.

Vor diesem Hintergrund mutet es seltsam an, wie wenig mediale Aufregung die jüngsten Raketentests des Pentagons nach sich gezogen haben. Während die nordkoreanischen Raketentests regelmäßig Gegenstand von Krisensitzungen im UN-Sicherheitsrat sowie hysterischen Schlagzeilen der westlichen Presse werden, wird ähnlichen Maßnahmen des Pentagons kaum Beachtung geschenkt, als seien sie nichts Ungewöhnliches. Die unterschiedliche Wahrnehmung verblüfft um so mehr, als die USA im Vergleich zu Nordkorea erstens tatsächlich über funktionierende Atomsprengköpfe und Interkontinentalraketen in großer Zahl verfügen und Washington zweitens im Gegensatz zu Pjöngjang offiziell eine Erstschlagsdoktrin für sich reklamiert. Konkret heißt das, die US-Atomwaffen sind für den Angriff vorgesehen und dienen nicht als Zweitschlagswaffe allein der Abschreckung, wie es für diejenigen Nordkoreas und übrigens auch Chinas gilt.

Am 26. April und am 3. Mai hat das U. S. Air Force Global Strike Command jeweils eine Interkontinentalrakete vom Typ Minuteman III, von denen die USA 450 Stück besitzen und die mit bis zu drei Wasserstoffbomben bestückt werden können, vom Luftwaffenstützpunkt Vandenberg unweit von Los Angeles auf ein Zielgebiet am südpazifischen Atoll Kwajalein in rund 6700 Kilometer Entfernung abgefeuert. Beide Flüge sind nach Angaben des Pentagons erfolgreich verlaufen. Zur Begründung der Tests wurde Oberst Chris Moss, Kommandeur des 30. Space Wing an der Air Force Base Vanderberg, am 3. Mai von der britischen Tageszeitung Independent mit den Worten zitiert, sie stellten "eine wichtige Demonstration der nuklearen Abschreckungsfähigkeiten unserer Nation dar". Im typisch amerikanischen Militärsprech fuhr Moss fort: "Die Tests des Minuteman sind unerläßlich, um den Status unserer nationalen Atomstreitkräfte zu verifizieren und unsere nationale Nuklearfähigkeiten zu demonstrieren."

China, dessen Führung in THAAD ein Rüstungssystem sieht, das einen atomaren Erstschlag der USA ermöglichen soll, und deshalb gegen dessen Stationierung in Südkorea Sturm läuft, bleibt angesichts des amerikanischen Säbelrasselns seinerseits nicht untätig. Am 10. Mai berichtete die in Hongkong erscheinende South China Daily Post von einer Verlautbarung des Verteidigungsministeriums in Peking am Tag davor, derzufolge die Volksarmee im Golf von Bohai, der zum Gelben Meer zwischen China und der koreanischen Halbinsel gehört, einen "neuen Raketentyp" getestet habe. In der South China Daily Post wurden die Rüstungsexperten Liang Guoliang und Zhou Chenming mit der Einschätzung zitiert, es habe sich vermutlich um einen gegen THAAD gerichteten Test einer bodengestützten Version der Mittelstreckenrakete Dong Feng (DF-21 oder DF-26) gehandelt, die nach dem Start von einem Testgelände in der Provinz Liaoning oder Ganzu am Ziel im Golf von Bohai eingeschlagen sei. Zhou Chenming, vom Pekinger Knowfar Institute for Strategic and Defence Studies (KISDS) und der in Makau ansässige Militärbeobachter Antony Wong Dong meinten, es könnte sich auch um den Test einer seegestützten Dong-Feng-Rakete gehandelt haben und als Warnung an die Besatzung der USS Vinson und deren Befehlsgeber in Washington gerichtet sein.

13. Mai 2017


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